Mannheim, 29. Mai 2015. (red/cb) Bürgermeisterin Felicitas Kubala und Sven-Uwe Hantel von der Deutschen Bahn eröffneten am Donnerstag die Ausstellung „Die Unsichtbaren“ im Mannheimer Hauptbahnhof. In 25 Portraitfotos beschreibt der Fotograf Reto Klar zusammen mit seiner Kollegin Ute Keseling die Geschichte von Obdachlosen am Berliner Bahnhof Zoo. Spannend und bedrückend zugleich wird dabei ein Thema angesprochen, das man sonst lieber übersieht. Noch bis zum 08. Juni können Bahnhofsbesucher oder Interessierte die Bilder, Zitate und Texte betrachten und auf sich wirken lassen.
Von Carolin Beez
Sie begegnen einem fast täglich. Sie sitzen an Häuserecken, auf ihren Decken, mit ihren Hunden. Vor ihnen steht der Becher für das Kleingeld. Man kennt dieses Bild. Man sieht die Not. Man weiß, sie sind da. Und trotzdem schlägt man beim Vorbeigehen die Augen nieder und lässt sie sitzen. Aber wer steckt hinter diesen Menschen, die auf der Straße leben, die in unserer Gesellschaft immer da sind und doch irgendwie untergehen? Mit dieser Frage beschäftigt sich die neue Ausstellung im Mannheimer Hauptbahnhof.
Der Fotograf Reto Klar zeigt zusammen mit Uta Keseling, eine Reporterin der Berliner Morgenpost, in „Die Unsichtbaren“ eine Ausstellung mit 25 schwarz-weiß Bildern. Auf ihnen sind Menschen im Portrait abgebildet. Manche von ihnen lächeln, manche schauen sehr ernst. Alle erzählen eine Geschichte. Es sind Obdachlose, die in der Bahnhofsmission am Berliner Bahnhof Zoo Hilfe suchten.
52 verschiedene Geschichten
Hier hatten der Fotograf und seine Kollegin im vergangenen Winter die Möglichkeit den Alltag in der Bahnhofsmission zu begleiten. Im Heizungskeller, der ihnen für das Projekt zur Verfügung gestellt wurde, trafen sie sich dann mit insgesamt 52 Obdachlosen, unterhielten sich auf Augenhöhe, lernten ihre Geschichten kennen und hielten sie mit Fotos fest.
Die Ausstellung zeigt deutlich, dass die „Unsichtbaren“ auf unseren Straßen gar nicht unsichtbar sind,
erklärt Sven-Uwe Hantel, der Konzerbevollmächtigte der Deutschen Bahn für das Land Baden-Württemberg, bei der Eröffnung im Mannheimer Hauptbahnhof. Denn nicht die Obdachlosen seien unsichtbar, stattdessen seien es die Menschen, die wegschauen und sich nicht interessieren, die sie unsichtbar machen.
Katy, 25 (ganz vorne):
Ich finde, es sollte mal jemand aufschrieben, was Obdachlosigkeit für die Menschen bedeutet. Der Staat behandelt Leute wie mich wie Dreck. Ich bin schwer krank, unheilbar. Durch die Straße. Ich bin abgerutscht, wie man so sagt.
– Die Zitate unter den Bildern schlagen den Betrachtern wie eine Faust ins Gesicht.
Was man mit der Ausstellung nicht erreichen wolle, sei Mitleid. Viel mehr sei sie dafür da, die Hemmschwelle zwischen den Menschen abzubauen und in den Köpfen der Menschen zu verankern, dass man keine Angst voreinander haben müsse, sagt Felicitas Kubala, Bürgermeisterin für Umwelt und Bürgerdienste der Stadt Mannheim. Viele Menschen blieben schon bei der Ausstellungseröffnung stehen und betrachten die Bilder mit den darunter stehenden, einschneidenden Zitaten.
Wegschauen ist leicht
Schnell beschleicht einen als Betrachter ein mulmiges Gefühl. Vermutlich kann sich jeder an eine Situation erinnern in der er Menschen wie die auf den Bildern verurteilt hat. Wie man lieber auf die andere Seite der Straße geschaut hat, anstatt sich zu überlegen, wer denn da eigentlich sitzt. Wenn man dann mit den ungerechten und schweren Schicksalen der Menschen konfrontiert wird, macht einem das eigene Schuldbewusstsein zu schaffen.
Patrick, 20 (links):
Wo ich heute Nach schlafe? Gute Frage. Ich bin aus Bremerhaven und seit drei Jahren auf der Straße. Momentan bin ich mit Punks unterwegs, da ist man nicht allein.
Belinda 28 (rechts):
Ich bin vor eineinhalb Wochen mit meinem Freund aus Chemnitz hergekommen. Wir hatten eine Wohnung, aber wir mussten raus, weil der Vermieter sie verfallen ließ. Jetzt schlafen wir in einer alten Fabrik. Die wird aber demnächst abgerissen. Mein größter Wunsch ist, dass mein Freund und ich unser Kind Kind wiederbekommen. Es lebt bei Pflegeeltern.
An insgesamt sieben Bahnhöfen, verteilt in ganz Deutschland, wurden „Die Unsichtbaren“ bereits gezeigt, darunter Berlin, Essen, Frankfurt am Main und Stuttgart. An jedem dieser Bahnhöfe gibt es eine Bahnhofsmission wie die am Bahnhof Zoo, oder andere Vereine wie die Caritas oder die Deutsche Bahn Stiftung. Täglich werden hier Obdachlose von zu meist ehrenamtlichen Mitarbeitern betreut, beraten und versorgt.
Hilfe durch die Caritas
Im ersten Moment ginge es darum, die Obdachlosen mit Essen und Kleidung zu versorgen, sagt Rainer Leweling. Gerade im Winter sei es wichtig, dass die Obdachlosen warme Mahlzeiten bekämen. Außerdem stelle die Caritas eine medizinische Erstversorgung zu Verfügung.
Viele Obdachlosen haben aufgeschürfte Füße oder andere Verletzungen, die versorgt werden müssen.
Zu einem normalen Arzt könnten sie damit nicht gehen, da sie nicht versichert seien, erklärt Herr Leweling. Bei der Caritas werden sie dann von einem Arzt, auch ohne Krankenversicherung, untersucht und versorgt. Es sei den Mitarbeitern auch ein großes Anliegen einen Einstieg zurück in das „normale“ Leben zu ermöglichen, soweit das Interesse vorhanden ist. Zwischen 30 und 40 Menschen werden bei der Caritas täglich versorgt.
Dank an ehrenamtliche Helfer
Zum Dank für ihre Arbeit überreichte Sven-Uwe Hantel bei der Eröffnung der Ausstellung im Namen der Deutschen Bahn einen Scheck über 500 Euro an die anwesenden ehrenamtlichen Helfer der Caritas und der Mannheimer Bahnhofsmission.
Obdachlosigkeit ist ein wichtiges Thema, das durch die Ausstellung „Die Unsichtbaren“ in das Bewusstsein der Menschen gerufen wird. Es geht den Künstlern hierbei nicht darum, dass man „dieses Problem sofort beseitigen soll“, sondern darum, dass man sich nicht davor verschließt und mit offenen Augen durch die Welt geht. Herr Hantel sagte abschließend bei der Eröffnung:
Einfach mal hinsehen und den Menschen erkennen.