Ahrtal, 04. August 2022. (red/pro) Wir haben im Oktober 2021 erstmals beim Opferbeauftragen von Rheinland-Pfalz, Detlef Placzek, nachgefragt, wie viele Suizide in unmittelbarem Zusammenhang mit der Flutkatastrophe bekannt sind. Die Antwort war: Vier. Wir haben im Februar und April 2022 nochmals nachgefragt: Vier. Wir haben im Juli nachgefragt: Fünf. Laut einer aktuellen Anfrage der Freien Wähler im Landtag gibt es keine auffällige Veränderung gegenüber früheren Jahren.
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Kommentar: Hardy Prothmann
„Nach der Flutkatastrophe im Ahrtal hat es in der Folge nicht mehr Suizide gegeben als in den Jahren zuvor. Die offiziellen Behördenangaben widersprechen Vermutungen, nach denen es nach der Flut zu einer Häufung von Suiziden gekommen sei.“
Das berichtet auch der Bonner General-Anzeiger am 02. August 2022. Nur mal wegen Fakten und so, die in sozialen Netzwerken rund um gewisse „berichtende“ Personen im Ahrtal ganz anders dargestellt werden.
Es gibt hier Personen, die ständig ein anderes Bild zeichnen und Personen zu Wort kommen lassen, die irgendetwas ohne jeden Beleg behaupten und dabei keinerlei Scham zeigen, vernünftig mit diesem sensiblen Thema umzugehen.
Wir haben das bereits nach unserer Anfrage im Oktober, Februar, April und dann im Juli in Live-Videos auf Facebook thematisiert.
Es gibt im Umfeld gewisser „Superhelfer“ im Ahrtal Personen – und auch manche Superhelfer thematisieren das selbst -, tatsächlich Meldungen von „sehr vielen“ Suiziden, die „persönlich bekannt“ seien. Innerhalb weniger Tage.
Bestätigte Quellen dafür gibt es genau: Keine.
Es wird geraunt, nebenbei erwähnt, jaulend „berichtet“ – ohne jede Überprüfbarkeit.
Was fatal ist: Verantwortlichen Behörden wird jede Glaubwürdigkeit dabei abgesprochen. Es wird ein „Verschwörerumfeld“ geschaffen. „Die sagen“, aber „wir wissen“.
Das ist völlig unverantwortlich, völlig propagandistisch und im Zweifel über erhöhte Aufmerksamkeit über emotionale „Trigger“ nur geeignet, über „Aufmerksamkeit“ und Werbeeinblendungen die eigene Tasche zu füllen. Mit Toten, die man sich wünscht, die es aber nicht gibt, die man sich aber dringend herbeisehnt, weil dann noch mehr Emotionen die Taschen vollmachen.
Wer diese völlig menschenverachtenden Spiele mit dem Tod anderer Menschen betreibt – ist dokumentiert. In Videos und Posts auf den entsprechenden Seiten. Insbesondere bei Facebook. Dazu gehören angebliche Journalistinnen wie auch andere angebliche „Helfer“ vor Ort mit äußerst zweifelhaftem Hintergrund.
Völlig verantwortungslos.
„Auf eine Kleine Anfrage aus der Landtagsfraktion der Freien Wähler teilte das Mainzer Innenministerium mit, es habe außerdem einen Suizidversuch gegeben, der mit der Katastrophe in Verbindung stehe. Die Personen seien zwischen 40 und über 90 Jahre alt gewesen. In zwei der Fälle hätten sich die Suizide nicht im Tal ereignet, seien aber durch die Ereignisse ausgelöst worden“, schreibt der General-Anzeiger weiter.
Wir hätten natürlich selbst die Anfrage zitieren können, zeigen mit dem Zitat aber erstens Respekt vor Kollegen und zweitens, dass nicht nur wir über dieses sehr sensible Thema berichten.
Der General-Anzeiger schreibt weiter:
„Der rheinland-pfälzische Landesopferbeauftragte Detlef Placzek erklärte, letztlich sei jeder Suizid einer zu viel. „Menschen in einer Depression zu erreichen und aufzufangen, ist eine gemeinschaftliche Aufgabe“, schrieb er am Dienstag auf Facebook. „Ein dichtes Netz an psychosozialen Hilfen sollte zu jeder Zeit verfügbar sein.“
Diese Aussage ist zutreffend. Zutreffend ist auch, dass dieses Netz sehr lückenhaft ist und sehr viele Menschen im Ahrtal nach unseren Recherchen noch „unterversorgt“ sind. Aber sie machen weiter.
Auf der anderen Seite fabulieren gewisse, völlig gewissenlose Personen „heftige Anstiege“ von Suiziden. Was wollen diese Menschen erreichen? Tote zählen? Um darüber zu berichten? Und über Aufmerksamkeit sich die Taschen voll zu machen?
Wie verderbt kann man sein?
Im Ahrtal sind bei der Flutkatastrophe 134 Menschen nachweislich infolge der Flut gestorben. Zwei werden noch vermisst und sind mutmaßlich tot. Fünf Menschen haben sich im Anschluss das Leben genommen.
Das ist alles sehr tragisch. Warum wünschen sich gewisse „Dummbabbler“ weitere Tote? Damit der Grusel weitergeht? Und das eigene Geschäft?
Kein Mensch braucht Leute, die sich noch weitere Tote wünschen, um ihre „Stories“ weitererzählen zu können.
Diese Leute sollten sich was schämen.
Sie sind nicht für Betroffene und Opfer dar. Sie leben davon, dass es Betroffene und Opfer gibt und wenn nicht, erfinden sie sie.
Völlig pervers.
Hier die Antwort vom 07. Juli 2022 auf unsere Anfrage:
Frage 1) Wie viele Suizide sind bekannt, die klar im Zusammenhang mit der Flutkatastrophe stehen?
Wie viele könnten möglicherweise damit in Verbindung stehen?
Antwort: Es sind fünf Suizidfälle bekannt, die im Zusammenhang mit der Flutkatastrophe stehen.
Frage 2) Sind Zahlen aus anderen Ländern bekannt, dass beispielsweise Helfer sich nach einem Einsatz suizidiert haben?
Antwort: Dazu liegen dem Opferbeauftragten der Landesregierung Rheinland-Pfalz keine Daten vor. Dies muss bei den anderen Ländern direkt abgefragt werden.
Der General-Anzeiger wird uns sicherlich diesen Hinweis gestatten, weil wir das selbst so halten. Wir zitieren gerne andere Medien in Anerkennung der Leistung, was heute nicht mehr sehr üblich ist:
„Der General-Anzeiger berichtet in der Regel nicht über Selbsttötungen oder Suizid-Versuche, außer sie erfahren durch die Umstände besondere Aufmerksamkeit. Der Grund dafür ist die hohe Nachahmerquote. (Anm. d. Red.: Werther-Effekt)
Wenn Sie oder Ihnen nahestehende Personen von Depressionen betroffen sind und/oder Suizid-Gedanken haben, kontaktieren Sie bitte umgehend die Telefonseelsorge (www.telefonseelsorge.de). Unter der kostenlosen Hotline 0800-1110111 oder 0800-1110222 erhalten Sie Hilfe von Beratern, die Auswege aus schwierigen Situationen aufzeigen können.
Die Caritas bietet eine Onlineberatung für Jugendliche bis 25 Jahre. Auf der Seite erhalten die Betroffenen Hilfestellungen von Gleichaltrigen, und zwar anonym und kostenlos.
Die Aufnahme der LVR-Klinik in Bonn ist Tag und Nacht erreichbar. Kontakt: Aufnahme- und Krisenzentrum LVR-Klinik, Kaiser-Karl-Ring 20, 0228/5511 und im Internet.
Suizidgefährdete und deren Umfeld können sich auch an die Beratungsstelle im Sozialpsychiatrischen Dienst des städtischen Gesundheitsamtes wenden. Die Mitarbeiter sind unter 0228/773819 oder 773970 zu erreichen. Bürozeiten sind montags bis freitags von 9 bis 11.30 und montags bis donnerstags von 14 bis 15.30 Uhr.“
Anm. d. Red.: Suizide im privaten Raum werden nur auf Anfrage von Behörden mitgeteilt – gegenüber Journalisten oder medialen Redaktionen. Privatpersonen erhalten solche Auskünfte eher nicht. Privatpersonen, die behaupten, sie hätten Informationen über „viele Fälle“, ist grundsätzlich zu misstrauen, weil sie solche Auskünfte eben nicht erhalten. Es handelt sich um sehr sensible Informationen, die im Einzelfall keinerlei öffentliches Interesse begründen. Wir thematisieren das, weil über soziale Netzwerke eine Chimäre aufgebaut wird, die nur der Sensationslust dient, aber nichts mit der wahren Faktenlage zu tun hat.