Mannheim/Ludwigshafen/Rhein-Neckar, 30. April 2015. (red/ms) Umleitungen, einspurige Befahrbarkeit, Vollsperrungen – die Baustellen in der Region reihen sich aneinander und verlangsamen den Verkehr erheblich. Das ist nicht nur anstrengend für Privatverkehr und Pendler: Es verursacht Millionenschäden für die Wirtschaft. Dabei sind die Baustellen gerade nur die Spitze des Eisbergs – ab 2018 wird alles noch viel schlimmer.
Von Minh Nikolas Schredle
Wer derzeit in Mannheim und Ludwigshafen unterwegs ist, sollte nicht nur ein paar Minuten mehr einplanen, sondern eher viele: Baustelle reiht sich an Baustelle reiht sich an Baustelle. Erfahrungsgemäß ist im Frühling immer besonders viel los: Nachdem im Winter wetterbedingt viele Maßnahmen nicht durchgeführt werden können und pausieren müssen, wird die Arbeit wieder aufgenommen.
Und trotzdem: So viel wie aktuell steht und stockt es sonst selten auf den Straßen von Mannheim und Ludwigshafen. Auch der Nahverkehr wird an etlichen Stellen umgeleitet, Bahnen durch Busse ersetzt und die Fahrtzeiten verlängern sich teilweise – planmäßig – um bis zu zehn Minuten. Jan Krasko, Pressesprecher des Baudezernats der Stadt Mannheim, bestätigt den Eindruck:
Ja, gerade werden wirklich außergewöhnlich viele Maßnahmen durchgeführt.
Allein im Straßenbau stehen für Mannheim mehrere Millionenprojekte an. Um nur einen Teil zu nennen: Die Lilienthalstraße im Stadtteil Schönau wird für 1,8 Millionen Euro erneuert. In der Käfertaler Straße wird für 2,4 Millionen Euro ein neuer Radweg angelegt und der Straßenbelag ausgebessert. In der Seckenheimer Hauptstraße werden der Gehweg und der Fahrbelag komplett ersetzt. Die Bauarbeiten dauern bis 2016 und kosten etwa 3,6 Millionen Euro.
Millionenschäden
Beide Brücken nach Ludwigshafen sind momentan nur eingeschränkt befahrbar – was zu massiven Beeinträchtigungen und Verkehrsblockaden führt. Die Konrad-Adenauer- und die Kurt-Schumacher-Brücke werden pro Tag von rund 145.000 Kraftfahrzeugen genutzt. Die Einschränkungen sind nicht nur für den Privatverkehr und für Pendler lästig. Sie verursachen enorme Schäden für die Wirtschaft.
Die Rhein-Brücken sind das Herzstück unseres Verkehrsknoten,
sagt Dr. Dagmar Bross, die Verkehrsreferentin der IHK Rhein-Neckar, gegenüber dem Rheinneckarblog. Jürgen Vogel, der Geschäftsführer Standortpolitik IHK Pfalz, sagt auf Anfrage:
Die beiden Brücken sind ohnehin schon überlastet – ganz ohne Bauarbeiten.
Jetzt gerade sei es aber besonders dramatisch, insbesondere für den Güterverkehr. Dadurch würden der Wirtschaft “Millionen entgehen”.
Täglich bleiben 20.000 Stunden im Stau auf der Strecke
Zwar können die IHKs nicht exakt beziffern, wie hoch die Schadenssumme genau ist – “ohne ein entsprechendes Gutachten, das es nicht gibt, kann man hier keine seriösen Zahlen vorlegen” – allerdings verdeutliche “eine Milchmädchenrechnung, in welchen Dimensionen man sich bewegt”, wie Herr Vogel sagt:
Die beiden Brücken werden pro Tag von über 140.000 Fahrzeugen genutzt. Wenn jetzt jedes davon im Schnitt 10 Minuten länger braucht, sind das insgesamt schon deutlich über 20.000 Stunden, die jeden Tag im Stau verloren gehen.
So kämen sehr schnell sehr hohe Summen zusammen. Frau Dr. Bross erklärt: “Jeder Zeitverlust verursacht Kosten.” Und dennoch beurteilen es beide Experten als sinnvoll, dass gerade jetzt so viele Maßnahmen durchgeführt werden – es sei sogar notwendig. “Es ist kein Zufall, dass sich gerade so viel häuft”, erklärt Baureferent Jan Krasko: “Mannheim und Ludwigshafen verfolgen hier eine gemeinsame Strategie.”
Gewaltige Herausforderung steht bevor
Ab 2018 soll die Hochstraße in Ludwigshafen abgerissen werden und durch eine ebenerdige Straße ersetzt werden – ein Mammutprojekt. Die Kosten sind explodiert: 2006 ging man noch von 56,9 Millionen Euro aus. Inzwischen werden rund 300 Millionen Euro für die Maßnahme veranschlagt. Allein die Planungskosten belaufen sich auf über 30 Millionen Euro. Diese Kosten muss Ludwigshafen selbst tragen.
Die Stadt hofft auf Zuschüsse – feste Zusagen gibt es aber noch nicht. Aus eigener Kraft sei das Projekt nicht zu bewältigen, heißt es von Seiten der Stadt. Man brauche unbedingt Geld vom Land und vom Bund. Ansonsten würde eine der beiden Rhein-Brücken entfallen. Mit dramatischen Konsequenzen für die Metropolregion.
Die Bauzeit wird wohl etwa acht Jahre dauern. Während dieser Zeit werden auf jeden Fall einzelne Spuren der Konrad-Adenauer-Brücke gesperrt werden müssen. Schon das wird den Verkehr deutlich ins Stocken bringen. Allerdings ist außerdem ebenfalls möglich, dass die Hochstraße komplett für den Verkehr gesperrt werden muss. Sie befindet sich in einem dermaßen desolaten Zustand, dass ein weiteres Befahren zu riskant werden könnte.
Horrorszenario Vollsperrung
In diesem Fall würde die Konrad-Adenauer-Brücke als Verbindung zwischen Mannheim und Ludwigshafen komplett entfallen – “Dann droht uns der Kollaps”, kommentiert Herr Vogel. Frau Dr. Bross sagt zu diesem Szenario:
Das will man sich gar nicht ausmalen. Die Städte würden ertrinken im Verkehr.
Dieser Fall ist nach Angaben der Stadt Ludwigshafen “unwahrscheinlich, aber nicht ausgeschlossen”. Die Vollsperrung ist ein Horrorszenario – aber auch wenn alles gut läuft, werden die Jahre 2018 bis 2026 zu einer gewaltigen Herausforderung für die Metropolregion.
Dritte Rheinbrücke?
Weil allein durch die Baumaßnahmen an der Hochstraße eine “enorme Belastung” bevorsteht, wolle man schon jetzt so viel wie möglich jetzt abarbeiten, um während der Bauzeit nicht zusätzlich durch andere Maßnahmen belastet wird, erklärt Herr Krasko.
Das sehen auch die IHKs als ein sinnvolles Konzept an. Die Häufung von so vielen Baustellen gleichzeitig sei zwar unglücklich, sagt Frau Dr. Bross. Sie seien aber nachvollziehbar und notwendig. Herr Vogel wirft der Politik vor, zu lange untätig gewesen zu sein:
Wir fordern bereits seit Jahrzehnten eine dritte Rhein-Querung.
Er beruft sich auf ein Gutachten von 2007, demzufolge der wirtschaftliche Gewinn durch eine weitere Brücke etwa 40 Millionen Euro betragen würde – pro Jahr. Und diese Schätzung sei “noch konservativ”. Somit würden sich die Investitionskosten schnell amortisieren. Mit einer dritten Brücke würde man sich außerdem gar keine Gedanken um einen drohenden Kollaps machen müssen, findet Herr Vogel.
Für die Bauarbeiten an der Hochstraße käme eine dritte Brücke “jetzt natürlich zu spät”. Dennoch sei sie langfristig “absolut notwendig” für die Metropolregion. Auch Frau Dr. Bross findet: “Die dritte Rheinbrücke muss wieder auf die Tagesordnung”. Das Thema müsse wieder diskutiert werden. Herr Vogel kommentiert: “Je länger wir damit warten, desto mehr entgeht uns.”