Heidelberg/Mannheim/Rhein-Neckar/Stuttgart, 11. August 2017. (red/pro) Rund 24.000 Polizeibeamte und weitere Zehntausende im ganzen Land dürften mit großer Aufmerksamkeit die schmalen Reaktionen auf Anfrage zu einem Poster in einer Kunstausstellung zur Kenntnis nehmen, das eine angebliche Zunahme von Polizeigewalt mit einer nationalsozialistischen Ideologie in Zusammenhang bringt. Wir haben potenziell Zuständige angeschrieben und um Stellungnahme gebeten, die wir hiermit dokumentieren.
Wir haben die unteren genannten Stellen allesamt gleichzeitig aufgefordert, uns deren „Position“ zum Thema mitzuteilen. Die Antworten werden im Original wiedergegeben.
Polizeipräsident Thomas Köber
„Das Poster „Police“ des Künstlers Lex Drewinski, welches inhaltlich ein aus Tonfa-Einsatzstöcken gebildetes Hakenkreuz zeigt, ist fraglos eine Provokation und für mich als Polizeibeamter in Deutschland eine schlichte Zumutung.
Zusammen mit der übermittelten lakonischen Äußerung des Künstlers, es sei eben „ein Plakat gegen die zunehmende Polizeibrutalität“, stelle ich für unseren Zuständigkeitsbereich fest, dass von zunehmender Polizeibrutalität keine Rede sein kann. Im Übrigen hat Polizeibrutalität bei uns überhaupt keinen Platz! Jährlich zweistellige Zuwachsraten von Übergriffen auf Polizeibeamte in unserer Region zeichnen eher ein gegenteiliges Bild.
Außerdem wird mit der Bildaussage der Gedanke transportiert, dass in der Polizei der Gedanke vom nationalsozialistischen Unterdrückungsstaat wieder auflebe.
Das ist einfach absurd und auch beleidigend.
„Mut zur Wut“ ist als Ausstellungsmotto ein interessantes Thema. Wenn man dieses Motto allerdings weiter denkt, dann ist es im polizeilichen Kontext sicherlich nicht staatstragend. Das muss Kunst auch nie sein. Aber in diesem Kontext ist das Motto bedrohlich.
Es ist die intellektuelle Basis für die sich im Besitz höheren Rechts wähnenden Wutbürger unserer Zeit, die glauben, sich über demokratisch getroffene Entscheidungen mit allen Mitteln und gegen alle Regeln hinwegsetzen zu dürfen, wenn ihnen etwas nicht passt. Das ist bedrohlich für den gesellschaftlichen Zusammenhalt im Allgemeinen und für die Polizeikräfte im Besonderen, die gegen derartige Ausbrüche einschreiten müssen und sich dafür noch den Vorwurf faschistisch motivierter Polizeibrutalität gefallen lassen sollen. Wo das endet, konnte man vor kurzem anlässlich des G 20-Gipfels in Hamburg feststellen.
Ich streite mich hier nicht über den Kunstbegriff, die künstlerische Ausdrucksfreiheit, den weltweiten Maßstab oder eine eventuelle Strafbarkeit. Meine Anmerkungen sind ein Kontrapunkt zum Plakat, eine Einordnung aus Sicht der im Fadenkreuz stehenden Institution Polizei – und zwar hier in Heidelberg.
Aus diesem Grund finde ich das Plakat im Haus des Rechts in Heidelberg ganz besonders fehl am Platz, weil es eben dort mit seiner Bildaussage quasi ein „juristisches Gütesiegel“ bekommt. Das halte ich für unerträglich und habe dies in einem Schreiben gegenüber dem Herrn Landgerichtspräsidenten zum Ausdruck gebracht.“
Landgericht Heidelberg
„Die von Ihnen angesprochene Ausstellung findet auf Initiative der Wettbewerbsverantwortlichen seit Jahren einmal jährlich im Landgericht und im öffentlichen Raum statt.
Wie in der von Ihnen zitierten Einladung dargestellt, handelt es sich um Plakate von Einsendern aus aller Welt, vielfach aus Ländern, in denen politische Überzeugungen nicht frei geäußert werden können.
Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass von Seiten des Landgerichts eine Stellungnahme zur Interpretation einzelner Exponate der Ausstellung nicht erfolgt.“
Stadt Heidelberg
„Die Stadt Heidelberg fördert das Ausstellungsprojekt „Mut zur Wut“ nach einem Haushaltsbeschluss des Gemeinderats in diesem Jahr mit 3.000 Euro. Diese Förderung schließt aber einen Einfluss auf die Inhalte der Ausstellung aus. Es ist der Stadt Heidelberg hier nicht möglich, Vorgaben zu machen. Die Freiheit der Kunst steht für uns außer Frage. Das Plakat „Police“ lässt Interpretationsspielräume zu. Die Stadt Heidelberg distanziert sich aber grundsätzlich von jeder Gleichstellung polizeilicher Arbeit in Deutschland mit Methoden, wie sie im Nationalsozialismus angewendet wurden.“
Innenministerium Baden-Württemberg
„Unabhängig vom konkreten Werk, seiner Präsentation und der Absicht des Künstlers ist die Faktenlage eindeutig: in Baden-Württemberg haben wir keine Anhaltspunkte für zunehmende Gewalt durch die Polizei. Vielmehr bewegt sich die Gewalt gegen Polizistinnen und Polizisten seit Jahren auf hohem Niveau. Gegenüber dem Jahr 2015 hat die Gewalt gegen Polizeibeamte im Jahr 2016 erneut zugenommen. In 4.394 Fällen waren Polizeibeamtinnen und –beamte Opfer von Gewalt.“
Justizministerium Baden-Württemberg
Das Landgericht Heidelberg hat seine Räumlichkeiten in eigener Verantwortung für die betreffende Ausstellung zur Verfügung gestellt, weshalb ich Sie mit Ihren Fragen dorthin verweise.
Die Universitäten Mannheim und Heidelberg, sowie das Theater und Orchester Heidelberg und die Rhein-Neckar-Zeitung, die allesamt mit Förderer oder Partner der Ausstellung sind, haben sich auf Anfrage nicht geäußert.