Baden-Baden/Stuttgart, 17. März 2017. (red/pro) Freizeit oder Bereitschaft? Das ist die Frage für mehrere tausend Polizisten, die zur Absicherung des Treffens der G20-Außenminister in Baden-Baden im Dienst sind. Die allermeisten werden in der Umgebung untergebracht und nach Dienstende auf „Freizeit“ gesetzt – doch wie frei ist dies Freizeit? Gar nicht, meint die Gewerkschaft der Polizei. Passt alles, meint das Innenministerium.
Der Mannheimer Gewerkschaft der Polizei (GdP)-Vorsitzende Thomas Mohr kocht:
Alle reden immer gerne vom Respekt vor den Polizeibeamten, wenn es aber um die Arbeitszeiten geht, kann ich keinen erkennen.
Worum geht es? Um Arbeit oder Freizeit. Wie ist zu bewerten, wenn Polizeibeamte ihren Dienst beenden, aber in Sammelunterkünften oder Hotels übernachten müssen – von wo aus sie jederzeit wieder in den Dienst gerufen werden können?
Das Innenministerium meint, „Ruhezeit“ sei unabhängig davon, ob man im Hotel oder zuhause übernachte. Die GdP meint, Freizeit sei Zeit, die man frei verbringen könne, was bei einer derartigen Unterbringung nicht der Fall sei, da jederzeit der Zugriff auf die Beamten möglich sei, wenn es „rumple“.
Konkret geht es um die Frage, ob und wie Arbeitszeit angerechnet wird:
Wenn die Kollegen gesammelt untergebracht sind, sind sie eben nicht in der Freizeit. Sie können nichts mit ihrer „freien Zeit“ anfangen und sind jederzeit wieder reaktivierbar, deshalb ist das aus unserer Sicht Bereitschaft, die angerechnet werden muss,
sagt Thomas Mohr. Die GdP wollte deswegen gar Busse organisieren, um die Kollegen nach Dienstende nach Hause zu fahren, damit sie nicht in den Unterkünften untergebracht werden und echte Freizeit hätten. Angeblich soll es „Ansagen“ von Hundertschaftführern gegeben haben, dass, wer sich aus den Sammelunterkünften entferne, das in seiner Beurteilung wiederfinden würde.
Aus dem Innenministerium heißt es auf Anfrage:
Es sind Situationen denkbar, bei denen man mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit davon ausgeht, dass der dienstliche Einsatz in einem bestimmten Zeitraum erforderlich wird, es aber gleichzeitig nicht notwendig ist, dass die Beamtin/der Beamte in diesem Falle den Dienst jederzeit unverzüglich aufnimmt. Für solche Fälle gibt es – wie im allgemeinen Arbeitsrecht auch – die Möglichkeit, Rufbereitschaft anzuordnen. Die Beamten müssen dann in der Lage sein, den Dienst alsbald aufzunehmen. Nach europäischem und nationalem Recht ist die Zeit reiner Rufbereitschaft aber als Ruhezeit klassifiziert. Für die Anordnung von Rufbereitschaft bedarf es aber keiner „Sondergenehmigung“, es gilt die Verwaltungsvorschrift des Innenministeriums zur Durchführung beamtenrechtlicher Vorschriften (BeamtVwV). Muss ein Beamter in diesem Fall den Dienst aufnehmen, kann es sein, dass er die vorgeschriebenen Mindestruhezeiten unterschreitet. Wenn es aber einsatztaktisch trotzdem zwingend erforderlich ist, dass eben dieser Beamte den Dienst aufnimmt, muss dies auch möglich sein. In Einklang mit europäischem wie nationalen Recht hat das Innenministerium mit dem Hauptpersonalrat der Polizei Ausnahmeregelungen vereinbart, die diese Einsatzmöglichkeit sicherstellen und gleichzeitig den erforderlichen Ausgleich für Ruhezeitunterschreitungen gewährleisten.
Was nun? Gibt es einen Ausgleich oder nicht? Das konnten wir nicht eindeutig recherchieren. Offenbar müssen die Beamten gegenüber dem Dienstherrn Land Baden-Württemberg um jede Anerkennung der Einsatzbereitschaft ringen und erreichen das nur mit Druck. Zwischen zwei Einsätzen müssen eigentlich mindestens elf Stunden Zeit liegen.
Lkw-Fahrer, die ihre Ruhezeiten unterschreiten, erhalten bei Kontrollen durch die Polizei entsprechende Strafen. Doch wer kontrolliert Ruhezeitunterschreitungen bei der Polizei? Die Polizei nicht.
Respekt geht anders.