Mannheim/Rhein-Neckar, 27. September 2019. (red/pro) Nach der Rettung ist vor dem Aus. Der Regionalfernsehsender RNF hat erneut Insolvenz angemeldet, nachdem der Investor Dr. Haas-Gruppe (Mannheimer Morgen) kein Kapital mehr zur Verfügung stellt. Aktuell geht der Sendebetrieb weiter – wie lange, ist unklar. Sollte das RNF abgewickelt werden, geht das nicht nur auf Kosten der Mitarbeiter – das wird einen gesellschaftlichen Schaden nach sich ziehen.
Kommentar: Hardy Prothmann
Regelmäßige RNB-Leserinnen und Leser wissen – ich habe das RNF schon häufig kritisiert.
Meistens in der Sache wegen journalistischer Fehler, manchmal auch persönlich. Insbesondere bei Bert Siegelmann, Mister RNF, habe ich mich im vergangenen Jahr persönlich entschuldigt, was dieser souverän angenommen hat. Nicht für die Kritik, aber für die Polemik.
Das bevorstehende Ende des Regionalsenders RNF folgt ökonomischen Gesetzen. Wenn die Einnahmen die Ausgaben nicht decken, dann ist halt Schicht im Schacht.
Aktuell wurde durch den Geschäftsführer Ralph Kühnl Insolvenz angemeldet, das Amtsgericht Mannheim hat den Anwalt Steffen Rauschenbusch als Insolvenzverwalter bestellt. Beide werden daran arbeiten, die Insolvenz abzuwenden. Aber die Chancen stehen schlecht, auch, wenn Herr Kühnl meint: “Das Team ist der Hammer, die arbeiten nach dem Motto: Jetzt erst recht.”
Ich wäre gerne bei Herrn Kühnl, den ich menschlich und als Kollegen schätze, aber ich habe bislang wenig Hoffnung – Sie können das verändern, wenn Sie bis zum Ende lesen.
Die Sendung “RNF life” vom 26. September 2019 sollte sich jeder anschauen. Hier wird der Dr. Haas-Geschäftsführer Florian Kranefuß gegrillt. Dieser erklärt eine missverständliche Medieninformation der Medien-Gruppe und Auskünfte einer Mitarbeiterin mit einer Art “menschlichem Versagen”.
Kommt vor – aber bei einem professionellen Kommunikationsunternehmen? Erst veröffentlicht die Dr. Haas-Gruppe eine Pressemitteilung über das Ende des Engagements, bevor die 31 Mitarbeiter des RNF informiert worden sind und dann folgt noch die Auskunft, der Sendebetrieb werde eingestellt, durch eine Person, die dazu “nicht autorisiert” war? Das ist, mit einem Wort, erstaunlich.
Noch sendet das RNF.
Die Ausführungen von Herrn Kranefuß man glauben oder auch nicht. Mit dem Ende des “Engagements” und falls es mit dem RNF weitergehen sollte, ist man nicht mehr Teil der Dr. Haas-Gruppe, sondern Konkurrent am Werbemarkt, der immer noch wichtigsten Einnahmequelle für Medienunternehmen.
Sehr interessant ist auch, dass Herr Kranefuß, der erst seit kurzem Geschäftsführer der Dr. Haas-Mediengruppe ist, durchblicken lässt, dass die Gruppe selbst wenig finanzielle Luft hat.
Nach offiziellen Angaben hat die Gruppe rund 1,2 Millionen Euro in rund acht Monaten in den Sender investiert, aber die Gesellschafter sind nicht mehr bereit, mehr Geld zu geben.
Das kann heißen, dass kein Geld mehr vorhanden ist oder, dass die Gesellschafter eher an Rendite interessiert sind und nicht an einem zusätzlichen Angebot, damit die Gesellschaft sich eine Meinung bilden kann.
Zwischenbemerkung: Sie alle können davon ausgehen, dass die Gesellschafter über Jahrzehnte Traumrenditen eingefahren haben.
Das “Flaggschiff” der Gruppe, der Mannheimer Morgen, verliert seit Jahren teils massiv über Branchendurchschnitt an Auflage.
Die Zitrone liefert aber noch Saft, also Rendite.
Wenn auch immer weniger. Während man dem RNF aktuell nach 1,2 Millionen Euro Invest den Geldhahn abdreht, investierte man nach RNB-Informationen in die “Headline24”-Portale rund neun Millionen Euro.
Sprich: Man investiert lieber in boulevardeske “Blut-und-Sperma”-Themen, als in regional substanzielle Information. Das kann man so machen – aber die Folgen werden dramatisch sein. Für die öffentliche Meinungsbildung.
Wer aufmerksam hinschaut, muss bemerken, dass man über traditionelle Medien immer häufiger immer schlechter informiert wird. Die Gründe dafür sind teils prekäre Arbeitsbedingungen und eine “revolutionäre” Entwicklung des Internets mit verheerenden Folgen.
Das RNB wäre ohne Internet übrigens nicht am Start – und wir haben immer besser als der Durchschnitt gezahlt. Gleichzeitig haben wir immer gegen alle “Gesetze” des neuen Mediums verstoßen. Wir liefern lange Texte, wir machen kein Clickbaiting, wir forschen unsere Leserschaft nicht aus.
Das ominöse Wesen “Werbemarkt” verlangt dies aber. Man will statistische Werte über Zugriffe, Views und Clicks. Die kann man einfach steuern, gemäß der Bild-Formel TTT. Tiere-Titten-Tote. Oder man bietet Weiterklicken an oder Fotostrecken.
Damit macht sich Journalismus zu Fastfood. Hauptsache billig. Hauptsache Masse. Inhalt und Relevanz? Egal. Bestes Futter für Lügenpresse-Rufer und Fake-News-Verbreiter.
RNF-Geschäftsführer Ralph Kühnl hat einen Appell an die Wirtschaft gerichtet: Ohne Werbung kein Sender, weil fehlende Einnahmen. Damit auch keine Berichterstattung mehr.
Genauso einfach ist das. Unternehmer könnten jetzt denken, was interessiert mich ein Sender oder ein Blog?
Ich erweitere das. Was heißt das in der Konsequenz? Nur noch asoziale Medien, die im Zweifel jedes Unternehmen binnen Tagen in nicht mehr steuerbare Turbulenzen bringen, wenn es keine fundierte Berichterstattung durch Medien mehr gibt, denen Menschen vertrauen? Oder hat man bei Unternehmen Fantasien, die Öffentlichkeit ohne kritische Begleitung steuern zu können? Diese Frage und die Konsequenzen sollte man nicht nur bei Unternehmen durchdenken, sondern ganz dringend gesellschaftlich, denn das Ergebnis wird kein freier Meinungsmarkt mehr sein, sondern Zensur, Kontrolle, zentrale Steuerung..
Das RNF ist in schweren Turbulenzen und sollte der Sender eingestellt werden, wird das einen massiven gesellschaftlichen Schaden nach sich ziehen.
Das RNB ist seit Bestehen in Turbulenzen, allerdings viel schlanker aufgestellt, aber trotzdem gab es in den vergangenen Jahren immer wieder Zeiten, wo die Frage im Raum stand, abschließen oder weitermachen?
Die Dr. Haas-Mediengruppe, trotz 100-Millionen-Euro-Umsatz, ist offenbar nicht mehr in der Lage, Kapital für ein journalistisches Angebot zur Verfügung zu stellen und weiterhin ein Kandidat für eine Übernahme.
Massiv problematische Aufreger kommen hinzu.Was ist nach angeblich investigativen Berichten zu Turley oder dem SVW außer heißer Luft übrig geblieben? Inhaltlich nichts, außer der Erkenntnis, dass ein MM-Chefredakteur Dirk Lübke bis heute nicht verstanden hat, was eine regionale Zeitung ausmacht: Heimatnähe, gerne auch kritisch, aber fair.
Die Auflage der Zeitung sinkt und sinkt. Mir gefällt das gar nicht. Ich kann auch erklären, warum.
Eine Zeitung veröffentlicht wie andere Medien Inhalte. Die sind dann in der Öffentlichkeit – ganz gleich, ob richtig oder falsch, total richtig oder total falsch. Sie sind dokumentiert.
Das gilt auch für alle Informationsüberbringer, die den Anspruch haben, regelmäßig nach Regeln zu informieren.
Wenn das RNF untergeht, fehlt diese journalistische Perspektive, die ich zwar oft in der Vergangenheit kritisiert habe, die aber im Kern solide ist.
Wenn das RNB eingestellt wird – ist aktuell nicht geplant – was bleibt? Eine Rumpfberichterstattung durch den SWR, meist ohne Ortskenntnis? Ein zunehmend willkürliches Organ MM? Die Headline-Portale, haha? Die RNZ, die dem MM in nichts nachsteht?
Menschen leben vor Ort. Machen Sie sich mal ein paar Gedanken, wie die Zukunft aussieht, wenn RNF weg ist, das RNB weg ist und die Zeitungen vor Ort auch oder verkauft. Was bleibt dann? Facebook-Gruppen?
Im Gegensatz zur allgemeinen Thunberg-Panik -Welle rufe ich zur Vernunft auf. Jeden Bürger, der oder die möchte, dass das Gemeinwesen funktioniert, muss ein Interesse an journalistischer Arbeit haben, die durchaus widersprüchlich sein kann.
Spiegel online, Zeit.de, die FAZ oder ARD und ZDF interessieren sich nicht für Mannheim, Ladenburg, Hockenheim, Schwetzingen, Weinheim, Schriesheim oder Ilvesheim, um nur einige Gemeinden zu nennen außer, es geht um Mord und Totschlag. Die örtlichen Informationen zu checken, ist mühsam und nur “begrenzt” von Interesse. Aber wichtig für alle betroffenen Menschen, die vor Ort leben.
Wie für das RNF wird es auch für RNB und andere Informationsunternehmen notwendiger werden, dass Sie vor Ort Ihren Beitrag leisten.
Denken Sie bitte darüber nach. Es gibt genau keine Alternative.
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