Südwesten, 12. Februar 2021. (red/pro) Ministerpräsident Winfried Kretschmann (72, Grüne) hat heute in einer persönlichen Erklärung über das Staatsministerium Baden-Württemberg die Brustkrebserkrankung seiner Frau öffentlich gemacht. Das ist ein handfester Skandal und nicht zu dulden. Der Mann muss zurücktreten. Dann kann er sich auch in gebotenem Maß um seine Ehefrau kümmern.
Kommentar: Hardy Prothmann
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Kretschmann,
zunächst darf ich Ihrer Frau persönlich meine allerbesten Genesungswünsche übermitteln. Soviel höfliche Anteilnahme muss sein.
Tatsächlich fordere ich Sie auf, umgehend zurückzutreten, denn Sie haben etwas Ungeheuerliches getan.
Ich bin seit 30 Jahren als politischer Journalist tätig. Und ich habe unumstößliche Grundsätze für meine Arbeit; einer ist: Privat ist privat. Der politische Journalismus wird leider immer emotionalisierter, boulevardesker und hat keinerlei Scheu mehr, privateste Details an die Öffentlichkeit zu zerren.
Caroline von Monaco hatte sich, aus meiner Sicht völlig zu recht, seit Anfang der 1990-er Jahre gegen Boulevardmedien juristisch gewehrt, die völlig außer Rand und Band mit Paparrazi-Fotos und Berichten tief in ihr Privatleben eingriffen. Diese Abwehr ging bis vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte und 2005 erhielt die Dame über einen Vergleich 115.000 Euro „Schadensersatz“ von der Bundesrepublik Deutschland, weil deutsche Gerichte ihre Rechte nicht ausreichend geschützt hatten. Diese Verfahren sind in die Rechtsgeschichte eingegangen. Der negative Effekt ist, dass es für seriöse Medien erhebliche Einschnitte bedeutete, welche Informationen noch veröffentlicht werden können.
Und jetzt kommen Sie um die Ecke und machen eine höchstpersönliche Information öffentlich, die niemanden, wirklich niemanden etwas angeht, außer Ihre betroffene Frau, Sie selbst, die Familie und Freunde.

Tweet der Staatskanzlei Baden-Württemberg.
Sehr geehrter Herr Kretschmann, das ist, mit Verlaub, höchstgradig widerlich und völlig verderbt.
Sie treten damit mit Füßen, worunter viele Menschen zu leiden haben, die in die Fänge von skrupellosen Medien geraten und deren Privatleben bis zum Schwarzen unterm Fingernagel an die Öffentlichkeit gezerrt wird.
Und Sie instrumentalisieren Ihre Frau in völlig ungebührlicher und unerhörter Weise. Ja, es mag sein, dass Ihre Frau der Meldung zugestimmt hat. Aber aus welchen Motiven? Das kann ich nicht beurteilen.
Was ich beurteilen kann, ist, dass Sie völlig verantwortungslos handeln, indem Sie diese höchstpersönliche Information öffentlich machen. Und noch nicht mal als Privatmann, sondern als offizielle Meldung über das Staatsministerium, das diese sogar twittert.
Und das mitten im Wahlkampf. Wie abgeschmackt kann man sein? Tränendrüse für Wählerstimmen?
Damit entkoppeln Sie Ihre politische Rolle völlig von Ihrem Privatleben und erzeugen einen emotionalen Brei, der unerhört ist. Sie können nicht mehr unterscheiden, was öffentlich relevant und was zutiefst privat ist.
Ich wusste bis dato noch nicht einmal, wie Ihre Frau heißt. Warum? Weil es mich nie interessiert hat. Ihre Frau ist eine Privatperson. Punkt. Soweit mir bekannt ist, hat sie nie die Öffentlichkeit gesucht, außer sie hat Sie vielleicht hier und da mal bei Terminen begleitet. Ihre Frau hat sich niemals öffentlich in den Vordergrund gedrängt. Und das war gut so.
Und jetzt kommen Sie und machen diesen persönlichen Schicksalsschlag einfach so öffentlich?
Es wäre etwas anderes, wenn Sie selbst erkrankt wären. Auch das wäre eine zutiefst persönliche Angelegenheit, aber möglicherweise relevant, wenn diese persönliche Angelegenheit Auswirkungen auf Ihr politisches Amt haben könnte. Ihre Kollegen Volker Bouffier und Manuela Schwesig waren an Krebs erkrankt, haben dies mitgeteilt und ihre Amtsgeschäfte weitergeführt. Das ging so in Ordnung.
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Kretschmann. Sie haben einen Sündenfall begangen. Sie agieren völlig verantwortungslos.
Selbst wenn Ihre Frau mit der Meldung einverstanden sein sollte, wäre es Ihre Plicht gewesen, sie davor zu schützen.
Wenn Sie noch nicht einmal mehr in der Lage sind, elementare persönliche Rechte Ihrer eigenen Ehefrau zu schützen, sind Sie völlig außerstande, die Rechte der Bürgerinnen und Bürger in Baden-Württemberg verantwortlich und anständig zu vertreten.
Und dass diese Meldung sogar über das Staatsministerium mitten im Landtagswahlkampf öffentlich gemacht wird, stellt für mich und jeden vernünftigen Menschen einen erheblichen Missbrauch dar.
Schämen Sie sich.
Treten Sie zurück, Herr Kretschmann. Sofort.
Dann haben Sie auch die Zeit für Ihre Frau, die Sie in den vergangenen Jahren sicher oft nicht hatten.
Mit freundlichen Grüßen
Hardy Prothmann
Hinweis an die Leserschaft: Schauen Sie sich andere Medien und deren Berichte an und machen Sie sich selbst ein Bild, wo der politische Journalismus in Deutschland steht. Empfohlen wird insbesondere der SWR – hier erklärt die Hauptstadtkorrespondentin die „Lage“, als wäre sie direkt aus dem Staatsministerium besoldet.
Wir erhalten keine Zwangsgebühren, deren gescheiterte Erhöhung nun vor dem Bundesverfassungsgericht durch öffentlich-rechtliche Medien eingeklagt werden soll – unser unabhängiger Journalismus kostet aber Geld. Wir verlieren aktuell alle unsere Werbeeinnahmen, die den Hauptteil unserer Einnahmen ausmachen.
Wir brauchen deshalb Ihre Solidarität und Ihre Überzeugung, unser Angebot mit Zahlungen weiter finanzierbar zu halten. Wenn das nicht möglich ist, schließen wir halt irgendwann ab. Kritischen Journalismus, der sich was traut, finden Sie dann nicht mehr. Versprochen.
Wenn Sie zahlen möchten: Sie können Steady hier abschließen. (Sie werden dort Kunde, Steady behält eine Gebühr ein und zahlt den Rest an uns aus. Sie haben Zugang zu den kostenpflichtigen Artikeln. Die ersten 30 Tage sind kostenfrei und Sie müssen erneut bestätigen, wenn Sie gegen Gebühr weiter Zugriff haben möchten. Das Abo ist monatlich kündbar.)
Sie können hier einen Rheinneckarblog-Plus-Pass kaufen. (Sie werden bei uns Kunde und bei Steady freigeschaltet, sofern Sie mindestens 60 Euro zahlen und haben Zugang zu den kostenpflichtigen Artikeln.)
Sie zahlen per Paypal. (Sie werden bei uns Kunde und bei Steady freigeschaltet, sofern Sie mindestens 60 Euro zahlen und haben Zugang zu den kostenpflichtigen Artikeln.)
Sie überweisen direkt aufs Konto. (Sie werden bei uns Kunde und bei Steady freigeschaltet, sofern Sie mindestens 60 Euro zahlen und haben Zugang zu den kostenpflichtigen Artikeln. Sie können natürlich auch einfach so ein Spende überweisen.)
Alle Inhalte sind urheberrechtlich geschützt. Sie können für alle Inhalte, Texte, Fotos, Videos, Nutzungsrechte erwerben. Anfragen an: verlagsleitung (at) rheinneckarblog.de.
Hypovereinsbank
Kontoinhaber: Hardy Prothmann
BIC (BLZ): HYVEDEMM489
IBAN (Kto.): DE25670201900601447835