Rhein-Neckar, 03. Juni 2013. (red) Das Hochwasser ist das Thema aktuell. Vor allem in Bayern und Baden-Württemberg hat das Wasser enorme Schäden angerichtet. Unzählige ehrenamtliche Helfer setzen sich ein, um anderen Menschen zu helfen. Die beste erste Hilfe jedoch wäre, wenn man sich des eigenen Verstandes bemühte.
Von Hardy Prothmann
In Edingen-Neckarhausen wird der Damm im Ortsteil Neckarhausen am Abend auf 300 Metern Länge gesichert. Weil Wasser ausgetreten ist. Die Feuerwehr informiert, dass das vorbeugende Maßnahmen sind. Und stellt Schilder auf. Gesperrt (siehe unsere Reportage von heute Nacht über die Suche nach einer Person im Neckar).
Wahrnehmungsprobleme
Schaulustige ignorieren die Schilder. Gehen dran vorbei. Und als nachts eine Rettungsaktion wegen einer Person im Neckar läuft, werden es immer mehr. Nicht nur in Edingen-Neckarhausen. Überall.
Die Polizeidirektion Heidelberg stellte nicht nur in den vergangenen Tage fest, dass „besonders Schlaue“ mal eben die Absperrungen von gesperrten Straßen zur Seite schieben und sich „ihren Weg“ bahnen“. Im Polizeibericht von heute liest sich das so:
„Abgesoffen“ im Hochwasser ist der Porsche eines 68-jährigen Autofahrers am Sonntag kurz vor 20 Uhr auf der L 534/In der Neckarhelle. Der Fahrer war vom Stiftsweg nach links in die L 534 Richtung Ziegelhausen abgebogen und hatte dabei die vorhandene Absperrung wegen des Hochwassers „nicht wahrgenommen“. In den Hochwasserfluten des Neckars streikte der Motor schließlich und der Porsche blieb stehen.
In Heidelberg laufen Garagen voll und – anders kann man sie nicht nennen – Vollidioten, versuchen noch ihr Auto rauszufahren, als das Wasser schon bis zum Tacho steht.
Gedankenlos in Gefahr gebracht
Doch auch dieses dumme Verhalten kann man „toppen“. Beispielsweise durch romantische Auflüge ins Hochwasser oder ein wenig Abenteuerlust. Da waten „Romantiker“ ins Wasser oder machen eine „Spritztour“ mit dem Fahrrad, um hinterher zu sagen:
Das war ein tolles Gefühl.
Oder:
Das hat Spaß gemacht.
Sie lachen, sie fühlen sich gut. Ohne Sinn und Verstand.
Am frühen Sonntagabend bin ich in Mannheim am Rhein und Neckar unterwegs, um Fotos des Hochwassers am Rhein zu machen. Immer wieder waten junge und alte Menschen (nicht nur) am Stephanienufer ins Wasser oder spielen Abenteuer, in dem sie mit ihren Mountain-Bikes ins Wasser fahren.
Wofür halten sich solche Leute? Für unsterblich? Für Helden? Für Auserwählte?
Die Hindernisse unter Wasser sehen sie dabei nicht. Sie können zu jeder Zeit stolpern und fallen oder gegen ein Hindernis oder in ein Loch fahren und stürzen. Ein kurzer Moment der Benommenheit reicht aus und das Wasser reißt einen mit. Außerdem können Walzen und Wirbel entstehen, die man nicht sieht, aus denen man aber nicht mehr herauskommt. Für die „Naturliebhaber“ und „Abenteurer“ ist das anscheinend alles egal.
Die Polizei lässt rund 50 im Uferbereich abgestellte Fahrzeuge abschleppen. „Eigentumsicherung“ heißt die Maßnahme. Vier Abschleppbetriebe haben „Hochkonjunktur“. Plötzlich taucht ein Mann auf:
Hey, das ist mein Auto. Das dürfen Sie nicht.
Die Polizei darf. Und die gedankenlosen Parker „dürfen“ die Rechnung begleichen. Sicher werden sich einige Ärgern. Denken sie auch darüber nach, dass ein abgesoffenes Auto ein viel höherer Schaden wäre?
Tiere in Not
In Mannheim-Neckarau steht das Wasser ebenfalls bereits tief im Wald. Bis zum Damm sind es noch rund 30 Meter. Schaulustige sehen dem Wasser beim Steigen zu, dass es auch hinter ihnen steigt, fällt beim faszinierten Blick nicht auf. Auch Kinder sind dabei. Sie wären nicht die ersten, die von Wasser eingeschlossen werden. Dass in solch fahrlässig herbeigeführten Notsituationen andere Leib und Leben bei der Rettung riskieren… Wen interessiert es?
Mit einem Mal springen Rehe über die Franzosenstraße: „Schau mal, wie schön“, ruft eine Mutter begeistert und sagt:
So nah hab ich noch nie eins gesehen.
Sie strahlt und denkt keine Sekunde nach, woran das wohl liegen mag? Rehe sind scheue Tiere und würden dem Menschen niemals so nahe kommen, wenn sie nicht müssten. Aber sie müssen, denn auch sie fliehen vor dem Wasser. Das Waldgebiet, in dem sie leben, ist überschwemmt. Was für eine Panik müssen die Tiere erleben? Ihnen bleibt nur noch der höchstens 30 Meter breite Streifen bis zum Damm, um sich verstecken zu können. Auf der einen Seite das Wasser, auf der anderen Seite die Bebauung und dann auch noch die Menschen. Und die Mutter ist glücklich über dieses „Naturerlebnis“.