Mannheim, 15. August 2015. (red/pro) Die 2013 ermordete, damals 20 Jahre alte Studentin Gabriele Z. darf nicht in Frieden ruhen – aktuell dient sie dem Mannheimer Morgen als „Spaß für Kreuz- und Querdenker“. Die Schlagzeilengeilheit der Zeitungsmacher hat anscheinend jegliches Hirn und Herz aufgefressen.
Kommentar: Hardy Prothmann
Auf Seite 18 der Ausgabe des Mannheimer Morgens vom 14. August 2015 prangt ein riesiges Foto. Von Gabriele Z. Die damals 20 Jahre alte litauische Studentin war in der Nacht vom 3. auf den 4. Oktober 2013 in Mannheim Opfer eines Sexualmords geworden. Sie starb in einer schmuddeligen Ecke – erdrosselt und missbraucht. Unter dem Foto lautet die Schlagzeile:
Der Mord an Gabriele Z. – eine Stadt im Schock
„18 waagrecht: Sie war erst 20 Jahre alt“, beginnt der Text.
Das „MM-Sommerrätsel (Teil 2)“, ein „Spaß für Kreuz- und Querdenker“ hat „schlagzeilenträchtige Prozesse an Mannheimer Gerichten“ als gemeinsamen Nenner. Prominent aufgemacht wird die Seite mit dem Sexualmordopfer, deren Herkunftsland gesucht ist. Ein Buchstabe aus dem Wort ist Teil des Lösungswort – damit kann der geneigte Leser mit Glück dann einen Buchpreis gewinnen und einen von „drei attraktiven Hauptgewinnen“.
Ein Berichterstattungsanlass fehlt vollständig. Alle gesuchten Lösungsbegriffe beziehen sich auf vergangene, abgeschlossene Prozesse – Hauptsache, sie waren „schlagzeilenträchtig“.
Soweit die Faktenlage.

Zeitungsseite als „Spaß für Kreuz- und Querdenker“ – das große Aufmacherfoto zeigt das Sexualmordopfer Gabriele Z.. Die 20 Jahre alte Studentin aus Litauen wurde in der Nacht vom 3. auf den 4. Oktober 2013 brutal ermordet. Quelle: MM, 14. August 2015, Seite 18
Wir sind durch Polizeibeamte auf die Seite aufmerksam gemacht worden: „Herr Prothmann, tun sie was, das ist so widerwärtig, das kann doch einfach nicht sein.“
Ich kann nichts tun, außer diesen Artikel zu schreiben und mein Entsetzen ebenfalls zum Ausdruck zu bringen.
Posthume Vergewaltigung
Aus meiner Sicht ist das eine weitere, posthume „mediale Vergewaltigung“ der Gabriele Z.
Das Motiv: Schlagzeilengeilheit ohne Herz und Verstand. Wäre ich ein Familienmitglied, würde ich sofort juristisch gegen die Zeitung vorgehen. Doch erfahren die Eltern das im fernen Litauen? Privatpersonen können zumindest eine Beschwerde beim Deutschen Presserat führen, hier liegt meines Erachtens ein gravierender Verstoß gegen Ziffer 8.1 und 8.2 des Pressekodex vor. Online-Beschwerde können Sie hier einlegen. Schreiben Sie die Zeitung an und fordern Sie eine öffentliche Stellungnahme.
Der verantwortliche Chefredakteur Dirk Lübke sowie die Polizeireporterin Angela Boll (verheiratet mit dem früheren Polizei-Pressesprecher, der heute in der Prävention tätig ist) sind für mich journalistische Schwerverbrecher. Sie „vergewaltigen“ das Sexualmordopfer erneut ohne Anlass, indem sie deren Totenruhe stören und ihre Persönlichkeitsrechte massiv verletzten. Das Andenken an die junge Frau wird auf ordinärste Art und Weise geschändet, indem man sie zum Teil eines „Rätselspaßes“ macht.
Schande für den Berufsstand
Das ist widerlich pietätslos. Das ist brutal abgeschmackt. Das ist verwerflich verroht.
Gabriele Z. wurde Opfer eines gewissenlosen Mörders, der mehrere Frauen überfallen hat. Wir haben damals als einzige Redaktion alle Prozesstage besetzt und berichtet, was es zu berichten gab. Unser Ziel war niemals die „Schlagzeilenträchtigkeit“, sondern immer nur die sorgfältige Information der Öffentlichkeit bei aller gebotenen Zurückhaltung gegenüber dem Opfer und dessen Familie. Bis auf wenige Ausnahmen haben wir auf die Veröffentlichung von Fotos des Opfers verzichtet und mit dem Ende der Gerichtsverhandlung alle gelöscht.

Trauermarsch für Gabriele Z. Gut 5.000 Menschen kondolierten dem Opfer.
Gabriele Z. ist tot. Der Mörder verurteilt. Damit ist aus journalistischer Sicht kein weiteres öffentliches Interesse an diesem Mordfall gegeben – außer, man hat sicher jeglicher Moral und Ethik entledigt und nutzt den Tod der jungen Frau immer wieder, um auf billigste Art und Weise Aufmerksamkeit zu erzeugen.
Haben Sie, Herr Lübke und Frau Boll, nur eine Sekunde daran gedacht, wie Sie sich fühlen würden, wäre das Ihre Gabriele gewesen? Schämen Sie sich. Sie sind eine Schande für den Berufsstand.