Frankenthal, 20. Juni 2017. (red/pro) In einem Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Ermordung und Misshandlung von Bewohnern des Alten- und Pflegeheims „Lambrechter Tal“ der AWO hat die Staatsanwaltschaft Frankenthal (Pfalz) kürzlich vor dem Landgericht Frankenthal – Schwurgericht – Anklage gegen die drei inhaftierten Tatverdächtigten erhoben. Ihnen wird zur Last gelegt, von Juli 2015 bis Ende August 2016 als Mitarbeiter des Pflegeheims in wechselnder, zum Teil gemeinschaftlicher, Tatbegehung verschiedene Straftaten zum Nachteil der Bewohner begangen zu haben, teilt die Staatsanwaltschaft Frankenthal mit. Möglicherweise wurden drei Frauen ermordet. Und eine vierte mit einem “Wiener Würstchen” sexuell missbraucht. Möglicherweise gibt es weitere Opfer.
Kommentar: Hardy Prothmann
Drei Tatverdächtigen wird aktuell der Mord an drei Frauen vorgeworfen, die in einem Seniorenheim im pfälzischen Lambrecht lebten. Und es gibt ein viertes Opfer. Hier lautet der Vorwurf auf sexuellen Missbrauch. Die Frau soll mit einem “Wiener Würstchen” zunächst vaginal und dann oral penetriert worden sein.
Das ist so widerwärtig, dass man geneigt ist, Schnappatmung zu bekommen.
Selbstverständlich ist die Anklage wegen Mordes gewichtiger als der sexuelle Missbrauch. Trotzdem macht das, was die Staatsanwaltschaft Frankenthal für Anklageerhebung veröffentlicht hat, einfach nur noch fassungslos.
Laut Anklage wurden Menschen, die Hilfe brauchten, erniedrigt und sogar getötet. Aus niederen Motiven. Aus Heimtücke.
Selbstverständlich gilt im Rechtsstaat die Unschuldsvermutung und die Staatsanwaltschaft muss diese erschütternden Anschuldigungen beweisen und ein Gericht muss darüber ein Urteil finden.
Laut Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft heißt es:
Einer 26-jährigen ehemaligen Altenpflegerin aus dem Kreis Bad Dürkheim, einem nun 24-jährigen ehemaligen Altenpflegehelfer aus dem Kreis Südliche Weinstraße und einem nun 48-jährigen ehemaligen Altenpflegehelfer aus dem Raum Bad Dürkheim wird dabei die gemeinschaftliche Ermordung einer 85-jährigen Heimbewohnerin im Dezember 2015, begangen durch die Verabreichung von Insulin und die anschließende Erstickung mit einem Kissen, vorgeworfen.
Dem 24-jährigen und dem 48-jährigen Angeschuldigten wird ferner die gemeinschaftliche Ermordung einer 62-jährigen Heimbewohnerin im Februar 2016 durch das Spritzen von Insulin zur Last gelegt.
Außerdem werden die beiden Pflegehelfer angeschuldigt, gemeinsam mit der 26-jährigen Pflegerin im März 2016 versucht zu haben, eine 89-jährige Heimbewohnerin durch die Beigabe von Morphin und Insulin zu ermorden.
In allen drei Fällen legt die Anklage den Angeschuldigten die Mordmerkmale „Heimtücke“ (also die bewusste Ausnutzung der Arg- und Wehrlosigkeit der Opfer) und „niedrige Beweggründe“ (weil die Angeschuldigten aus Langeweile und um ihre Macht gegenüber den Bewohnern auszuüben handelten) zur Last.
Als wäre das alles nicht schon genug – zudem wirft die Staatsanwaltschaft Frankenthal den Angeschuldigten vor, in weiteren Fällen, Schutzbefohlene misshandelt zu haben. Die Tatbeteiligungen sollen dabei “wechselnd” gewesen sein. So auch beim sexuellen Missbrauch einer Frau, die sich nicht wehren konnte.
Die Opfer sollen mit Gegenständen beworfen worden sein. Sie sollen Abführmittel ohne medizinischen Grund erhalten haben. Sprich: Die Opfer sollen aus niedersten Beweggründen gequält worden sein.
Auch Habgier soll eine Rolle gespielt haben. Danach wurden die Frauen ausgeraubt. In der Klage heißt es:
Schließlich wird den Angeschuldigten u.a. vorgeworfen in weiteren Fällen im Tatzeitraum gewerbsmäßig Wertgegenstände und Bargeld der Heimbewohner entwendet zu haben.
Klar ist, es kann keine Vorverurteilung geben. Die angeklagten Personen haben ein Recht auf Verteidigung. Die Vorwürfe wiegen allerdings schwer.
Die Angeschuldigten befinden sich seit Ende 2016 in Untersuchungshaft. Hinsichtlich der Misshandlungen und Diebstähle sind sie laut Staatsanwaltschaft grundsätzlich geständig. Der sexuelle Missbrauch der Heimbewohnerin wird von allen drei Angeschuldigten allerdings bestritten. Die erste Tötung hat der 24-jährige Angeschuldigte laut Staatsanwaltschaft eingeräumt.
Die Beteiligung an dieser und die anderen Tötungen wird wiederum von den beiden anderen Angeschuldigten bestritten. Auch der 24-jährige bestreitet, an weiteren Tötungen beteiligt gewesen zu sein. Die Angeschuldigten belasten sich insoweit jedoch zum Teil gegenseitig, wie die Staatsanwaltschaft Frankenthal mitteilt.
Der Nachweis der Taten beruht nach Angaben der Behörde im Wesentlichen auf der Auswertung des Inhalts der bei den Angeschuldigten sichergestellten Mobiltelefone.
Insgesamt ermittelt die Staatsanwaltschaft zu 40 verstorbenen Personen. Allerdings wurden nur zehn davon erdbestattet und die anderen 30 “krementiert”, was übersetzt heißt, es gibt so gut wie keine Möglichkeit mehr, hier Tötungen nachzuweisen.
Trotzdem würden wegen möglicherweise begangener weiterer Tötungsdelikte der Angeschuldigten die Ermittlungen in gesonderten Verfahren fortgeführt.
Da die Tatverdächtigen schon gut ein halbes Jahr in Untersuchungshaft sitzen, muss das Verfahren gegen sie eröffnet werden. Das ist aktuell geschehen. Sollten sich weitere Tatvorwürfe ergeben, könnten diese Teil des Verfahrens werden – möglicherweise könnte es aber auch weitere Verfahren geben.
Angewendete Vorschriften sind laut Staatsanwaltschaft:
§§ 179, 201a, 205, 211, 223, 224 Abs. 1 Nr. 1, 225, 242, 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, 22, 23, 25 Abs. 2, 52, 53, 54 StGB, hinsichtlich des 48-jährigen Angeschuldigten auch gemäß §§ 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, 263a StGB, hinsichtlich des 24-jährigen Angeschuldigten auch gemäß §§ 259, 260 Abs. 1 Nr. 1, 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, 263a, 26, 27 StGB.
Als Hintergrundinformation zur Abgrenzung zwischen Mord und Totschlag übermittelt die Behörde diese zusätzlichen Informationen:
Grundsätzlich fällt die Tötung eines Menschen unter den Straftatbestand des Totschlags (§ 212 des Strafgesetzbuches). Diese Vorschrift sieht einen Strafrahmen von fünf bis fünfzehn Jahren vor. Liegen besondere zusätzliche Merkmale vor, wird die Tat als Mord (§ 211 des Strafgesetzbuches) eingeordnet. Die Mordmerkmale sind ausdrücklich im Gesetz festgelegt und lauten
– Mordlust
– Befriedigung des Geschlechtstriebs
– Habgier
– Niedrige Beweggründe
– Heimtücke
– Grausamkeit
– Gemeingefährliche Mittel
– Ermöglichung oder Verdeckung einer anderen StraftatFür Mord lautet die Strafandrohung lebenslange Freiheitsstrafe. Nur bei besonderen Strafmilderungsgründen und im Falle einer versuchten Tat kann das Gericht von der Verhängung dieser Höchststrafe absehen.
Wie auch immer dieses Verfahren laufen wird und welches Urteil auch gefällt werden mag. Absolut erschütternd ist, dass es überhaupt zu diesen Tatvorwürfen kommen konnte. Alte Menschen sind oft hilflos und absolut auf ihre Pfleger angewiesen.
Das Pflegeheim in Lambrecht hatte selbst Anzeige erstattet – gegen die Einrichtung wird nicht ermittelt und nach unseren Recherchen ist diese selbst trotz der negativen Schlagzeilen an Aufklärung sehr interessiert, was eine sehr, sehr schwere Rolle ist.
Ursprünglich ermittelte die Staatsanwaltschaft Frankenthal nach der Anzeige durch die Heimleitung gegen Mitarbeiter zum Missbrauch von Schutzbefohlenen. Die weiteren Ermittlungen schockierten und führten letztlich zur Mordanklage.
Dieses Verfahren wird rechtsstaatlich durchgeführt und beendet werden.
Nach früheren Recherchen anderer Medien stellt sich aber die Frage, wie die Politik darauf reagiert und welche Schutzmaßnahmen getroffen werden müssen, damit alte Menschen in Würde ihren Lebensabend verbringen können und keine Sorge haben müssen, vorzeitig “entsorgt” und “entehrt” zu werden.
Und jeder, der seine Oma oder den Opa lieb hat, wird sich die Frage stellen, wie man verhindern will, dass sie mögliche Opfer eines mutmaßlichen sexuellen Missbrauchs mit “Wiener Würstchen” werden.
Den Betreiber des Altenheims in Lambrecht trifft nach unseren Informationen keine unmittelbare Schuld. Die Frage nach der Verantwortung und geeigneten Maßnahmen, solchen Missbrauch bis hin zu Tötungsdelikten entschieden entgegen zu wirken, muss klar gestellt werden.
Da gibt es kein Vertun.