Rhein-Neckar, 19. Oktober 2019. (red/pro) Parteien, Politiker, Unternehmen, Vereine, Behörden – sie alle nutzen zunehmend Facebook-Seiten, um ihre Inhalte zu präsentieren. Klingt zunächst mal gut, ist es aber nicht. Denn Facebook entwickelt sich seit langer Zeit zum asozialen Medium. Es wird für politische Kampagnen missbraucht, Nutzer senden Hass-Botschaften, sogar unter Klarnamen. Grund genug, dieser Plattform keine unserer Inhalte mehr zur Verfügung zu stellen.
Von Hardy Prothmann
Nach reiflicher Analyse haben wir aus mehreren Gründen entschieden, unsere Facebook-Seite zu schließen. Der wichtigste Grund ist ein Dauergrund: Wir müssen immer ein Auge auf die Seite haben, um zu schauen, wer dort wie kommentiert. Ein Beispiel: Als wir einen RNB-Artikel gepostet haben, in dem vom Tod des Mörders der 15-jährigen Mia in Kandel berichtet wurde, lautete der erste Kommentar: “Das ist doch mal eine gute Nachricht.”
Der Tod eines Menschen als “gute Nachricht”? Wie innerlich verroht muss man sein, um dann später noch gegen andere Kommentare nachzulegen, dass sich dieser User von seiner Sicht nicht abbringen lässt?
Fast zu jedem Text gab es unterirdische Kommentare, ganz egal, um welches Thema es geht – es findet sich immer jemand, dem kompletter Blödsinn oder Widerwärtiges einfällt.
Diese Kontrolle kostet viel Zeit und Kraft, um diesen Dreck nicht an sich heranzulassen.
Weiter ist das Geschäftsmodell von Facebook ein Desaster und es ist eine Fehlannahme, dass man hier gutes Marketing betreiben kann. Denn der Algorithmus von Facebook macht vor allem die Posts für Nutzer sichtbar, die beworben werden. Wir als Informationsmedium erarbeiten also Inhalte, die wir Facebook kostenlos geben und für die wir noch Geld ausgeben müssen, damit man Reichweite erzielt. Das mag sich hier und da rechnen, für uns nicht.
Rund 15 Prozent der Leserinnen und Leser kommen über Facebookposts auf unsere Homepage. Diese Reichweite werden wir zunächst verlieren. Na und? Dafür haben wir mehr Zeit, die wir nicht in die Kontrolle von Kommentaren stecken müssen, sondern die wir in den Inhalt von Artikel investieren. Das wird uns rund 25 Stunden pro Monat freimachen.
Auch bei uns kann man kommentieren, aber wir entscheiden, welche Kommentare wir freischalten und welche nicht.
Klingt nach Zensur? Ist es. Und die wird sogar gesetzlich gefordert, denn die Meinungsfreiheit umfasst nicht die Beleidigung oder Verunglimpfung von Menschen oder Hass und Hetze gegen andere. Unter Umständen fällt man als Seitenbetreiber unter die “Störerhaftung”. Facebook ist also noch ein juristisches Risiko.
Auf der RNB-Facebook-Seite gab es seit langem wenig miese Kommentare – aber nur, weil wir lange hart moderiert haben, bis die Dummschwätzer und Hass-Poster sich andere Seiten gesucht haben, weil sie bei uns konsequent gesperrt wurden. Fast 2.000 Nutzer haben wir in den vergangenen drei Jahre gesperrt.
Was viele Nutzer auch nicht verstehen – Facebook späht in enormem Umfang deren Daten aus. Was mit den Daten im einzelnen geschieht, ist unklar. Klar ist, dass der Algorithmus die Daten zum Beispiel auswertet, um zu erkennen, welche anderen Posts man mit einem Like versieht, was man kommentiert und liest. Dementsprechend bietet die Maschine dem Nutzer an, was ihn interessieren könnte. Statt sich umfassend zu informieren, läuft man im Hamsterrad der Echokammer. Wer das nicht versteht, den wundert es auch nicht, dass man viele Postings angezeigt bekommt, die man durch sein Verhalten durch die Maschine zugewiesen bekommt. So hat man den Eindruck, dass auch andere genau dasselbe interessiert und es scheinbar viele Nachrichten zu diesem Thema gibt.
Insbesondere Medien fallen bis heute darauf selbst herein und die Redaktionen freuen sich wie die blöde, wenn ein Beitrag sehr viele Likes und Kommentare erhält. Zugegeben, dass ging uns anfangs auch so. Wer sich aber näher mit dem Thema beschäftigt, wird feststellen, das es viele gute Gründe gibt, nicht darauf hereinzufallen.
Im März 2019 sollen in Deutschland rund 32 Millionen Menschen Facebook genutzt haben, in Österreich und der Schweiz zusammen nochmals acht Millionen. Wer also 300 Kommentare von 40 Millionen potenziellen Lesern erhält, hat wie viel Prozent erreicht? Viel Spaß beim Ausrechnen.
Die Zahl erscheint nur hoch, ist aber gering. Hat man häufig Posts, die diese Zahl erreichen, wächst auch der Aufwand enorm, wenn man die Seite pflegt und widerliche Kommentare löscht und Nutzer sperrt. Machen viele aber nicht. Anständige Leute, die dann diesen ganzen Mist lesen, werden sich schnell angeekelt abwenden. Wer genau hinschaut, erkennt, dass es häufig dieselben Kommentatoren sind, die meist nur einen Bruchteil der Seiten-Abonnenten ausmachen. Oder es werden Kampagnen gefahren. Wofür also der ganze Aufwand – um den Umsatz von Facebook zu steigern?
Es gibt noch sehr viel mehr Argumente, in der Summe übersteigen die negativen Aspekte die positiven erheblich. Warum sollten wir da also weiter mitmachen?
Das RNB ist die erste oder eine der ersten Redaktionen in Deutschland, die diese Entscheidung getroffen hat. Wir freuen uns auf unsere Leserinnen und Leser auf unserer Homepage, wir freuen uns über solide Meinungsäußerungen oder den Austausch von Argumenten in den Kommentaren und über die hinzugewonnene Zeit, die wir in Artikel und Inhalte stecken können.
Was wir weiter nutzen, ist Twitter. Sie finden uns hier.