Rhein-Neckar/Südwesten, 21. März 2016. (red/hp) Wenn die Landtagswahl am kommenden Wochenende wäre – wie viele Prozentpunkte mehr würde die CDU einbüßen? Was die CDU im Südwesten gerade abliefert, ist ein Trauerspiel, auch wenn dieser Begriff noch zu euphemistisch erscheint.
Von Hardy Prothmann
Was ist der Unterschied zwischen Grünen und CDU? Es gibt nicht wirklich einen, meinen viele und finden eine grün-schwarze Koalition irgendwie „logisch“. Das stimmt aber nicht. Es gibt große Unterschiede: Die Grünen liegen 3,3 Prozentpunkte vor der CDU, haben die CDU erstmalig in der Landesgeschichte als stärkste Fraktion abgelöst, der amtierende Ministerpräsident Winfried Kretschmann genießt im Gegensatz zum Herausforderer Guido Wolf hohe Sympathie- und Bekanntheitswerte und hat seine Partei vor allem geschlossen hinter sind, während die CDU sich intern bekriegt.

Heftige Intrigen gegen den Spitzenkandidaten Guido Wolf nach dem schlechtesten Wahlergebnis aller Zeiten für die Südwest-CDU.
Zeit der gewetzten Messer
Was die CDU sich in der Woche nach der Wahl geleistet hat, ist unglaublich. Statt sich zu besinnen und sich als klarer, aber guter Verlierer zu zeigen, werden die Messer gewetzt und Zwist gesät.
Die Junge Union Nordbaden will Herrn Wolf weghaben, ebenso einige frühere CDU-Größen und einige, die dass noch werden wollen und die Partei unter Führung von Thomas Strobl redet der Fraktion und dem neu gewählten Fraktionsvorsitzenden Guido Wolf rein.

Thomas Strobl hatte gegen Guido Wolf als Spitzenkandidat verloren und sucht nun die zweite Chance, den Konkurrenten los zu werden.
Die Junge Union Südbaden hält dagegen, aber ansonsten ist es sehr einsam geworden um Guido Wolf. Mögliche Dreierbündnisse hält niemand für sinnvoll, eine von der FDP „gestützte“ Minderheitsregierung oder Neuwahlen ebenso wenig, also bleibt nur grün-schwarz. Geht es nach den Strippenziehern aber ohne Herrn Wolf.
CDU von der traurigen Figur
Wie hat man sich das vorgestellt? Wie stellt man sich vor, dass die Öffentlichkeit auf diese CDU blickt? Als Chaostruppe deutscher Utopisten? Wie will man mit diesem Hickhack eine starke Verhandlungsposition gegenüber den Grünen erreichen?
Diese Chance ist vertan. Kretschmann kann sich die Hände reiben, weil er die CDU an der Nase durch den Ring führen kann, wie er will. Und die wird sich führen lassen, denn im Falle von Neuwahlen müssen die Konservativen einen brutalstmöglichen Absturz auf das Niveau der SPD fürchten – zugunsten der AfD, die dann locker über 20 Prozent holen könnte. Oder sogar in Richtung 30 Prozent?
Null Plan, null Disziplin
Wer der AfD in die Hände spielen will, macht es wie die CDU zur Zeit. Man zeigt sich Ränke schmiedend, plan- und kopflos.
Anstatt sich intern zusammenzuraufen und sich nach außen geschlossen zu zeigen, präsentiert man eine heillos zerstrittene Partei ohne Verantwortlichkeit. Klar war, dass die Juniorrolle nichts ist, was sich die CDU gewünscht hat und was man durchaus als „Schmach“ empfinden kann. Aber Kämpfer zeichnen sich dadurch aus, dass sie auch eine Niederlage hinnehmen können und weitermachen. Mit Plan und Disziplin.
-Anzeige- |
Die Lage der CDU ist alternativlos. Sie muss Juniorpartner der Grünen werden, will sie Neuwahlen und den Totalabsturz verhindern. Allerdings war der größtmögliche Schaden nicht das denkbar schlechteste Wahlergebnis aller Zeiten, sondern das Verhalten in den Tagen danach.
Wolf oder Strobl – einer muss sich zurückziehen
Jetzt muss ein Kopf rollen: Strobl oder Wolf. Der Treiber hinter den Kulissen ist Strobl – sollte er sich durchsetzen, wird die Fraktion als machtlos und deren Vorsitzende(r) als fremdgesteuert dastehen. Am Ende muss Wolf gewinnen, wenn die CDU als vernünftige Partei wahrgenommen werden will.
Herr Wolf hat sich schon einmal gegen Strobl als Kandidat durchgesetzt. Ob ein Herr Strobl als Wahlkämpfer weniger oder mehr verloren hätte, weiß niemand. Beide Kandidaten sind zu schwach gegen einen Winfried Kretschmann – das ist einfach so. Damit muss man sich abfinden, statt sich der Lächerlichkeit preiszugeben. Wer innerhalb der CDU in „Machtkategorien“ denkt, ist ein Utopist – und davon gibt es viele. Gefördert wird damit vor allem eine weitere Unzufriedenheit mit der Union und vor allem Politikverdrossenheit.
Herrn Wolf ist aber eher zuzutrauen, sich in den kommenden fünf Jahren als verlässlicher Landespolitiker zu profilieren, der sein Ziel, Ministerpräsident zu werden, dann eben im zweiten Anlauf erreichen will.

Gefallen Ihnen unsere Montagsgedanken? Hier gibt es mehr davon.
Anm. d. Red.: Unsere Kolumne Montagsgedanken greift außerhalb des Terminkalenders Themen auf – ob Kultur oder Politik, Wirtschaft oder Bildung, Gesellschaft oder Regionales oder Verkehr. Teils kommen die Texte aus der Redaktion – aber auch sehr gerne von Ihnen. Wenn Sie einen Vorschlag für Montagsgedanken haben, schreiben Sie bitte an redaktion (at) rheinneckarblog.de, Betreff: Montagsgedanken und umreißen uns kurz, wozu Sie einen Text in der Reihe veröffentlichen möchten. Natürlich fragen wir auch Persönlichkeiten an, ob sie nicht mal was für uns schreiben würden…
Gefallen Ihnen unsere Artikel?
Dann machen Sie andere Menschen auf unser Angebot aufmerksam. Und wir freuen uns über Ihre finanzielle Unterstützung als Mitglied im Förderkreis – Sie spenden für informativen, hintergründigen Journalismus. Hier geht es zum Förderkreis.