Mannheim/Rhein-Neckar, 02. Dezember 2011. (red) Seit Juli diesen Jahres ist Caren Denner (49) Präsidentin des Mannheimer Polizeipräsidiums. Die Verwaltungsexpertin und studierte Juristin ist erst die zweite Frau in der Polizeigeschichte Baden-Württembergs auf einem solchen Führungsposten. Die Chefin von rund 1.200 Beamten und 200 Angestellten zieht im Gespräch mit uns eine erste Bilanz zum Jahresende 2011.
Von Martin Heilmann und Hardy Prothmann
Frau Denner, wie wird man eigentlich Polizeipräsidentin? Bewirbt man sich oder wird man gefragt?
Caren Denner: Man wird gefragt. Oftmals werden diese Stellen ohne Ausschreibung besetzt. In meinem Fall war es so, dass man an mich herantrat, und fragte, ob ich Interesse an einer neuen Herausforderung hätte.
Wollten Sie das schon immer werden oder hätte Sie auch ein anderer Beruf interessiert?
Denner: Ich interessiere mich sehr für Menschen. Anfangs wollte ich Familienrichterin werden, dann hat sich das anders ergeben. Auch Psychologie hätte ich mir als Studium vorstellen können – das hebe ich mir aber für den Ruhestand auf. Bis dahin ist es noch viel Zeit, die ich sehr gerne mit dieser abwechslungsreichen Aufgabe als Polizeipräsidentin gestalte.
Sie sind Juristin und keine Polizeibeamtin. Was qualifiziert Sie für die polizeiliche Arbeit?
Denner: Meine Aufgabe hier ist eine verwaltende – darin habe ich 25 Jahre Berufserfahrung und davon zwölf Jahre in direkter Verbindung mit Polizeiarbeit aus ganz unterschiedlichen Perspektiven. Beim Innenministerium Baden-Württemberg gehörte beispielsweise zu Anfang die Aufnahme von Flüchtlingen zu meinem Tätigkeitsbereich, beim Regierungspräsidium in Karlsruhe waren es dann der Straßenverkehr und später die Abschiebung von Ausländern. Solche gegensätzlichen Erfahrungen erweitern den Horizont.
Gibt es einen Unterschied zwischen einem Polizeipräsidenten und einer Polizeipräsidentin?
Denner: Ja. Ich bin eine Frau und ein Mann ist ein Mann. Sonst erkenne ich keinen Unterschied.
O.k., aber führen Frauen nicht doch anders als Männer?
Denner: Das müssten Sie meine Kollegen fragen. Ich treffe als Führungsperson Entscheidungen und Anordnungen, vorher stelle ich Fragen und höre zu. Der offene kooperative Austausch mit den Kollegen ist für mich selbstverständlich.
Dies wurde uns von ihren Kolleginnen und Kollegen bei der Vorrecherche bestätigt. Wie wichtig ist die Persönlichkeit neben der fachlichen Qualifikation?
Denner: Das liegt mir ganz besonders am Herzen. Es kann im Beruf nicht immer nur um die fachliche Qualifikation und den Dienstgrad alleine gehen. Ganz wichtig sind auch die menschlichen Kompetenzen. Da spielt es für mich keine Rolle, ob jemand einen niedrigen, mittleren oder hohen Dienstgrad hat. Beides zusammen macht eine gute Kollegin und einen guten Kollegen erst aus.
„Im Vergleich zu anderen Großstädten geht es in Mannheim weniger heftig zu.“
War der Wechsel von der Verwaltung in den Vollzug eine große Umstellung?
Denner: Das war für mich auf jeden Fall eine Umstellung. Zum Glück haben mir viele dabei geholfen. In den vergangenen fünf Monaten habe ich einige Dinge gelernt. Ein Polizeipräsidium hat im Vergleich zur verwaltenden Aufgabe eines Regierungspräsidiums ganz andere Aufgaben wahrzunehmen. Beispielsweise gehört dazu die Bekämpfung von schwerer und organisierter Kriminalität. Bei Einsätzen müssen schnelle Entscheidungen getroffen, koordiniert und abgestimmt werden. Das kannte ich so aus meiner Verwaltungstätigkeit nur “theoretisch”. Darüber hinaus sind wir aber auch kriminalpräventiv tätig.
Das Präsidium umfasst das Mannheimer Stadtgebiet, aber auch kleine Gemeinden. Gibt es einen Unterschied in der Kriminalitätslage, beispielsweise bei Gewaltverbrechen?
Denner: Gewalt ist und bleibt Gewalt. Ob auf dem Land oder in der Stadt. In Städten gibt es mehr schwere Verbrechen wie Raubüberfälle und organisierten Drogenhandel. Im Vergleich zu anderen Großstädten geht es in Mannheim weniger heftig zu, was nicht heißt, dass wir hier nicht gefordert sind.
Mannheim hat einen hohen Ausländeranteil. Was sind hier die Herausforderungen?
Denner: Sprachliche Barrieren und natürlich kulturelle Eigenarten sind eine Herausforderung für uns. Sowohl bei der Ermittlung von Straftaten, als auch bei Demonstrationen. Wenn etwa fremdsprachige Parolen skandiert werden, die Menge plötzlich tobt und kein deutscher Polizist versteht, warum. Kulturelle Unterschiede müssen wir ebenfalls beachten.
Da können doch Polizisten mit Migrationshintergrund hilfreich sein.
Denner: Natürlich. Wir haben einige Kollegen ausländischer Herkunft. Und darüber bin ich sehr froh, denn sie erweitern die Kompetenzen der Teams. Sie dienen dann oft als Übersetzer und Bindeglied. Das stellt einen echten Mehrwert für uns dar und ist in Konfliktsituation unbezahlbar. Auch bei Verhaftungen können Informationen transparenter aufgenommen werden. Wir sind froh über jeden Polizisten mit Migrationshintergrund.
Drogenkriminalität ist in Städten besonders ausgeprägt. Wie sieht das zur Zeit in Mannheim aus?
Denner: Wir beobachten mit Sorge den Kokain- und Marihuanahandel in der Region und gehen verstärkt dagegen vor. Im Vergleich zu anderen Städten in Deutschland, wie z.B. Frankfurt oder Berlin ist die Situation aber “überschaubar”. Ein Negativbeispiel ist der “Time-Warp” (vor Amtsantritt, Anm. d. Red.). Während der Veranstaltung gab es rund 100 Festnahmen – dabei hatten sich die Kollegen nur auf die Händler und nicht die Konsumenten konzentriert. Das werden wir selbstverständlich auch in Zukunft sehr streng kontrollieren.
Was beobachten Sie bei der Kinder- und Jugendkriminalität?
Denner: Hier ist auffällig, dass das Alter von Ersttätern tendenziell sinkt. Zudem wächst die Zahl an Intensivtätern bei Jugendlichen. Und wir sprechen hier nicht von kleinen Delikten, sondern von schwerwiegenden Straftaten. Umso wichtiger ist es, präventiv zu agieren und in den Schulen Aufklärung zu betreiben.
Fällt unter Prävention auch das Thema häusliche Gewalt? Gibt es hier einen Stadt-Land-Unterschied?
Denner: Häusliche Gewalt gibt es in der Region wie auch in der Stadt gleichermaßen. In der Stadt ist die Situation für Betroffene insoweit “besser” als im Umland, da es hier sehr viel mehr Anlaufstellen gibt, die zudem gut miteinander kooperieren. Im ländlichen Bereich ist das schwieriger. Leider melden sich vor allem Frauen oft erst dann, wenn sie bereits Opfer von Gewalt geworden sind. Es wäre wünschenswert, wenn Frauen früher aktiv werden, das erfordert aber Mut und die Überwindung von Hemmschwellen. Wer Hilfe sucht, bekommt sie auch und kann sich ganz klar auf die Polizei verlassen.
„Wir arbeiten hart und sehr effizient.“
Ein großes Thema ist die Personalausstattung der Polizei. Sind Sie in Mannheim gut besetzt?
Denner: Nein – aber wir versuchen, das Beste daraus zu machen. Die Anzahl an Mitarbeitern bei der Polizei ist fast überall nur gerade ausreichend. In den nächsten Jahren ist auch keine deutliche Verbesserung in Sicht. In den Jahren 2015-2016 gehen rund 50 Prozent der Kolleginnen und Kollegen in Ruhestand. Glücklicherweise werden einige verlängern und die Landesregierung wird nächstes Jahr 1.200 neue Kollegen einstellen. Das ist absolut notwendig und ein gutes sowie wichtiges Signal der Politik in Richtung Polizei. Wir arbeiten hart und sehr effizient. Wir bemühen uns um Einsparung – aber im Zweifel haben wir eine wichtige gesellschaftliche Aufgabe und dafür braucht es eine ausreichende Personalstärke und eine gute Qualifikation der Kollegen.
Wo haben Sie eingespart und wie bekommen Sie neue Mitarbeiter?
Denner: In Mannheim wurden die Polizeireviere in der Vergangenheit bereits von elf auf sieben reduziert. Wir können sicherlich Veränderungen auch organisatorisch mit innovativen Ideen weiter optimieren. Und um den Nachwuchs kümmere ich mich persönlich. Ich habe die Schulen in der Region angeschrieben und darum gebeten, uns und unsere Arbeit bei den jungen Menschen vorstellen zu können.
Demnächst soll es eine Polizeireform in Baden-Württemberg geben. Können Sie mehr dazu sagen?
Denner: Vermutlich werden die Inhalte der Reform dieses Jahr nicht mehr bekannt gegeben. Genaueres weiß aber bisher niemand, auch ich nicht. Hier ist sicher die Thematik Personalunterdeckung bei der Polizei von Bedeutung.
Beispiel: Die Präsenz in der Fläche soll gestärkt werden. Dagegen würde sprechen, Posten zusammen zu legen. Eine spezielle Projektgruppe ist mit dieser Sache betraut und soll hierfür Lösungsansätze finden. Wir sind alle gespannt darauf.
Als Polizeipräsidentin erfahren Sie ein stärkeres Medieninteresse als früher. Wie gehen Sie damit um?
Denner (lacht): Ich übe – wie mit Ihnen heute. In meinen bisherigen Tätigkeiten in der Verwaltung musste ich mich und meine Kollegen nicht öffentlich darstellen. Ich selbst lege keinen besonderen Wert auf Öffentlichkeit – für die Polizei ist die Transparenz und Vermittlung unserer Arbeit an die Öffentlichkeit aber sehr bedeutend und ich nehme repräsentative Aufgaben wahr. Das gehört selbstverständlich dazu.
Was sind die Herausforderungen im kommenden Jahr?
Denner: Es wird einige Großveranstaltungen geben, beispielsweise den Katholikentag im Mai. Der stellt, was die Teilnehmer anbelangt, erstmal kein Problem dar. Tatsächlich sind wir aber trotzdem stark gefordert. Wir müssen die Sicherheit im Fall einer Massenpanik garantieren und natürlich rechnen wir mit enormen Verkehrsproblemen – die Infrastruktur ist schon im Alltag an den Belastungsgrenzen. Soviel ist sicher: Langweilig wird es uns nicht werden und wir geben uns alle Mühe, um eine vorbildliche und herausragende Arbeit zu leisten. Das erwarten die Menschen von uns.
Zur Person:
Ihre Jugend verbrachte Caren Denner in Neuenbürg bei Pforzheim. Ihr Studium der Rechtswissenschaften absolvierte Caren Denner von 1981 bis 1986 in Mannheim und in Freiburg. Die Referendarzeit verbrachte sie von 1987 bis 1989 im Regierungsbezirk Karlsruhe.
Das ursprüngliche Berufsziel einer Familienrichterin verwarf Caren Denner und startete 1990 eine Verwaltungskarriere im Regierungspräsidium Karlsruhe. 1992 folgte ein Wechsel ins Innenministerium. 2002 ging sie zum Regierungspräsidium nach Stuttgart und war dort in ihrer sechsjährigen Zeit unter anderem Referatsleiterin für Innere Sicherheit und stellvertretende Polizeipräsidentin.
Zeitgleich besuchte die heute 49-jährige die Führungsakademie Baden-Württemberg, die Führungskräfte und Mitarbeitende des öffentlichen Sektors fortbildet, und kehrte 2009 zum Regierungspräsidium nach Karlsruhe zurück. In ihren dortigen Tätigkeitsbereich fielen unter anderem Verkehr und bis Ende 2010 die Landesaufnahmestelle für Flüchlinge.
Im Juli 2011 wurde Caren Denner zur Polizeipräsidentin ernannt. Sie lebt weiterhin in Karlsruhe. Von dort aus pendelt sie nach Mannheim.
Frau Denner ist ledig und hat keine Kinder. Ihre Leidenschaften sind Literatur, Lyrik und Reisen. Insbesondere nach England, wo sie seit ihrem 14. Lebensjahr Freunde hat, die sie jedes Jahr besucht.
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