
Rund 5.000 Menschen haben am Trauermarsch nach dem Mord an der litauischen Studentin Gabriele Z. (20) teilgenommen. Die grauenhafte Tat bewegt die Menschen. Die DNA-Spur des Täters wurde jetzt auch bei einem zunächst als Raubüberfall gewerteten Angriff auf eine 48-jährige Frau in Speyer festgestellt. Hat der Mörder noch weitere Frauen überfallen und wird er es wieder tun, wenn die Gelegenheit “für ihn günstig” ist?
Mannheim/Speyer/Rhein-Neckar, 19. Oktober 2013. (red) Der Sexualmord an der litauischen Studentin Gabriele Z. in Mannheim ist keine Einzeltat. Wie sich jetzt herausstellte, hat der Täter bereits am 10. August eine Frau in Speyer angegriffen und beraubt. Das Verbrechen wurde bislang als Raub geführt – vermutlich hat die Frau durch ihre massive Gegenwehr ihr Leben gerettet.
Von Hardy Prothmann
Die neue Spur der Polizei gibt auf den ersten Blick Hoffnung, dass man den Mörder von Gabriele Z. bald ermitteln kann. Doch diese Hoffnung ist trügerisch, denn auch der Überfall in Speyer vor fast zwei Monaten ist bis heute auch nicht aufgeklärt.
Die rheinland-pfälzische Polizei ging bislang von einem schweren Raub aus. Die Frau wurde massiv geschlagen und gewürgt, konnte den Täter aber durch ihre massive Gegenwehr in die Flucht schlagen. Durch das “Matching” der DNA-Spur wird erst jetzt deutlich: Die Frau war nicht nur Opfer eines Raubüberfalls, sondern hat vermutlich um ihr Leben gekämpft.
Jetzt gibt es mindestens zwei Tatorte
Es gibt nunmehr zwei Tatorte. Einen in Mannheim und einen früheren in Speyer. Nach unseren Informationen prüft die Polizei nun fieberhaft andere Fälle, die ähnliche Merkmale aufweisen. Beide Tatorte waren schwer einsehbar und eher “abgelegen” – obwohl mitten in den Stadtgebieten. Der Angriff in Speyer geschah um Mitternacht. Der Angriff auf Gabriele Z. erfolgte vermutlich zwischen 23 Uhr und irgendwann nachts. Genau lies sich die Tatzeit wegen der Wetterbedingungen nicht ermitteln.
In beiden Fällen war der Täter auch Räuber. Der Frau in Speyer hat er die Handtasche abgenommen und auch Gabriele Z. wurde beraubt, wie die Polizei aktuell mitteilte. Der Täter hat ihr Handy der Marke Huawei mitgehen lassen. Aus ermittlungstaktischen Gründen hatte die Polizei dies zunächst nicht mitgeteilt. Natürlich hat die Polizei versucht, das Handy zu orten oder Nutzungsaktivitäten festzustellen. Erst nachdem diese Versuche gescheitert sind, folgte der erneute Zeugenaufruf, weil die Polizei sich Hinweise erhofft, dass der Täter das Handy selbst nutzt oder zum Verkauf angeboten hat.
Wie bei Gabriele Z. ging der Mann in Speyer äußerst brutal vor, schlug dem Opfer ins Gesicht und “übte massive Gewalt gegen den Hals aus”. Das ist untypisch für Raubüberfalle, die meist durch Vorhalten einer Waffe ausgeführt werden. Wenn die Opfer nicht nur bedroht, sondern angegriffen werden, dann, um das Opfer wehrlos zu machen und um an die Beute zu kommen. Die Gewalt gegen den Hals des Opfers deutet auf eine Tötungsabsicht hin.
Hinweise zum Täter
Die Polizei ermittelt zur Zeit fieberhaft zu anderen Gewaltdelikten. Das Ziel sind Erkenntnisse, ob weitere Tötungsversuche möglicherweise fälschlich als Raubüberfall oder vielleicht sogar nur als “Belästigung” gewertet worden sind.
Sollte die Polizei hier fündig werden, wird der Ermittlungsdruck enorm steigen, denn dann muss die Polizei davon ausgehen, dass es sich um einen Serientäter handelt, der sich neue Opfer gesucht hat und suchen wird. Und die Polizei wird die äußerst schwierige Frage abwägen müssen, ob sie darüber “ermittlungstaktisch” schweigt oder die Bevölkerung aufklärt. Das wird nicht ohne Folgen bleiben und Ängste schüren.
Immerhin hat die Polizei nunmehr weitere wichtige Anhaltspunkte zum Täter:
Von der Frau wurde der Täter als ca. 180 cm groß, kräftige aber nicht muskulöse Gestalt, gepflegte Erscheinung, glatt rasiert und ca. 30 Jahre alt beschrieben. Auffallend waren seine extrem kurzen dunklen Haare und ein blauer Arbeiteranzug (vermutlich ein sogenannter „blauer Anton“). Der Täter sprach einige Worte auf Deutsch und ausländisch, könnte daher seine Wurzeln im mittel- bzw. osteuropäischen Raum haben oder daher stammen.
Unklar ist, ob der Täter “eine Beziehung” zu den Tatorten hat oder sich diese zufällig ergeben haben. Der “blaue Anton” ergibt die Frage, ob der Mann in Speyer welcher Arbeit auch immer nachgeht. Es kann auch sein, dass der Täter in Speyer lebt und beim Mord in Mannheim “auf Besuch” war. Es ist natürlich auch umgekehrt möglich. Oder, dass er woanders wohnt und arbeitet und sich seine Opfer außerhalb seines Wohnumfelds gesucht hat.
Doch warum in Speyer und Mannheim? Und warum an diesen Tatorten? Nach den bisherigen Erkenntnissen der Polizei hat der Täter nicht unbedingt einen Bezug zu den Tatorten. Wenn das zutrifft, ist das schlecht für die Ermittlungsarbeiten, weil Zufälle keine “Beziehungen” haben. Wenn es keine Planung und Vorbereitung beim Täter gibt, handelt er impulsiv, egal, wo er sich gerade aufhält. Das kann jeder Ort sein. Vergleichbar sind bislang nur die Tatzeiten und die unübersichtlichen Tatore sowie die Raubdelikte und vor allem die Brutalität des Täters, die man ihm vermutlich äußerlich nicht ansehen kann – er soll, soweit das Speyerer Opfer dies nachts und im Abwehrkampf gegen den Überfall der Polizei mitteilen konnte. Die Beschreibungen reichen offensichtlich nicht aus, um ein Phantombild anzufertigen. Auch die Hinweise auf “osteuropäische Sprache” sind diffus und lassen sich nicht näher eingrenzen.
Werden die Speichelproben die Ermittlungen weiterbringen?
Nicht vergleichbar, sondern Tatsache ist der “DNA-Teffer”. Vermutlich. Die Polizei hat nun zwei Spuren. Sie muss jetzt den Mann finden, dessen genetischer Fingerabdruck übereinstimmt.
Aktuell hat die Polizei rund 500 Speichelproben genommen. Von Anwohnern, von Mitstudenten, Uni-Personal und weiteren Männern, die möglicherweise in einem Kontakt zur ermordeten Gabriele Z. stammen. Doch bislang sind noch keine 100 ausgewertet. Anders als bei CSI und anderen Kriminalserien dargestellt, sind das aufwändige Untersuchungen, die noch mindens die nächste Woche andauern werden. Und noch länger dauern können, wenn man nicht fündig wird und sich entschließt, die Zahl der Speichelproben zu erhöhen.
Dabei handelt es sich durchaus um eine Kostenfrage. Eine schnellere Untersuchung der Proben erhöht die Kosten immens. Auch hier lastet enormer Druck auf der Polizei. Was, wenn der Täter wieder zuschlägt und sich die Polizei fragen lassen muss, ob eine erneute Tat “aus Kostengründen” möglich wurde?
Die Zahl von 500 Proben deutet darauf hin, dass die Polizei gegen die Probanden keine konkreten Verdachtsmomente hat. Und es steht zu befürchten, da der Täter vermutlich weder eine “Beziehung” zu den Opfern noch zu den Tatorten hatte, dass diese Tests die Ermittlungen nicht voranbringen werden.
Was dann? Von wie vielen und von welchen Männern in Mannheim und Speyer soll man weitere Proben nehmen? Solange nicht klar ist, wie man die Suche eingrenzen kann, ist das utopisch – schon wegen der Kosten.
Polizei sucht nach “Beziehungen”
Die Polizei geht nun davon aus, dass “wir noch sehr viel mehr Hinweise bekommen, die wir alle ernst nehmen”, wie Sprecher Martin Boll auf Anfrage bestätigt. Die Soko Cäsar ist mit über 50 Ermittlern zwar sehr groß, die braucht es aber, um die vielen Hinweise auch zu verfolgen. Erfahrungsgemäß werden sehr viele die Ermittlungen nicht weiterbringen, nachdem man sie mit der gebotenen Sorgfalt geprüft hat.
Ob es weitere “Ähnlichkeiten” der Opfer gibt, hat die Polizei beispielsweise nicht mitgeteilt. So sind die Nationalität und “der Typ Frau” des Speyerer Opfers nicht mitgeteilt worden. Hat sie Ähnlichkeit mit Gabriele Z.? Hat der Täter ein “Beuteschema”? Oder wählt er willkürlich seine Opfer, wenn sich die Gelegenheit bietet?
Welche “Beziehung” haben der Überfall in Speyer und der Mord in Mannheim noch? Die Städte liegen rund 30 Kilometer entfernt. Mit dem Auto ist das unter 30 Minuten zu schaffen, mit dem ÖPNV braucht man über ein Stunde. Der Tatort in Mannheim liegt direkt keine hundert Meter entfernt an der Straßenbahnhaltestelle Rheinstraße. Der Tatort in Speyer ist rund einen Kilometer vom Speyerer Bahnhof entfernt – dem zum Tatort nächsten “Einstiegspunkt”.
Der 10. August kurz vor Mitternacht war ein Samstag. Die Mordnacht vom 4. auf den 5. Oktober die Nacht von Freitag auf Samstag. Ist das eine Ähnlichkeit? Schlägt der Mörder “bevorzugt” am Wochenende zu? Wieso hatte er einen “Blaumann” an – um diese Uhrzeit? Arbeitet er vielleicht “Schicht”? Oder war auch das nur ein “Zufall”? Oder sind die Angaben der Zeugin zu “vage”?
Sollte die Polizei weitere Vorfälle finden, die “Ähnlichkeiten” aufweisen, wird sich das Netz dichter um den Täter legen. Aber auch die Befürchtung in der Bevölkerung verstärken, dass “da draußen” ein noch nicht gefasster Sexualmörder herumläuft. Verbunden mit der Angst vor der Gefahr, dass er weiter nach “günstigen Gelegenheiten” und weiteren Opfern sucht. Willkürlich.