Mannheim, 17. August 2015. (red/pro) Der Mannheimer Morgen reagiert in der heutigen Ausgabe auf unseren Kommentar „Die posthume mediale Vergewaltigung der Gabriele Z.“ mit einem zehnzeiligen, verschämten Kasten „In eigener Sache“. Die „Redaktion“ entschuldigt sich für eine „unsensible Veröffentlichung“. Der Mord an der litauischen Studentin „eigne sich nicht für ein Rätselthema“. Heute dürfen MM-Leser über vier enthauptete Köpfe einer Räuberbande rätseln.
Von Hardy Prothmann
Sehr geehrter Herr Chefredakteur Lübke,
nach meinem Kommentar zu der vollkommen unfassbaren posthumen Misshandlung der Gabriele Z. durch Ihre Zeitung, die das Opfer eines brutalen Sexualmords zum Gegenstand eines Sommerrätsels erniedrigte, erscheint heute in Ihrer Zeitung ein Mini-Kasten mit einer dürftigen, allgemeinen Entschuldigung.

Quelle: Mannheimer Morgen. Reaktion auf unseren Kommentar vom 15. August 2015.
Anonyme „Redaktion“
Im Namen „der Redaktion“ entschuldigt man sich vollständig anonym und ohne jegliche innere Auseinandersetzung.
Meinen Sie ernsthaft, Herr Lübke, dass dies ausreichend ist? Bei wem entschuldigen Sie oder „Die Redaktion“ sich? Beim Opfer? Bei der Familie? Bei Ihren Leser/innen? Bei den Leser/innen von Rheinneckarblog?
„Die Redaktion“, deren Verantwortlicher Sie, Herr Lübke, als Chefredakteur sind, hat die Rätselseite mit einem großformatigen Bild des Mordopfers aufgemacht und somit zum zentralen Bestandteil dieser Seite. „18 waagrecht“ war deren „Herkunftsland“ gesucht, um einen Buchstaben für das Lösungswort zu suchen, was einem „Kreuz- und Querdenker“ möglicherweise zu einem „Buchpreisgewinn“ verhilft.
Eine glaubwürdige Entschuldigung gegenüber dem Opfer und dessen Familie hätte eine ebenso prominente Platzierung für eine deutliche und inhaltlich einwandfreie Klarstellung bedingt.
Einfühlungsvermögen? Fehlanzeige
Haben Sie sich auch nur ansatzweise eingefühlt, Herr Lübke? Offenbar nicht, denn anders als mir und vielen Menschen ist Ihnen offenbar nicht das Blut in den Adern gefroren.
Sie meinen ernsthaft, dass Sie sich hinter „der Redaktion“ verstecken können und damit ist es „erledigt“? „Die Redaktion“ meint ernsthaft, dass das nur „unsensibel“ war?
Bei Ihnen und der Redaktion gehen nicht die roten Lampen an? Wie viele „Verfehlungen“ braucht es noch, bis Sie und „die Redaktion“ verstehen, dass bei Ihnen und „der Redaktion“ irgendwas vollkommen quer hängt? Helene Fischer nach Charlie Hebdo-Attentat auf der Titelseite? H4-Tötungsdelikt? Christian Hehl-Seite? Eine komplette Leserbrief-Seite gegen die Buga 23 nach einer Falschberichterstattung? Wie viele eklatante Fehler wollen Sie sich, Herr Lübke und ihre anonyme Redaktion noch leisten, bis Sie und „die Redaktion“ kapitulieren und öffentlich erklären, dass Sie und Ihre „Redaktion“ an wahrhaftigem Journalismus genau kein Interesse haben?
Können Sie, Herr Lübke, belegen, dass „die Redaktion“ mehrheitlich oder vollständig diese jämmerlichen zehn Zeilen beraten und beschlossen hat?
Nicht „geeignet“?
Wenn dem so wäre, Herr Lübke und „die Redaktion“, also jeder einzelne Redakteur dieser Zeitung, dann macht mich das nochmals fassungslos:
Im Nachhinein ist der Redaktion klargeworden, dass sich diese schreckliche Tat nicht als Rätsel-Thema eignet.
Was bitte schön ist „der Redaktion“ klar geworden? Dass „diese schreckliche Tat“ sich nicht als „Rätsel-Thema eignet“?
Wenn ich das lese, wird mir klar, dass weder Ihnen, Herr Lübke, der sich als verantwortlicher Chefredakteur hinter einer anonymen Redaktion versteckt, noch dieser anonymen Redaktion irgendetwas „klar“ ist.

„Die Redaktion“ entschuldigt sich, weil der Mordfall Gabriele Z. für ein Sommerrätsel „nicht geeignet“ war. Aha. Quelle: Mannheimer Morgen
Es geht nicht um die „schreckliche Tat“, es geht um einen Menschen, um eine junge Frau, um das Opfer Gabriele Z.! Nicht die „schreckliche Tat eignet sich nicht“ – das Opfer, Herr Lübke und wer auch immer „die Redaktion“ ist, eignet sich in keiner vorstellbaren Weise, nochmals durch Sie und „die Redaktion“ derart missbraucht zu werden. Diese zehn Zeilen sind eine erneute journalistische Bankrott-Erklärung einer „Redaktion“ ohne jegliches Herz.
Ermordet, medial missbraucht, in zehn Zeilen „erledigt“
Diese zehn Zeilen, Herr Lübke, sind keine „Entschuldigung“. Sie entehren das Opfer nochmals, weil nicht die Person Gabriele Z. im Mittelpunkt steht, die Opfer eines Sexualmordes geworden ist, sondern die Frage nach deren „Eignung“ zur Thematisierung für ein „Sommerrätsel“.

Hardy Prothmann: „Herr Lübke, trollen Sie sich. Niemand erwartet von Ihnen, dass Sie den brutalstmöglichen Schaden anrichten.“ Foto: sap
Sehr geehrter Herr Lübke, ich hätte erwartet, dass Sie nach dieser unsäglichen posthumen Misshandlung eines Sexualmordopfers den Anstand gehabt hätten, sich persönlich in aller gebotenen Form zu erklären, die Verantwortung zu übernehmen, indem Sie Ihren Abonnenten und Ihrer sonstigen Leserschaft klipp und klar deutlich machen, warum „sich diese schreckliche Tat nicht als Rätsel-Thema eignet“ und was Sie tun werden, um sicher zu stellen, dass künftig kein Opfer und dessen Angehörige derart medial in Ihrer Zeitung missbraucht werden. Weder als „Rätselspaß“ noch sonst wie in unangemessener Form.
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Mannheimer Morgen macht Sexualmordopfer zum Rätselspaß – „Hey, aus welchem Land kam das Mordopfer?“ Buchpreis zu gewinnen
Die posthume mediale Vergewaltigung der Gabriele Z.
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Vielleicht, Herr Lübke, sind Sie auch gerade im Urlaub und lassen es sich gut gehen. Dann gibt es aber einen anderen Verantwortlichen und die Redakteurin Angela Boll, die den Text zu dieser unsäglichen Veröffentlichung geschrieben hat.
Und die Frage, ob eine Redakteurin, die sich bereit erklärt, für eine derart geschmacklose „Präsentation“ Texte zu schreiben, zukünftig geeignet ist, „sensible“ Polizei- und Justizthemen glaubwürdig und verantwortlich zu bearbeiten.
Transparante Verantwortung? Fehlanzeige
Unterm Strich meine ich, dass Ihre Leseröffentlichkeit ein Recht hat zu erfahren, wie es zu dieser „posthumen medialen Vergewaltigung der Gabriele Z.“ hat kommen können und wie Sie, Herr Lübke, sicherstellen, dass es nicht mehr zu einer derart widerlichen Veröffentlichung kommen kann.

Dirk Lübke, Chefredakteur. Quelle: meedia.de
Als verantwortlicher Chefredakteur sind Sie, Herr Lübke, in der Pflicht, diesen Skandal offen und transparent zu behandeln. Ein billiger zehn-Zeilen-Kasten, gezeichnet von „Die Redaktion“ ist dafür genau nicht geeignet. Verstehen Sie nicht, wie „billig“ und erneut beschämend das ist? Verstehen Sie nicht, dass dieser Kasten nach dem riesigen Foto eine weitere misshandelnde Erniedrigung darstellt, weil Sie sich weigern, konsequent verantwortlich zu sein?
Sie, Herr Lübke, beschädigen den gesamten Berufsstand der Journalisten. Wie sollen Zeitungsleser einer „Redaktion“ vertrauen können, wenn nicht transparent gemacht wird, wie es zu solch einer widerlichen Veröffentlichung kommen kann und was man tut, um dieses künftig im Sinne einer Qualitätskontrolle zu verhindern?
Stellen Sie sich Ihrer Verantwortung, Herr Lübke
Wir Journalisten, Herr Lübke, sind alle nur Menschen. Und Menschen machen Fehler. Aber wir Journalisten sollten Profis sein und professionell mit Fehlern umgehen und unser Produkt – die wahrhaftige Information der Öffentlichkeit – ständig optimieren.
Wir Journalisten, Herr Lübke, arbeiten auf Basis von Artikel 5 Grundgesetz über die Meinungsfreiheit. Das ist ein ganz außerordentliches Privileg, das jedem Bürger unserer freiheitlich-demokratischen Verfassung zusteht.
Der Unterschied zwischen „Meinungsfreiheit“ der Bürger allgemein und der Pressefreiheit ist die Professionalität eines Berufsstands, der sein Handwerk im wahrsten Sinne des Wortes beherrscht und verantwortlich damit umgeht.
Ich erwarte von Ihnen, Herr Lübke, dass Sie dem nachkommen. Als „Kollege“ und als Leser stellvertretend für die Öffentlichkeit.
Sie, Herr Lübke, haben sich nach meiner Auffassung persönlich zu dieser medialen Schändung der Gabriele Z. und deren Familie persönlich zu erklären. Ein zehn-Zeilen-Kasten mit einer anonymen „Redaktion“ ist dafür genau nicht „geeignet“.
Ein „tschuldischung, war nicht so gemeint“, reicht nicht. Das ist verantwortungslos. Das ist nicht professionell und nicht geeignet, das wichtigste Gut unser Arbeit zu schützen: Glaubwürdigkeit.
Machen Sie guten Journalismus oder trollen Sie sich, Herr Lübke
Heute präsentiert das „Sommerrätsel“ vier enthauptete Köpfe einer Räuberbande. Dagegen ist nichts einzuwenden, denn das Thema ist 200 Jahre alt. Historisch.
Ich frage mich nur, ob es beim MM auch mal um echte Wissensfragen geht oder immer nur um Mord und Totschlag, Blut und Sperma und wenn es passt, ein wenig Rassismus.
Sie erinnern sich, Herr Lübke – die Missbilligung des Deutschen Presserats zu einem rassistischen Kommentar ihres Redakteurs Peter W. Ragge im Mordfall Gabriele Z. ist bis heute durch Ihre Zeitung nicht veröffentlicht worden. Warum nicht?
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Zeitung verschweigt der Öffentlichkeit die einstimmige Missbilligung
Presserat missbilligt “kollektive Diskriminierung” von Bulgaren durch Mannheimer Morgen
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Das Leben hat mehr zu bieten, Herr Lübke, als das, was Sie als Chefredakteur dieser Zeitung vorgeben. Und falls Sie und ihre „Redaktion“ das noch nicht nicht mitgekommen haben sollten – die „lieben Leserinnen und Leser“ lesen nicht nur Ihre Veröffentlichungen, sondern nutzen viele Quellen.
Die Toten können sich nicht wehren. Deswegen hat man eine sehr besondere Verantwortung gegenüber deren Andenken. Das ist Ihnen und „der Reaktion“ offenbar gar nicht bewusst. Denken Sie darüber mal nach.
Und ganz ehrlich? Sie, Herr Lübke, haben, seit Sie Lokalchef und dann Chefredakteur des Mannheimer Morgen geworden sind, bereits so viel öffentlichen Schaden angerichtet, dass es auch an der Zeit ist, darüber nachzudenken, ob Sie Ihr Unwesen weitertreiben wollen.
Der Auflagenverlust der Zeitung ist eklatant, die gestiftete Unruhe in der Stadt besorgniserregend und die journalistische Leistung der vor 20 Jahren noch geachteten „Redaktion“ bei entscheidenden Themen minderwertig.
Lassen Sie sich sich abfinden und ziehen Sie weiter. Der Mannheimer Morgen braucht eine starke Kraft, die „geeignet“ ist, die Zeitung für die Zukunft stark zu machen.
Die Meinungsfreiheit braucht möglichst viele unabhängige journalistische Quellen.
Sie, Herr Lübke, sind nach allem, was Sie in kurzer Zeit angerichtet haben, „nicht geeignet“, um diesen Anspruch zu erfüllen.
Das ist selbstverständlich nur meine bescheidene Meinung. Aber ich habe den Eindruck, dass es viele und immer mehr Menschen gibt, die diese teilen.
Lassen Sie es gut sein, Herr Lübke. Sie haben in kurzer Zeit großen Schaden angerichtet und niemand in dieser Stadt erwartet von Ihnen, dass Sie die Höchstleistung des brutalstmöglichen Maximalschadens erbringen. Ersparen Sie uns das. In Mannheim und der Region.
18 waagrecht. Welches Anagramm lässt sich aus dem Wort Lübke bilden?
Unsere schlauen Leser wissen das.
Mit freundlichen Grüßen