Walldorf/Rhein-Neckar, 02. November 2017. (red/pro) Die Stadt Walldorf ist dank eines bedeutenden Gewerbesteuerzahlers eine wohlhabende Gemeinde. Walldorf ist eine saubere Stadt. In Walldorf ist die Welt so in Ordnung wie kaum irgendwo sonst. Jetzt wurde diese Stadt ohne Sorgen durch heftige Randale erschüttert. Jugendliche warfen in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch Brandsätze gegen das Rathaus und Schulgebäude.
Von Hardy Prothmann
Das übersteigt unsere Vorstellungskraft,
sagt Bürgermeisterin Christiane Staab am Telefon. Die Rathauschefin spricht ruhig, aber man spürt die Anspannung. Was in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch in Walldorf geschehen ist, macht sie fassungslos. 30-40 Jugendliche zogen durch die Stadt. Dabei wurden mehrere Molotowcocktails gegen das Rathaus und Schulgebäude geschleudert. Ein Ehepaar mittleren Alters, vollkommen unbescholtene Bürger, will eingreifen und appelliert an die Vernunft. Der Mann wird zusammengeschlagen und erheblich verletzt, seiner Frau wird mit der Faust ins Gesicht geschlagen.
Das ist ganz entsetzlich und wir stehen selbstverständlich den Opfern bei. Fatal ist, dass sie sich eingemischt haben, um Straftaten zu verhindern und dafür büßen mussten. Das darf nicht die Botschaft sein. Duckt Euch nicht weg, zeigt Flagge, mischt Euch ein, dafür müssen wir uns alle einsetzen. Diese Anwohner haben sich außerordentlich anständig verhalten und das werden wir würdigen und stärken,
sagt Bürgermeisterin Staab.

Bürgermeisterin von Walldorf, Christiane Staab. Foto: Stadt Walldorf
Aktuell ermittelt die Polizei noch die Geschehnisse, deshalb bittet die Bürgermeisterin um Verständnis, dass sie Ergebnisse dieser Ermittlungen abwarten möchte, um ein genaueres Bild zu haben, bevor sie sich weiter äußert. Auch rathausintern wird aufgearbeitet, was vorgefallen ist und welche Konsequenzen daraus zu ziehen sein werden.
Ich kann bestätigen, dass ein Mitarbeiter der mobilen Jugendsozialarbeit in der Nacht im Einsatz war. Das gehört zu unserem Präventionskonzept. Auch hier bitte ich um Verständnis, dass ich erst mit dem Mitarbeiter sprechen muss, bevor ich mich weiter äußere.
Nach unseren Informationen ist die Rolle dieses Mitarbeiters diffus. Hat er möglicherweise das Geschehen aktiv miterlebt? Wie hat er sich verhalten? Hat er versucht einzugreifen oder nicht? Diese offenen Fragen stehen im Raum.
Wir tun alles, damit es Kindern und Jugendlichen in der Gemeinde gut geht. Wir haben so viele Schulsozialarbeiter im Einsatz wie kaum eine andere Gemeinde, machen über Gebühr sehr viele Angebote und unterstützen sozial schwächere Familien sehr aktiv. Jedes Kind und jeder Jugendliche soll mitgenommen werden. Aber eins ist auch klar. Das hat Grenzen. Was in Familien stattfindet oder nicht stattfindet, können wir nur schwer auffangen,
sagt die Bürgermeisterin. Dabei kommen ungewöhnliche Fragen auf: Ist die Gemeinde vielleicht zu proper? Braucht es andere Orte und Angebote, wo sich die Jugendlichen etwas „schmuddeliger ausleben“ können? Was hat man übersehen? Woher kommt diese plötzliche Zerstörungswut? Ist die überall greifbare Ordnung der Grund, genau dagegen mit Aggression vorzugehen? All das sind offene Fragen, bislang ohne Antwort.
Besonders erschütternd ist, dass es wohl kein Affekt war. Die Brandsätze sind vorbereitet worden,
sagt die Bürgermeisterin auf dem aktuellen Stand der Informationen. Klar, dass sie und natürlich auch andere Menschen in Walldorf erheblich irritiert sind. Woher kommt diese Zerstörungswut?
Hier hat jemand eine möglicherweise nicht mehr zu kontrollierende Eskalation in Kauf genommen, die erhebliche Schäden hätte nach sich ziehen können. Das finde ich besonders bedenklich. Das sind keine Streiche, das sind Straftaten.
Klar ist, dass die öffentliche Ordnung in der Stadt Walldorf massiv angegriffen und tatsächlich auch beschädigt worden ist. Durch Jugendliche aus der Stadt und aus umliegenden Gemeinden. Was genau die Hintergründe sind, ob man die Täter identifizieren und bestrafen kann, ist noch offen. Hier sind die Ermittlungsbehörden gefordert.
Die Stadtgesellschaft, bislang ohne besondere Sorgen, muss sich einer Dimension von Hass und Gewalt stellen, von der man sich bislang nicht vorstellen konnte, damit konfrontiert zu sein. Auch intern wird zu klären sein, welche Verantwortlichkeiten es gibt und welche Konsequenzen man daraus ziehen muss.
Möglicherweise kommt am Ende raus, dass die Welt in Walldorf für manche einfach „zu in Ordnung“ ist und deshalb mit Chaos bestraft werden muss. So absurd das ist, es ist tatsächlich als Motiv vorstellbar. Wer in sich Chaos trägt, fühlt sich möglicherweise durch Ordnung provoziert. Klar ist, dass sich die Ordnung nicht durch Chaoten provozieren lassen sollte.
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