Rhein-Neckar, 19. August 2019. (red/pro) Ich bin am Sonntag, den 18. August 2019 gegen 20 Uhr erschossen worden. Mich tragen zwei Kugeln. Warum? Ich hatte einen Mais-Dieb in seinem Luxus-BMW fotografiert. Der fand das nicht lustig, deshalb musste ich sterben.
Von Hardy Prothmann
Wenn ich im Ausland gefragt werde, was ich an Deutschland vor allem schätze, dann erkläre ich regelmäßig, dass man fast überall in Deutschland zu jeder Tages- und Nachtzeit auf die Straße gehen kann, ohne Angst um Leib und Leben haben zu müssen.
Nicht erst aktuell, sondern seit geraumer Zeit denke ich darüber nach, ob ich dieses „Narrativ“ noch aufrecht erhalten kann.
Am Sonntag, den 18. August 2019, hat mich ein südosteuropäisch oder vielleicht auch arabisch und hier möglicherweise libanesischer Typ erschossen. Er zielte und feuerte zwei Kugeln auf mich ab. Symbolisch, mit einer zur Pistole geformten Hand.
Der Ablauf: Ich war in Weinheim und auf dem Rückweg nach Hause. Neben einem Maisfeld bemerkte ich einen teuer aussehenden Wagen. Plötzlich kam eine Frau aus dem Maisfeld und trug mit vollen Armen Maiskolben zum Kofferraum des Luxus-Schlittens. Die Frau sah phänotypisch nach „fahrendem Volk“ aus, wobei das heute nicht immer so ganz einfach zu unterscheiden ist.
Ich fuhr situativ bedingt vorbei und wollte eine Runde drehen, um die Situation zu fotografieren. Doch auf dem Weg zurück stand ein Luxus-BMW mit Frankfurter Kennzeichen mitten auf dem Weg und der Fahrer klaute mit seiner Beifahrerin ebenfalls Mais aus dem Feld.
Ein Auto vor mir fuhr auf, hupte, der BMW-Fahrer machte Platz und fuhr rechts ran. Ich daneben und fotografierte das Auto und fuhr weiter – das andere Fahrzeug war schon weg. An einer Auffahrt musste ich mich entscheiden, links oder rechts? Ich wählte die Richtung nach Hause.
Dann bemerkte ich den BMW hinter mir, der schnell auffuhr und keinen Abstand hielt. Im Spiegel beobachtete ich das Verhalten und dachte, der überholt jetzt – aber das ging nicht wegen des Gegenverkehrs.
Einen Kreisverkehr durchfuhr ich sehr sportlich. Mein Auto hat zwar „nur“ 150 PS, aber es ist leicht und steif und damit insbesondere in kurvigen Situationen PS-protzenden Schlitten zunächst überlegen.
Der BMW fiel zurück und beschleunigte dann erheblich. Vor mir ein Auto, dazu Gegenverkehr, kein Überholmanöver möglich.
Dann kam eine Ampel.
Der BMW fuhr neben mich. Stoppte, setzte in einer Autobahnauffart zurück, ließ die Scheibe runter und dann hob der Typ ein Smartphone hoch, zeigte auf mich und formte seine Hand zur Pistole: Peng, peng, Du bist tot, war die Nachricht.
Als ich die Polizei per Notruf über die Situation informieren wollte, meinte die Beamtin, für sowas sei der Notruf nicht da, ich solle doch bitte zum nächsten Polizeirevier fahren und eine Anzeige machen, den schließlich könne man den Halter feststellen, wenn ich das Nummernschild hätte.
So ist das in Deutschland 2019. Ein Typ, der einen Luxus-Schlitten fährt, wird beim Klauen von Mais erwischt und fotografiert. Er verfolgt eine Person, fährt gefährlich und bedroht jemanden unzweideutig mit dem Tod.
Das ist anscheinend eine ganz normale Erfahrung, die keinen Notruf rechtfertigt.
Was soll ich tun? Mich einfach so mit dem Tod bedrohen lassen oder Anzeige erstatten, wodurch der Typ meine Adresse erfährt und ich tatsächlich in Gefahr gerate? Wie viele solcher Situationen gibt es, auf die aus Angst keine Anzeige erfolgt?
Jeder, der mich kennt, weiß, wie ich reagiere. Selbstverständlich erstatte ich Anzeige. Und selbstverständlich gehe ich davon aus, dass ich nicht wegen ein paar Maiskolben erschossen werde.
Allerdings ist das nicht auszuschließen – denn wer auf Basis der geschilderten Tatsachen bereit ist, jemanden mit dem Tod zu bedrohen, der macht das vielleicht auch wahr. Würde er das nicht tun, wäre er ja ein Vollhonk, der nur droht, aber nichts drauf hat.
Und wer aus diesem Milieu wäre nicht bereit, „seine Ehre zu verteidigen“?