Mannheim, 03. März 2016. (red/cr) Der demografische Wandel betrifft die gesamte Bevölkerung. Daher nehmen sich vor allem im Wahlkampf auch Parteien verstärkt diesem Thema an. Im vergangenen Oktober wurde in Waldhof eine Einrichtung der Caritas eröffnet, die eine Sozialstation, betreutes Wohnen, Tagespflege für Senioren, ein Pflegeheim und ein Hospiz kombiniert. Armin Laschet, Landesvorsitzender der CDU Nordrhein-Westfalen und Stellvertretender Vorsitzender der CDU Deutschlands, hat das Zentrum am Freitag auf Einladung des Mannheimer CDU-Landtagskandidaten Chris Rihm besucht.
Von Christin Rudolph
Immer mehr Menschen in Deutschland werden immer älter – der demografische Wandel ist voll im Gange. (Lesen Sie hier die Geschichte: Ilse wird pflegebedürftig)
Damit wächst auch die Zahl der Pflegebedürftigen. Für das Jahr 2050 rechnet das Bundeministerium für Gesundheit mit 4,5 Millionen Menschen, die aufgrund von Alter oder Krankheit auf Hilfe angewiesen sind.

Armin Laschet, Landesvorsitzender der CDU Nordrhein-Westfalen und Stellvertretender Vorsitzender der CDU Deutschlands (rechts) und Regina Hertlein, Vorstandsmitglied der Caritas, im Gespräch mit einer Bewohnerin des neuen Pflegezentrums
Chris Rihm, Landtagskandidat der CDU für Mannheim Nord, hat Armin Laschet, Landesvorsitzender der CDU Nordrhein-Westfalen und Stellvertretender Vorsitzender der CDU Deutschlands, in ein Pflegezentrum nach Mannheim eingeladen. Aber nicht in ein beliebiges. Herr Rihm bescheinigt der Einrichtung einen
Leuchtturm-Charakter über die Region hinaus.
Die Rede ist vom Caritas-Zentrum St. Franziskus am Taunusplatz in Waldhof. Diese Pflegeeinrichtung wurde erst im vergangenen Oktober eröffnet und bietet ein innovatives Konzept.
Alles unter einem Dach

Die Kapelle „Zum Sonnengesang“ zeigte Frau Hertlein ihren Gästen besonders stolz. Die Fenster hat der Künstler Yvelle Gabriel gestaltet.
Verschiedene Arten der Pflege werden hier kombiniert: 40 barrierefreie Wohnungen für betreutes Wohnen, 50 Pflegeheimplätze als Wohngruppenkonzept mit Einzelzimmern und Gemeinschaftsräumen, eine Tagespflege für Senioren mit 18 Plätzen, das Hospiz St. Vincent mit acht Plätzen und die katholische Sozialstation St. Franziskus mit ambulanten Pflegeleistungen.
Unter dem selben Dach befinden sich außerdem der Caritas Sozial- und Migrationsdienst, ein Büro des Bürgerservices der Stadt Mannheim und das Restaurant und Café Landolin. Im Landolin versorgen Menschen mit und ohne Behinderung das Pflegeheim mit Essen.
Außer dem Personal der Caritas arbieten vier Schwestern des Franziskaner-Ordens in der Pflege und Seelsorge. Zum christlichen Angebot gehören unter anderem drei Gottesdienste pro Woche in der hauseigenen Kapelle „Zum Sonnengesang“.
Direkte Auswirkungen der Politik vor Ort
Regina Hertlein, die neben Dr. Roman Nitsch dem Caritasverband vorsteht, zeigte Herrn Rihm und Herrn Laschet bei einem Rundgang durch alle Bereiche nicht nur, wie gut die neue Einrichtung läuft. Bei der Führung durch das Zentrum stellte sie immer wieder den konkreten Bezug zu Bundespolitik und Landespolitik her – und äußerte ihre Sorgen.
Beispielsweise bietet das neue Zentrum unmöblierte Zimmer. Sie sind vor allem für Senioren gedacht, die noch recht fit sind und in St. Franziskus einen neuen Lebensabschnitt beginnen wollen. Solche Menschen bringen meist ihre eigenen Möbel von Zuhause mit – vor allem aber Lebensqualität für alle, beschrieb Frau Hertlein. Sie zeigte ein solches Zimmer und äußerte eine große Sorge, die sich bereits abzeichne.
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Nämlich, dass die Senioren durch das zweite Pflegestärkungsgesetz viel später und damit schwerer krank in die Pflegeeinrichtungen kommen.
Mischung der Bewohner wichtig

Frau Hertlein führt Herrn Laschet (zweiter von rechts) und Herrn Rihm (rechts) durch die gesamte Einrichtung
Das zweite Pflegestärkungsgesetz wurde im vergangenen November vom Bundestag beschlossen und soll ab 2017 wirken. Es soll ebenso wie das erste Pflegestärkungsgesetz, das seit dem 01. Januar 2015 gilt, die Bedingungen für Pflegebedürftige, Angehörige und Pflegekräfte verbessern.
Der entscheidende Unterschied zum ersten Gesetz ist, dass die drei Pflegestufen durch fünf Pflegegrade ersetzt werden, die im Gegensatz zu den alten Pflegestufen nicht nach dem Aufwand in Minuten, sondern nach dem Grad der Selbstständigkeit definiert werden.
Der Aufenthalt in einem Pflegeheim wird durch Krankenkassen und Eigenanteile der Pflegebedürftigen finanziert. Bisher stieg der Eigenanteil mit der Einstufung in eine höhere Pflegestufe. Ab dem 01. Januar soll der Eigenanteil nicht mehr steigen, sondern für alle Pflegebedürftigen der Pflegegrade 2 bis 5 gleich sein. Der Betrag variiert von Pflegeheim zu Pflegeheim. Das Bundesministerium für Gesundheit geht im Bundesdurchschnitt von voraussichtlich rund 580 Euro monatlich für 2017 aus.
Fitte Senioren werden weniger

Die Sonne im Innenhof lässt erahnen, wie grün es dort bald werden wird.
Und genau diese Regelung bereitet Frau Hertlein Sorgen. Sie rechnete für den Fall des Zentrums St. Franziskus vor: Wenn man vom Pflegegrad 1 in 2 oder 3 kommt, müsse man als Senior oder Seniorin 300 Euro mehr zahlen als bisher. Vom Grad 3 zu 4 seien es 100 Euro. Für Senioren mit niedrigen Pflegestufen beziehungsweise -graden werde die Pflege mit dem Inkrafttreten des zweiten Pflegestärkungsgesetzes also deutlich teurer als aktuell.
Das ist nicht kostenverursachungsgerecht.
Daher werden Senioren, die noch relativ selbstständig sind, wahrscheinlich so lange wie möglich vermeiden, in ein Pflegeheim zu ziehen. Doch gerade solche Menschen bringen „Leben ins Haus“ und beteiligen sich besonders aktiv am Leben in der Einrichtung.
Regeln in der Praxis
Ein anderes Gesetz beschränke die Wahlfreiheit, die der CDU laut Herrn Rihm sehr wichtig ist. Die Landesheimbauverordnung regelt, wie stationäre Einrichtungen der Altenpflege und Behindertenhilfe in Baden-Württemberg baulich beschaffen sein müssen. Sie legt vor allem die Größe der Einrichtungen und der Zimmer fest.
Was Frau Hertlein als bevormundend sieht: Die Verordnung schreibt Einzelzimmer für jede Person in einem Pflegeheim vor.
Für Paare zum Beispiel sei es unverständlich, warum man nach Jahrzehnten des Zusammenlebens beim Umzug in ein Heim plötzlich getrennte Zimmer haben müsse. Der Wunsch sollte Priorität haben, findet Frau Hertlein. Außerdem seien die Größenvorgaben für Zimmer in Bestandseinrichtungen nicht umzusetzen.
Für manche gut, für andere nicht
Auch hier gibt sie wieder ein Beispiel aus der Praxis. Bei einem Gebäude der Caritas im Odenwald seien acht Zimmer nach der Landesheimbauverordnung nicht breit genug. Die Räume sind zwar insgesamt sogar 2 Quadratmeter größer als vorgeschrieben, müssten der Verordnung nach aber wegen der fehlenden Breite für 1,6 millionen Euro umgebaut werden.
Davon abgesehen dürfe man sich nicht zu sehr an Wohngruppenkonzepten festbeißen. Eine Wohngemeinschaft mit wildfremden Menschen und gemeinsames Kochen seien für manche eine geeignete Wohnform im Alter, aber nicht für alle.
Wohngemeinschaften sind ein Stück weit Sozialromantik und nicht zielführend,
so Frau Hertlein. Große Speisesäle etwa seien in der Finanzierung nicht mehr vorgesehen. Gerade solche Räume seien aber nötig, um sich „Leben ins Haus zu holen“ – Auftritte und Aktionen von Vereinen und Feste finden dort statt. In kleinen abgetrennten Wohneinheiten könne zum Beispiel kein Chor auftreten. Ein Verlust von Lebensqualität also.
Ausblicke in die Zukunft
Herr Laschet hörte beim Rundgang durch das Pflege-Zentrum gut zu und hakte nach. Für ihn gehe es momentan vor allem um Qualitätssicherung. Besonders intensiv unterhielt er sich mit Frau Hertlein über das Thema Personalmangel. Herr Laschet sieht hier Fachkräfte aus Drittländern und Ordensmitgleider wie die Franziskanerinnen vor Ort als wichtigen Faktor.
Auch für ihn schienen Frau Hertleins Rechenbeispiele aus der Praxis besonders interessant. Vor allem beim Thema Taschengeld wirkte er sehr nachdenklich. Laut Frau Hertlein müssten vom Taschengeld fast alle Medikamente bei Bagatellerkrankungen wie einer Erkältung selbst bezahlt werden. Hier wünsche sie sich, dass das Sozialamt alle Medikamente übernehmen würde.
Nach den Gesprächen über Bundes- und Landespolitik wurde über die Situation in Mannheim diskutiert. Herr Rihm zeigte sich angetan von St. Franziskus und resümiert, die Stadt Manheim müsse in Sachen innovativer Konzepte nachbessern.
Der demografische Wandel ist in den Köpfen noch nicht angekommen.

Im barrierefreien Restaurant und Café Landolin arbeitet Personal mit und ohne Behinderung.
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