Mannheim/Stuttgart/Berlin, 18. August 2015. (red) Wenn die Prognosen sich bestätigen, werden alle bisherigen Planungen über den Haufen geworfen. Nach einem Bericht des Handelsblatts geht Innenminister Thomas de Maizière nicht mehr von 450.000 Flüchlingen aus, sondern mindestens von 650.000. Damit wird die von uns bereits berichtete Zahl von mindestens 85.000 Asylsuchenden für 2015 in Baden-Württemberg eintreffen.
Von Hardy Prothmann
Der Mittwoch wird spannend, weil Innenminister Thomas de Maizière dann die neue Flüchtlingsprognose vorstellt, die auf Prognosen des zuständigen Bundesamt für Migration und Flüchtlinge beruht. Dessen Zahlen mussten in der Vergangenheit immer wieder korrigiert werden und zwar immer nach oben. Sollten die Informationen des Handelsblatts zutreffen und als neue Zahl 650.000 Flüchtlinge erwartet werden, dann wird die bislang als inoffiziell gehandelte Zahl von 85.000 Asylsuchenden, die neu ins Land kommen, dann zur offiziellen Prognose. Natürlich mit Luft nach oben.

Flüchtlinge bei der Registrierung im Heidelberger Patrick Henry Village.
In Baden-Württemberg wird das den Druck auf die Landesregierung enorm erhöhen – im März 2016 sind Landtagswahlen. Eigentlich soll das Thema „Flüchtlinge“ ausgenommen werden – doch das ist längst nur noch ein Wunschtraum. Spätestens mit dem „Brandbrief“ dreier Landräte und einer abwatschenden Antwort der Landesregierung dürfte klar sein, dass das Flüchtlingsthema „top“ ist.
Was vielen offenbar nicht klar ist: Im bisherigen Rekordjahr 1992 kamen „nur“ 438.000 Asylsuchende – ganz überwiegend Kriegsflüchtlinge aus den Balkanstaaten. Diese Zahl wird 2015 mit Sicherheit weit übertroffen.

Die Bundespolizeiinspektion Rosenheim hat am 11. August innerhalb von 24 Stunden rund 300 unerlaubt eingereiste Personen registriert. Die Zahl der festgestellten illegalen Grenzübertritte nimmt weiter zu. Foto: Bundespolizei
Wahlkampfthema Flüchtlinge
Aktuell gibt es zwar nur knapp 180.000 Asylanträge in diesem Jahr – wir wissen allerdings, dass in den Landeserstaufnahmestellen Flüchtlinge teils länger als drei Monate warten müssen, um einen Antrag zu stellen. Rechnet man nur den vergangenen Monat mit über 7.000 neuen „Asylsuchenden“ in Baden-Württemberg, das rund 13 Prozent über den „Königsteiner Schlüssel“ zugewiesen bekommt, sind das bundesweit also weit über 50.000 Menschen, die schon hier sind, aber in der Statistik „gestellte Asylanträge“ noch längst nicht erfasst sind – so werden aus 180.000 Menschen „plötzlich“ 230.000.

Integrationsministerin Bilkay Öney bei einer Bürgerinformation in Heidelberg-Kirchheim.
Traditionell steigen die Flüchtlingszahlen in den Wintermonaten an – insbesondere vom Balkan. Hier gibt es eine zunehmend verschärfte Debatte über „Sonderbehandlungen“ – Bayern will Abschiebelager nur für Asylsuchende vom Balkan einrichten, „Anreize“ wie das Taschengeld sollen gestrichen werden, mediale Kampagnen in den Balkanstaaten sollen vor Ort klar machen, dass die Menschen aus Deutschland wieder abgeschoben werden. Und insbesondere Ministerpräsident Winfried Kretschmann wird gefordert, der Ausweitung weiterer „sicherer Herkunftsländer“ zuzustimmen. Dafür hatte er sich bereits in der Vergangenheit bei der grünen Basis massive Kritik eingehandelt.
Integrationsministerin Bilkay Öney (SPD) sagte uns vor kurzem bei einem Besuch in Mannheim, dass sie „jeden Tag ein Hochhaus bauen müsste“, wollte man die Menschen in Wohnungen unterbringen. Natürlich muss sie das nicht, weil zunächst eine Unterbringung in Aufnahmelagern erfolgt und von dort in „Anschlussunterbringungen“.
Vom Bund fordert die Integrationsministerin laut Handelsblatt mehr Engagement, dieser solle die Kosten der Erstaufnahme übernehmen, zumindest für diejenigen ohne Bleibeperspektive.
Die für das Heidelberger Lager Patrick Henry Village „zugesagten“ 1.000 Personen werden bei diesem enormen Zuwachs nicht zu halten sein. Wir prognostizieren schon länger Zahlen von 4.-6.000 Personen. Das gilt auch für Mannheim – hier sind nach unseren Informationen aktuell 1.200 Personen auf Benjamin Franklin Village untergebracht, das die Stadt Mannheim im Herbst vom Bund kaufen will, um es zu entwickeln. Dann müsste ein anderer Platz her – hier bietet sich vor allem das weitläufige Spinelli an.