Heidelberg/Rhein-Neckar, 24. Januar 2013. (red/aw) Der Beruf des Polizeibeamten ist aufregend und spannend. Aber er beinhaltet nicht immer nur Tatorte, Vernehmungen und Ermittlungen. Ein wichtiger Posten ist der des Pressesprechers der Polizei. Ohne ihn wäre die Arbeit für Medien erheblich erschwert. Norbert Schätzle hat im November vergangenen Jahres das Amt von Harald Kurzer übernommen, der nach achtzehn Jahren als „Gesicht“ der Polizei Heidelberg in den Ruhestand verabschiedet wurde. Für uns Anlass, den neuen „ersten Mann“ Norbert Schätzle zu seiner Tätigkeit zu interviewen.
Interview: Alexandra Weichbrodt
Herr Schätzle, Sie sind seit acht Jahren in der Pressestelle der Polizei tätig. Was muss ein Polizeibeamter Ihrer Meinung nach für diesen Job mitbringen?
Norbert Schätzle: Für die Arbeit in der Pressestelle der Polizei ist es wichtig, einen großen Erfahrungsschatz in Sachen Polizeitätigkeiten zu haben. Da wir ein relativ großes Spektrum an Sachverhalten abdecken, sollte der Beamte vorher ausreichend Erfahrungen im operativen Polizeidienst gesammelt haben. Man muss viel Fachwissen mitbringen und die Abläufe und Arbeitsweisen der Kollegen vor Ort kennen, um die Öffentlichkeit ausreichend und gut zu informieren zu können. Denn die Inhalte beschränken sich nicht nur auf einen Bereich. Das geht von der einfachen Sachbeschädigung bis zum Tötungsdelikt.
Außerdem muss man sich natürlich ausdrücken können, in Wort und Schrift. Subjekt, Objekt und Prädikat sollten keine Fremdworte sein. Eine saubere Kommunikation mit Presse, Staatsanwaltschaft und Behörden sollte schon gewährleistet sein. Ein Mitarbeiter in unserer Abteilung sollte offen und kommunikativ sein – auch in schwierigen Situationen.
Kann das prinzipiell jeder Polizist machen?
Schätzle: Jeder Polizeibeamte sollte vom Grundsatz her offen und kommunikativ sein. Allerdings ist deshalb nicht jeder Polizeibeamte gleich für die Mitarbeit in einer Presseselle geeignet. Der Einstieg dort ist meist nicht leicht und braucht Zeit. Bestimmte Regularien und Mechanismen muss man auch in dieser Abteilung erst lernen. Auch hier macht meines Erachtens erst die Erfahrung einen rundherum guten Pressesprecher aus.
„Nicht jeder ist dazu geeignet.“
Mitarbeiter der Pressestelle müssen darüber hinaus die Polizei aber auch in der Öffentlichkeit repräsentieren können. Dessen muss sich der Beamte bewusst sein.
Vor mehr als acht Jahren wurde ich von Harald Kurzer persönlich angesprochen, ob ich mir eine Mitarbeit in seinem Team vorstellen könne. Sein damaliger Vertreter hatte sich neuen Aufgaben innerhalb der Polizeidirektion zugewandt und das Sachgebiet verlassen. Bei der Auswahl der Bewerberlage hatte sich dann der Leiter der Polizeidirektion Heidelberg, Bernd Fuchs für mich entschieden.
Nach dem Weggang von Harald Kurzer sind Sie der neue Leiter der Abteilung, wie groß ist Ihr Team?
Schätzle: Unsere Sachgebiet „Öffentlichkeitsarbeit“ umfasst insgesamt vier Mitarbeiter; eine Sekretärin als „Mädchen für alles“ unterstützt uns dabei tatkräftig. Unser neuer Kollege Tobias Keilbach und ich kümmern uns ausschließlich um die Pressearbeit. Dieter Klumpp, der dienstälteste Kollege in der Öffentlichkeitsarbeit ist mein Vertreter. Er betreut und organisiert neben der Pressearbeit auch sämtliche polizeilichen Veranstaltungen, wie die alljährlichen Sicherheitswoche.
Das Team komplettiert Jürgen Engelhardt, der im „Hauptamt“ der Einstellungsberater der Polizeidirektion Heidelberg ist. In regelmäßigen Abständen werden wir auch von Praktikanten unterstützt.
Ist die Pressestelle denn ein begehrtes Tätigkeitsfeld für Polizisten?
Schätzle: Nein, nicht unbedingt. Praktikanten müssen im Rahmen ihrer praktischen Ausbildung mehrere Abteilungen durchlaufen, wenn sie möchten auch unsere. Allerdings sollten wir da nicht unbedingt die erste Anlaufstelle sein. Für den Nachwuchs ist es wichtig, die originäre Polizeiarbeit kennen zu lernen.
„Als junger Polizist hat man andere Ziele.“
Ich konnte mir früher auch nicht vorstellen, einmal bei der Pressestelle zu landen. Als junger Polizist hat man da andere Ziele. Mit einiger Erfahrung interessieren sich dann aber zu einem späteren Lebenszeitpunkt schon einige für den Job. Das ist okay, denn man braucht in dieser Position die Erfahrung aus dem operativen Dienst.
Wie sieht konkret die Pressearbeit bei der Polizei aus?
Schätzle: Wir unterscheiden dabei in aktive und reaktive Pressearbeit. Aktiv heißt, wir informieren die Medien tagtäglich über presserelevante, polizeiliche Ereignisse. Aus einer Vielzahl von Sachverhalten werden von uns geeignete Fälle zur Veröffentlichung´herausgefiltert. Als reaktive Pressearbeit beschreiben wir Medienanfragen. Wir berücksichtigen dabei die Exklusivität des anfragenden Journalisten, worauf er einen Anspruch hat.
Es gibt natürlich Aspekte, die man im Umgang mit der Öffentlichkeit berücksichtigen muss. Bestimmte Dinge können nicht immer gleich an die Presse weitergeben werden. Gerade auch im Anfangsstadium eines Verfahrens verbietet es sich, Details preis zu geben. Da könnte ein laufendes Verfahren bei einer zu offenen Pressearbeit gefährdet werden. Deshalb werden in solchen Fällen konkrete Absprachen mit der zuständigen Staatsanwaltschaft getroffen.
Grundlage für die polizeiliche Pressearbeit ist die im Grundgesetz manifestierte Pressefreiheit. Ausfluss daraus ist das Landespressegesetz, das die Behörden, somit auch Polizei und Staatsanwaltschaft unter bestimmten Einschränkungen verpflichtet, der Presse Auskünfte zu erteilen.
In der Pressestelle der Polizei zählt die Erfahrung
Wie kann man sich die Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft vorstellen? Sind Sie immer einer Meinung was die Veröffentlichung von Informationen angeht?
Schätzle: Pressemitteilungen über laufende Verfahren werden grundsätzlich mit der zuständigen Staatsanwaltschaft abgestimmt. Sicherlich wird in dem einen oder anderen Fall auch auch mal eingehender diskutiert. Letztlich kann die Staatsanwaltschaft die Richtung festlegen, da sie die „Herrin des Verfahrens“ ist. Allerdings mündet alles immer in gemeinsame Presseerklärungen von Staatsanwaltschaft und Polizei.
Insgesamt ist die Kommunikation zwischen den Pressestellen der Heidelberger Polizei und der beiden Staatsanwaltschaften in Mannheim und Heidelberg als gut und partnerschaftlich zu bezeichnen. Zur Optimierung der Pressearbeit finden auch regelmäßige Gespräche statt, wo Strategien und Arbeitsweisen besprochen werden. Mit der Staatsanwaltschaft Heidelberg werden wir in den nächsten Tagen ein solches Strategiegespräch haben.
Wie sieht ein normaler Arbeitstag bei Ihnen aus?
Schätzle: Unsere Pressestelle ist in der Regel von 7 bis 18 Uhr besetzt. Anschließend wir die Pressearbeit vom PvD, dem „Polizeiführer vom Dienst“ im Führungs- und Lagezentrum übernommen. Darüber hinaus sind wir von der Pressestelle aber auch „rund um die Uhr“ erreichbar. Bei besonderen Vorkommnissen, wie zum Beispiel Tötungsdelikten, Großbränden oder auch schweren Verkehrsunfällen werden wir auch mitten in der Nacht informiert und übernehmen auch vor Ort Pressearbeit.
Wir beginnen aber in der Regel morgens mit der Auswertung der Nacht. Wir bereiten die presserelevanten Geschehnisse auf und formulieren sie in dem sogenannten „Täglichen Pressbericht“, der in das Presseportal eingestellt wird.
Darüber hinaus findet täglich eine Medienauswertung vor, die alle polizeirelevanten Themen zusammenfasst. Gegen 8:30 Uhr findet eine Frühbesprechung statt, in der alles Wichtige abgestimmt und besprochen wird. Da klären wir, wer welchen Fall bearbeitet oder welche Themen, beispielsweise vom Wochenende, noch abgearbeitet werden müssen.
Rund um die Uhr erreichbar
Hat sich Ihre Arbeitsweise in den vergangenen acht Jahren in irgendeiner Form verändert?
Schätzle: Die acht Jahre sind wie im Flug vergangen. Vieles hat sich verändert. Während strukturell vieles gleich geblieben ist, hat sich die Medienwelt in diesem Zeitraum kolossal gewandelt. Das Internet sowie „Social Networks“ wie Facebook und Twitter hatten da großen Einfluss. Deshalb muss unsere Reaktionszeit heute natürlich deutlich schneller sein, als noch vor acht Jahren.
Vor beispielsweise achtzehn Jahren, zur Anfangszeit von Harald Kurzer, war die Arbeit noch anders strukturiert. Damals wurden die Pressemitteilungen noch per Fax verschickt; Polizei und Redaktionen waren noch nicht so vernetzt, wie das heute der Fall ist. Heute könnten wir den Informationsfluss zumindest in einfach gelagerten Fällen in wenigen Minuten gewährleisten und so die Medien auf dem Laufenden halten.
Bringt dieser schnelle Informationsfluss denn auch negative Seiten zum Vorschein?
Schätzle: Ja, denn für uns wird es natürlich immer schwieriger auf viele Mechanismen, die im Internet stattfinden, zu reagieren. Da werden wir jetzt aber auch reagieren. Landesweit hat man bereits darauf reagiert und Facebook-Auftritte der Polizeidienststellen ins Leben gerufen. Bei der Polizeidirektion Heidelberg wird derzeit ein Facebook-Auftritt vorbereitet, der in den nächsten Wochen starten wird.
Allerdings soll dier Auftritt in der ersten Phase nicht permanent sein, sondern sich an bestimmten polizeilichen Einsatzlagen, wie z.B. „Facebook-Parties“ orientieren. Darüber ist vorstellbar, dass der Account auch bei anderen Lagen wie Demonstrationen oder auch „Risiko-Spielen“ im Fußball genutzt werden kann. Eine permanente Facebook-Präsenz wird es zunächst nicht geben. Das würde momentan einfach zu viele Ressourcen binden.
Wer sind die Empfänger Ihrer Berichte? Und wie erreichen Sie diese?
Schätzle: Insgesamt sind es 80 Redaktionen, die wir aktuell betreuen. Darunter Fernsehsender, Zeitungen, Radios oder auch Blogs wie den Rheinneckarblog und seine Ortsblogs entlang der Bergstraße. Wir arbeiten mit einem Presseportal, in dem all unsere Meldungen der Polizeidirektion Heidelberg, insgesamt rund 6.000 im Jahr 2012, landesweit abrufbar sind. Herausragende Ereignisse werden zudem so schnell wie möglich per E-Mail an die Redaktionen verschickt, um schnell zu informieren.
Aber wir informieren auch betroffene Bürgerinnen und Bürger, die vielleicht aufgrund der Berichterstattung in der Presse eine direkte Nachfrage an uns richten sind. Dies ist jedoch äußerst selten.
„Sachbearbeitung geht vor Pressearbeit.“
Sie können ja nicht bei jedem Einsatz mit einem Mann vor Ort sein. Wie kommen die Informationen vom Tatort zu Ihnen?
Schätzle: Wir arbeiten mit einem System, in das alle operativen Polizeibeamte ihre Vorkommnisse einstellen. Unterteilt in die einzelnen Dienststellen, haben wir so Zugriff auf alle Fälle der Kollegen. Diese schauen wir durch und selektieren daraufhin presserelevanten Fälle für uns. In bestimmten Fällen gehen ein oder mehrere Mitarbeiter von uns auch an einen Tatort oder Unglücksort und betreuen die Medien vor Ort.
Sie legen die Schwerpunkte also selbst fest? Oder kann es auch vorkommen, dass sie Kollegen bitten über einen Sachverhalt zu berichten?
Schätzle: Ja, das kommt auch vor. Häufig ist es so, dass uns Kollegen anrufen und uns bitten, ein aktuelles Ereignis so schnell wie möglich „in die Presse zu bringen“. Besonders bei der Suche nach Zeugen oder bei Fahndungen zum Beispiel nach Vermissten, wo jede Minute zählen kann, ist dies häufig der Fall.
Wie würden Sie aus Ihrer Sicht die Medienberichterstattung aufgrund Ihrer Informationen beurteilen?
Schätzle: Die Berichterstattung hat sich durch die neuen Medien natürlich in den letzten Jahren verändert. Klar, merkt man bei manchen Medien, dass die Sensation im Vordergrund steht. Davon sind wir natürlich nicht immer begeistert. Die Informationen, die wir herausgeben sind immer sachlich und am Fall orientiert. Laufende Verfahren dürfen nicht gefährdet werden, weshalb für uns die Grundsätze gelten: Sachbearbeitung vor Pressearbeit und Genauigkeit vor Schnelligkeit.
Darüber hinaus sind für uns Persönlichkeitsrechte zu berücksichtigen, sowohl die des Opfers als auch die des Täters und deren Angehörige. Die Informationen, die von uns kommen, sind darauf abgestimmt.
Wie würden Sie das Verhältnis zwischen der Pressestelle der Polizei Heidelberg und den Medien in der Metropolregion beschreiben?
Schätzle: Wir haben mit den Medien in unserem Umfeld ein sehr gutes Verhältnis, auch bei teilweise unterschiedlichen Interessenlagen. Klar, gibt es deshalb in einzelnen Fällen immer mal Diskussionenm, aber der persönliche Umgang ist partnerschaftlich. Aus meiner Sicht ein großer Verdienst von Harald Kurzer, der diesen offenen Umgang mit der Presse maßgeblich geprägt hat in den vergangenen Jahren.
„Sex and Crime“-Delikte erzeugen Aufmerksamkeit
Gibt es Fälle, in denen Sie sich über die Berichterstattung der Presse ärgern? Etwa weil etwas übertrieben dargestellt wird, oder der Trend zur Skandalisierung neigt?
Schätzle: Nein, eigentlich nicht. Denn wir wählen die Informationen, die wir herausgeben, sorgfältig aus. Die Presse hat ihre eigene Arbeitsweise, die sich von Medium zu Medium stark unterscheidet. In den acht Jahren, die ich jetzt hier bin, wurde einmal der Presserat eingeschaltet, weil sich ein Journalist mit unlauteren Mitteln Daten und Fotos eines verstorbenen Kindes besorgt hat. Allerdings ist mir kein Fall bekannt, wo unsere „Hausmedien“, wie ich es salopp formulieren will, über das Ziel hinausgeschossen wären.
Grenzfälle gibt es immer wieder einmal, aber äußerst selten. Jeder von uns, Presse wie Polizei weiß, dass wir auch „morgen“ noch zusammenarbeiten und deshalb darf da auch keine verbrannte Erde hinterlassen werden.
Können Sie kategorisieren, welche Fälle ein besonders hohes Medienecho auslösen?
Schätzle: Sicherlich sind das „Sex and Crime“-Delikte. Gerade Tötungsdelikte aber auch Delikte, bei denen Kinder Opfer von Gewalt wurden, sind Themen, die eine breite Öffentlichkeit interessieren.
Fälle, die das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung in besonderem Maße beeinträchtigen, sind zum Beispiel Wohnungseinbrüche. Da besteht in der Regel ein sehr hoher Informationsbedarf der Bevölkerung über die Maßnahmen und Strategien der Polizei.
Wie sehr belasten Sie die Inhalte Ihrer Arbeit persönlich?
Schätzle: Das kommt immer auf den Fall an. Der Polizeiberuf im Allgemeinen bringt natürlich mit sich, dass man mit vielen Schicksalen konfrontiert wird. Wenn wir vor Ort von einem Tat- oder Unglücksort berichten, dann wahrt man schon eine professionelle Distanz und errichtet eine gewisse emotionale Barriere. Was aber auch nicht immer gelingt.
In den meisten Fällen arbeiten wir im Büro und erörtern Sachverhalte im persönlichen Gespräch mit den Ermittlern. Die Kollegen, die den Fall vor Ort aufnehmen, können da schon mehr betroffen sein. Abhängig natürlich von der Schwere der Straftat und des Ausmaßes.
Einer meiner Fälle, bei dem es um ein seit Jahren vermisstes Kind geht, berührt mich emotional besonders. Gerade deshalb, weil Kontakte zu den Angehörigen bestehen, die von Zeit zu Zeit aufgefrischt werden. Allerdings sollte man das nicht unbedingt zu nahe an sich heran lassen, sondern die professionelle Distanz wahren. Was aber in diesem Fall natürlich sehr schwer fällt.