Mannheim, 03. März 2015. (red/ld) Beim Thema „Freundschaft“ könnten die Politikerin Claudia Roth und der Ex-Fußballnationalspieler Christoph Metzelder kaum unterschiedlicher sein: Sie findet in ihren Freunden einen Anker im Leben. Er blockt Nähe mit einer emotionalen Firewall ab. Dabei hätte man es eigentlich anders herum vermutet: Die Politikerin, die sich ob der Konkurrenzen untereinander keine Freundschaften leistet und der Fußballer, der einer von elf Freunden sein sollte.
Von Lydia Dartsch
Das berührendste am Sonntagabend war das Geständnis von Christoph Metzelder, dass er seiner kleinen Tochter ein guter Freund sein will. Denn mit Freundschaften tut sich der Ex-Fußballnationalspieler schwer.
Was ist Freundschaft? Wie wichtig ist so eine Beziehung zwischen zwei Menschen? Die Autorin, Ex-Fußballerin und Fußballfunktionärin Katja Kraus hat darüber ein Buch geschrieben und dafür Prominente zu ihren Freundschaften interviewt. Wie unterschiedlich Menschen mit dem Thema umgehen, zeigte sich am vergangenen Sonntag in ihrer Lesung im Rahmen des Mannheimer Literaturfests „Lesen.Hören“ in der ausverkauften Alten Feuerwache.
„Die völlig bedingungslose Verbindung in einer Freundschaft ist ein Geschenk“, zitiert Frau Kraus aus ihrem Buch den SPD-Politiker Egon Bahr, den eine lebenslange Freundschaft mit dem ehemaligen Bundeskanzler Willy Brandt verband.
Als Kontrast dazu las Frau Kraus aus dem Interview mit Marina Weisband, der ehemaligen politischen Geschäftsführerin der Piratenpartei. Sie beneide den Anspruch an lebenslange Bindungen, sagte sie im Interview. Für die 27-jährige Politikerin, die mit Facebook und Co in der digitalen Welt groß geworden ist, sind Freundschaften phasisch: Alte lösen sich und neue finden sich.
„Elf Freunde müsst Ihr sein“ ist das Klischee in der Fußballwelt. Doch für Ex-Nationalspieler Christoph Metzelder sind die anderen Mitglieder seiner Mannschaft hauptsächlich Kollegen. Von 2001 bis 2008 spielte er in 47 Spielen in der deutschen Nationalmannschaft. „Es ist eine Zweckgemeinschaft“, sagt er. Ob die Konkurrenz über das Trikot, den besseren Vertrag und die schlankste Ehefrau – der Saal lacht – Freundschaften im Profi-Fußball unmöglich macht, will Frau Kraus von ihm wissen. Herr Metzelder sagt, er pflege keine engen Freundschaften:
Über Freundschaften kann ich nicht viel berichten. Ich bin kein guter Freund.
Viele Angelegenheiten mache er mit sich selbst aus, sagt er. Er habe eine emotionale Firewall um sich herum gebaut. Eine Ex-Freundin habe dies einmal als „Schweigen und Aussitzen“ bezeichnet. Über sich selbst sagt er: „Ich bin ein wenig konfliktscheu.“
Claudia Roth outet sich dagegen dagegen als Beziehungs-Junie. Sie sagt, dass sie ihre Freunde dringend brauche, um auf dem Teppich und sich selbst treu zu bleiben. Das sei beispielsweise wichtig gewesen, als sie zur Parteivorsitzenden der Grünen gewählt worden war. Plötzlich hätten ihr Menschen vorschreiben wollen, sich weniger bunt zu kleiden, weniger schrill zu sprechen und eine andere Frisur zu tragen: „Dann wäre ich aber nicht mehr Claudia.“
Einer ihrer Freunde sei ihr Büroleiter, sagt sie. Eine weitere Freundschaft verbinde sie über die Parteigrenzen hinweg mit dem CSU-Politiker und ehemaligen bayerischen Ministerpräsidenten Günther Beckstein:
Das hatte damals für viele Irritationen in der Partei geführt.
Denn zum Einen gebe es in der Konkurrenzsituation, in der sich Politiker untereinander befinden ein gewisses Grundmisstrauen. Zum anderen sei es sehr schwierig, von der Rolle der Parteivorstitzenden ins Private zu wechseln.
Aber wenn man Vertrauen fassen kann, sind auch Freundschaften über lange Jahre möglich.
Diese gäben ihr ein Gefühl tiefer Sicherheit, wie in einer Familie sagt Frau Roth. Doch manchmal schaffe sie es im Alltag nicht, sich genügend um ihre Freunde zu kümmern: „Dann habe ich ein schlechtes Gewissen, anzurufen.“ Sie spricht auch über Freundschaften, die sich auflösen und über die Freundschaften zu ihren Ex-Partnern. Dann gebe es Freunde, die man jahrelang nicht sieht und dann plötzlich wieder: „Dann kann man wieder sofort an die Zeit davor anknüpfen.“
Eine solche Verbundenheit spürt Christoph Metzelder nur zu seiner Heimatstadt Haltern, sagt er. Dort ist er Trainer des TUS Haltern – in diesem Verein hat seine Fußballkarriere angefangen. Das sei alles. Gerade sei er dabei, Freundschaft zu lernen und seine emotionale Firewall durchlässig zu machen, sagt er. Seine Lehrmeisterin sei seine kleine Tochter. Ihr will er ein guter Freund sein.