Mannheim/Euskirchen/Berlin, 11. August 2015. (red) Der Rechtsanwalt Heinrich Schmitz gilt nicht gerade als „zarte Pflanze“ – er gehört mit seinen streitbaren Kolumnen auf „The European“ zu den bestgelesenen und bestkommentierten Autoren. Doch damit ist Schluss – Herr Schmitz schreibt keine politischen Kolumnen mehr, nachdem aktuell seine Familie bedroht worden ist.
Anm. d. Red.: Der zunehmenden Haßtiraden in sozialen Netzwerken und in Kommentaren zu Artikeln beschäftigen so gut wie jede Redaktion. Teils haben Medien die Kommentarfunktionen bereits abgeschaltet. Jetzt beendet ein bekannter Kolumnist des Debattenmagazins „The European“ seine Arbeit.
Hunderte von emails habe er nach seiner Ankündigung erhalten, dutzende Anrufe. Heinrich Schmitz erklärt uns gegenüber, dass er auf Bitten, weiterzumachen, nicht eingeht: „Ich mache das privat und verdiene damit nichts. Und ich bin nicht alleine – die Bedrohung meiner Familie nehme ich ernst.“ Böse Leserbriefe habe er ertragen – aber die aktuelle Entwicklung sei bedrohlich. Er werde weiter schreiben, nur eben keine politischen Texte mehr.
Allen, die sich in den öffentlichen Raum begeben, droht Ungemach. Beleidigungen sind nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Allerdings ist das Verhalten von Herrn Schmitz zu verstehen – klar, er könnte „Jetzt erst recht“ sagen, was aber, wenn seine Familie dadurch Schaden leidet? Er hat Strafanzeige gegen Unbekannt gestellt – Polizei und Staatsschutz ermitteln.
Von Heinrich Schmitz
Die „besorgten Bürger“ können die Korken knallen oder die Bierdosen spritzen lassen. Sie können sich auch vor Freude einpissen. Es ist mir egal. Sie haben gewonnen. Ich kapituliere. Mir reicht’s.
Wenn Sie sich jetzt fragen, warum jemand, der jetzt mehr als zwei Jahre Woche für Woche versucht hat, seinen Mitmenschen rechts- und gesellschaftspolitische Fragen halbwegs verständlich zu erläutern und für eine bessere Gesellschaft oder wenigstens den Erhalt der bestehenden zu kämpfen, plötzlich das Handtuch wirft, dann möchte ich Ihnen das kurz erklären.
Ich bin jetzt auch ein besorgter Bürger. Ich sorge mich um die Sicherheit meiner Frau und meiner Kinder. Und ich bin nicht mehr bekloppt genug, diese Sicherheit für etwas zu riskieren, was ohnehin nur einen sehr begrenzten Teil der Bevölkerung erreicht. Aber dazu später.
In meinen Kolumnen habe ich häufig Missstände benannt und auch heftige Kritik an Allem und Jedem geübt. Zwar immer anhand von öffentlichen Quellen belegt, sodass es nie zu einem Unterlassungsbegehren oder gar einer -klage kam, aber natürlich für den ein oder anderen durchaus unangenehm. Die Kritik an meinen Kolumnen im European habe ich immer interessiert registriert und bei eklatanten Missverständnissen auch beantwortet. Beleidigungen oder Unterstellungen habe ich entweder mit einer stoischen Ruhe ins Leere laufen lassen oder aber auch bissig gekontert.
Je nach Laune. Diskussionen bin ich niemals ausgewichen. Das hat mich alles nicht gestört. Im Gegenteil. Der European stand für Debatte. Zwar eigentlich für Debatte zwischen den Kolumnisten, aber warum sollte man nicht auch mit Lesern debattieren.
Die eigene Frau ermordet?
Wahlweise wurde ich als rotgrünversiffter Gutmensch oder aber als getarnter Nazi bezeichnet, als Antisemit, Antideutscher, Rechter, Linker und sogar als Kopf einer antifaschistischen Terrorzelle, die Anschläge plant. Nur im letzten Fall habe ich eine Strafanzeige erstattet, das war dann doch ein bisschen zu heftig. Alle anderen Beschimpfungen und Hassnachrichten konnte ich schulterzuckend oder mit einem bösen Lächeln abtun, weil sie mir bestätigten, dass ich mit dem Geschriebenen vollkommen richtig lag.
Mir ging es bei fast jedem Text um den Rechtsstaat und dessen Aufrechterhaltung, um Grund- und Menschenrechte und den Schutz unserer Verfassung vor gesetzgeberischem Übermut oder gesellschaftlicher Verachtung. Da muss man sich schon einen heftigen Gegenwind gefallen lassen.
Am letzten Samstag wurde eine Grenze überschritten, was mich veranlasste, über dieses gesellschaftliche Engagement nachzudenken.
Auf der Fahrt zu einer meiner Töchter klingelte plötzlich mein Smartphone. Ich nahm an, unsere Tochter habe nachfragen wollen, wann wir ankämen. Also bat ich meine Frau, ihr kurz Bescheid zu sagen. Da klingelte auch schon ihr Telefon, das sie gleich auf Laut stellte. Eine hektische Frauenstimme fragte sie nach ihrem Namen. Sie sei von der Polizei. Man habe einen Anruf erhalten, meine Frau sei ermordet worden. Die Leiche befände sich in unserem Haus. Die Privatanschrift habe der Anrufer ebenfalls genannt. Die Polizei sei gerade in unserem Haus und suche nach der Leiche.
Absurd? Nein – Hausdurchsuchung
Das klang für mich alles so absurd, dass ich meine Frau bat aufzulegen, derart derangiert könne keine Polizistin reden. Ich hatte das Telefonat schon fast in die Abteilung „galoppierender Schwachsinn“ verbannt, als wir bei unserer Tochter ankamen. Sie stand zitternd da, weil ihr die Polizei gesagt hatte, es sei mitgeteilt worden, dass ihr Vater ihre Mutter ermordet hätte. So was kommt ja in den besten Familien vor. Ich rief dann bei der Polizei an, die mir bestätigte, dass man in unserem Haus nach der Leiche meiner Frau gesucht habe. Angeblich hätte ein Heinrich Schmitz bei der Polizei angerufen und mitgeteilt, er habe seine Frau ermordet.
Jetzt können Sie natürlich sagen, was ist denn daran so schlimm? Das will ich Ihnen auch gerne erklären.
Mehrere Morddrohungen
Vor zwei Wochen wurde der Initiator der Petition #HeimeOhneHass, ein junger Student, massiv bedroht. Ihm wurde die Ermordung seiner Eltern und Geschwister angekündigt. Nicht etwa in Form eine nötigenden Drohung, sondern einfach nur so. Namen und Adressen der betroffenen Familienmitglieder waren dem Anrufer bekannt. Nachdem der Student daraufhin die Petition vom Netz nahm, bildete sich eine größere Gruppe von Menschen, die die Petition, die zu diesem Zeitpunkt bereits über 40.000 Unterzeichner hatte, mit Zustimmung von Change.org fortführten. Dass ich, dessen Kolumne „Friede, Freude, Freital“ im Petitionstext zitiert war, bei der Initiative dabei war, war nicht schwer zu erraten.
Mit der Aktion von letztem Samstag möchte offenbar jemand die Petition stoppen und/oder mich zum Schweigen bringen. Mein erster Reflex war, jetzt erst recht! Aber dann habe ich mir das noch einmal gründlich überlegt.
Als Bürger fühle ich eine Verantwortung für unsere Gesellschaft und für den Rechtsstaat, die ich mit meinen Kolumnen wahrzunehmen versucht habe. Schreiben, argumentieren und erklären ist nun mal das, was ich am Besten kann. Als Ehemann und Vater habe ich eine Verantwortung für das Wohlbefinden und die Sicherheit meiner Familie.
Zeichen der Gesellschaft – verhältnismäßig wenig
Kann der Wunsch, der Gesellschaft zu dienen wirklich wichtiger sein, als die Pflicht, die Familie vor Angriffen zu schützen? Ja, das hätte ich vielleicht sogar zugunsten der Gesellschaft und damit zugunsten meiner geliebten Autorentätigkeit entschieden, wenn ich das Gefühl gehabt hätte, dass „die Gesellschaft“ selbst irgendwie mitzieht und allen extremistischen Bestrebungen ein klares STOPP entgegensetzt. Wenn es zu einer Allianz der Anständigen gegen die Hassbürger gekommen wäre oder wenigstens zu klaren Reaktionen aus der Politik. Dann wäre es vermutlich gar nicht erst zu irgendwelchen Einschüchterungsmaßnahmen gegen die Petition gekommen. Da passiert aber verhältnismäßig wenig bis gar nichts.
Schauen Sie sich zum Beispiel diese Petition an. Klar 55000 Unterzeichner sind gemessen an anderen Petitionen gar nicht übel, und ich bin jedem Einzelnen für diese Unterstützung von Herzen dankbar. Sie sind auf der richtigen Seite. Aber seien Sie mal ehrlich, was sind wir aufrechten 55.000 in einem 80-Millionenvolk. Wo sind die Prominenten, die sich mit uns schützend vor die Asylbewerber stellen? Udo Lindenberg hat es getan und die Petition via Twitter verbreitet, aber das ist ein einsamer Rufer in der Promiwüste. Til Schweiger hilft Flüchtlingen auf seine eigene Art und das ist auch okay.
Nicht mit dem Mob anlegen
Ganz spannend sind dann auch per persönlicher Nachricht übermittelte Absagen gegen eine Unterstützung, die meistens mit den Worten beginnen, „Lieber Heinrich, ich unterstütze Dein Anliegen und bin inhaltlich voll auf Deiner Seite, aber habe bitte Verständnis dafür, dass ich mich nicht mit dem Mob anlegen will.“ Nein, eigentlich hatte ich dafür kein Verständnis, weil es genau das ist, was den Mob gefährlich macht. Durch die Verbreitung von Angst und Schrecken, die ganz normalen Bürger davon abzuhalten, sich gegen ihn zu wenden.
Die Mehrzahl der Bevölkerung hat den Staat offenbar schon aufgegeben und begnügt sich damit, sich entspannt am Sack zu kratzen, während andere für sie die Kastanien aus dem Feuer holen sollen. Nicht mal zur Wahl schleppen diese Staatsbürger im Wellnessmodus. Es sind ja auch nur die leeren Flüchtlingsheime die brennen, nicht unsere Häuser. Und wenn als nächstes die Flüchtlinge selbst brennen, dann geht uns das doch gar nichts an.
Wir gucken lieber DSDS und außerdem fängt nächste Woche ja die Bundesliga wieder an. „Lass mich doch in Ruhe mit Deinem Politkram, uns tut doch niemand was. Übertreib doch nicht. Die Gefahr sind doch nicht die besorgten Bürger, die Gefahr ist der Islam, der Ami, der Jude, der Euro, der Fremde.“ Ja, mit Ausnahme von Euro, DSDS und Bundesliga, wird man Ähnliches in den 30er Jahren auch gehört haben.
Nicht mehr den Arsch aufreißen für…
„Ich fürchte mich vor den ganzen Ausländern, die jetzt durch die Stadt gehen“, sagte eine ältere Dame. Warum sie sich fürchtet, konnte sie nicht genau sagen. Ich fürchte mich mehr vor den Nazis, die immer mehr im Straßenbild auftauchen. Ich habe immer wieder vor einem Erstarken dieser undemokratischen Rattenfänger gewarnt. Selbst den mir nicht übermäßig sympathischen früheren AfD-Sprecher Lucke, hatte ich davor gewarnt, dass diese Leute im blauen Fahrwasser seiner Partei eine Menge braunes Gedankengut Richtung Mitte der Gesellschaft schwemmen würden. Und dass sie ihn selbst irgendwann wegfegen würden. Er wollte es nicht glauben, bis es geschehen ist.
Mir ist bewusst, dass einige meiner treuen Leser jetzt enttäuscht sein werden und glauben, sie hätten sich in mir getäuscht. Kann sein. Auch das ist mir jetzt egal. Soll jeder denken was er mag. Vor ein paar Tagen widmete mir ein befreundeter Künstler noch ein wunderbares Bild mit dem Titel „exekutive legislative judikative“. Er schrieb dazu, ich sei ein Kämpfer. Mit Tränen in den Augen schrieb ich ihm zurück, der Kämpfer werfe nun das Handtuch.
… eine „schweigende Mehrheit“
Mein Entschluss steht fest. Sie werden von mir keinen politischen Text mehr zu Lesen bekommen. Da ich weiter schreiben muss, weil das meine Leidenschaft ist, werde ich mich auf Rezensionen beschränken und mich einem lange schon geplanten Jugendbuch über Fragen des Rechts widmen. Ich werde mich lokal und ganz konkret an der Betreuung von Hilfsbedürftigen beteiligen. Ich werde sicher der oft gescholtene Gutmensch bleiben, aber ich werde mir nicht mehr für meine lieben Mitbürger, die ihren Arsch erst hoch bekommen, wenn sie von einem Hooligan aus ihrem Sofa geprügelt werden, in der Öffentlichkeit den Arsch aufreißen. Bezüglich meiner Überlegungen zitiere ich gerne aus Wolfgang Niedeckens „Verdamp lang her“: „Nit resigniert, nur reichlich desillusioniert.?E bessje jet hann ich kapiert.“
Ich habe kapiert, dass die „schweigende“ Mehrheit der Bevölkerung am liebsten „schweigt“. Dass sie keineswegs mit dem Hass auf den Straßen einverstanden ist, aber lieber hinter den Gardinen steht, statt selbst auf die Straße zu gehen. Dass die Frau an der Spitze dieses Landes das Schweigen zur Regierungsmaxime erhoben hat und sich gerade deshalb alternativloser Beliebtheit erfreut. Dieses Schweigen wird über kurz oder lang zu einem „Schweigen der Lämmer“ werden. Es soll dann nur niemand behaupten, er hätte nichts gewusst oder er habe nichts tun können. Ich habe es oft genug gesagt.
Das ist jetzt vorbei.
Heinrich Schmitz ist Jurist im nordrhein-westfälischen Euskirchen. Er war Mitglied der Initiative #HeimeOhneHass sowie ehemaliger Kolumnist des Debattenportals „The European„. Seine Texte riefen Angriffe gegen ihn von rechtsaußen bis linksaußen hervor. Diesen Beitrag hat er zuerst auf change.org veröffentlicht. Die Unterstützer der Initiative machen weiter.