Rhein-Neckar/Weinheim/Mannheim, 15. November 2015. (red/pro) Die Mobilisierung antifaschistischer Gruppen gegen den NPD-Bundesparteitag geht in die Endphase. Die Szene ist hochgradig emotionalisiert und zeigt sich durchweg hochgradig aggressiv. Es wird zum Widerstand „mit allen Mitteln“ aufgerufen. Friedliche Gegendemonstranten müssen zunehmend mit einer persönlichen Gefährdung rechnen. Die Strategie von Stadt und lokalen Bündnissen auf einen „gewaltfreien Widerstand“ gegen die rechtsextreme NPD wird immer unwahrscheinlicher.
Von Hardy Prothmann
Sagt Ihnen der Name Sokratis Giolias etwas? Nein? Reporter ohne Grenzen schreibt über den investigativen Journalisten, der am 19. Juli 2010 vor seinem Haus ermordet worden ist:
Die 16 Schüsse, von denen vier Kopftreffer waren, stammen nach Polizeiangaben aus einer Waffe, die zuvor von einer terroristischen Gruppe namens „Sekte der Revolutionäre“ („Séchtas Epanastáton„) benutzt worden war. Diese linksextremistische Splittergruppe hat sich unter anderem zu einem Überfall auf den privaten Fernsehsender Alter TV am 17. Juni 2009 bekannt. Nach dieser Aktion, bei der niemand verletzt oder getötet wurde, hatte die Gruppe erklärt, sie werde künftig Journalisten töten.
Ich war selbst drei Jahre lang Korrespondent für die deutsche Sektion von Reporter ohne Grenzen, verfolge und unterstütze die Arbeit der Kollegen, die sich dem Schutz der Pressefreiheit und vor allem dem Schutz von Journalisten weltweit verschrieben haben.
Am 14. November werde ich auf dem antifaschistischen Portal „Indymedia“ unter anderem als „rechter Hetzer“ bezeichnet. Darunter kommentiert ein anonymer Nutzer:
Die Indymedia-Seite wird von allen „antifaschistischen“ Gruppen sehr genau verfolgt. Auch von Teilnehmern des Bündnis „Mannheim gegen Rechts“, das seinerseits von antifaschistischen Gruppen, aber auch vom Deutschen Gewerkschaftsbund, den Grünen, der FDP, dem Migrationsbeirat Mannheim, ver.di und anderen anerkannten Gruppen unterstützt (hier geht es zur Unterstützerliste) wird.
Weitere Kommentare wurden von den Indymedia-Administratoren aktuell gelöscht – die angedeutete Morddrohung nicht.
Chaostage in Weinheim?
In diesen Netzwerken läuft so gut wie alles konspirativ – angeblich, weil man „Angst“ vor „rechtem Terror“ hat. Tatsächlich muss man annehmen, dass man eher Angst vor Strafverfolgung hat. Oder sich öffentlich rechtfertigen muss. „Antifaschistisch“ klingt gut. Gegen Nazis ist jeder vernünftige Mensch. Aber Gewalt? Terror? Bedrohung? Das ist dann doch bitte immer „braun“. Und wenn es „rot“ ist, dann war es keiner.
Klare Distanzierungen oder nachvollziehbare Maßnahmen, die sich gegen Gewalt richten, fehlen fast vollständig. Hier und da ein kleines Statement, aber keine klare Positionierung. Auch nicht gegen Gewaltaufrufe oder sogar indirekte Morddrohungen gegen Journalisten.
Man stelle sich umgekehrt vor, auf rechten Seiten würden Verweise an Gruppen oder Einzelpersonen dieser Bündnisse zu Mordopfern rechter Gewalt stehen. Was wäre die Empörung groß.
In Weinheim rufen die Stadt und das Bündnis „Weinheim bleibt bunt“ zum gewaltfreien Protest auf – auch hier fehlen Stellungnahmen gegenüber den (noch) verbalen Angriffen auf unsere Redaktion. Wünscht man sich klammheimlich doch ein wenig „Rambazamba“?
Der Wunsch könnte nach hinten losgehen. In einem anderen Indymedia-Post behauptet die linksradikale Szene, dass auf Anordnung der Staatsanwaltschaft eine Blogseite mit „Infos“ zur geplanten Antifa-Demo gesperrt worden sei. Der „repressive Staatsapparat versucht diejenigen zu kriminalisieren, die gegen faschistische Tendenzen oder reaktionäre Kräfte der Gesellschaft vorgehen. Es kann also keine Rede davon sein, dass der Angriff unerwartet kommt“. Es wird aufgefordert: „Nazis entgegentreten! Auf allen Ebenen mit allen Mitteln!“. Darunter findet sich dieser Kommentar:
Testlauf in Mannheim
Was man sich für Weinheim vorstellt, hatte man in Mannheim in am Freitagabend bereits „demonstiert“ – Chaostage für Weinheim. Mit „Polen-Böllern“ (in Deutschland verboten) ist zu rechnen. Die Gewaltaufrufe, die man über Indymedia oder andere Seiten nachverfolgen kann zeigen nur das „Hellfeld“ – was im „Dunkelfeld“ geplant und verabredet wird, können wir kaum recherchieren. Sie wollen wissen, was „Polen-Böller“ sind? Das können Sie hier im Video bestaunen:
Möglicherweise hat unsere bisherige Berichterstattung zumindest den Autor dieses Beitrag beeindruckt – es wird aber genug Dummköpfe geben, die sich nicht beeindrucken lassen. Über die „Demo“ in Mannheim wird auf Indymedia geschrieben:
Eine Woche im Vorfeld des NPD-Bundesparteitages wurde so ein starkes Zeichen gesetzt, dennoch zwei Minuspunkte bleiben: Im Anschluss nahmen die sichtlich überforderten und angepissten Cops unbeteiligte Passant*innen im Stadtteil fest. Zweitens: Parolen, Flyer und Bengalos sorgten für gute Stimmung bei Festbesucher*innen und Antifas, aber das Zünden und unkontrollierte Werfen von sogenannten Polen-Böllern auf den Gehweg war teilweise unnötig und gefährlich. Nächste Woche nach Weinheim! Den NPD-Bundesparteitag verhindern! KOMMT ALLE!
Im Bild sah das so aus – das waren nur rund 50 „Antifas, die sich die Straße genommen haben“ – was, wenn das 1.000 oder mehr sein werden? Immerhin wird seit Monaten bundesweit mobilisiert.

Foto, auf Indymedia gepostet.
Antifa im selbsterzeugten Dilemma
Die Hysterie auf Seiten der linksradikalen Antifas ist mittlerweile derart hoch, dass ein friedlicher Verlauf der „Mobilisierung“ einer „Kapitulation“ gleichkommen würde. Wenn die Antifa es nicht schaffen sollte, ein „klares“ Zeichen zu setzen – wer sollte diese „Antifaschisten“ nach all dem „Maulheldentum“ noch ernst nehmen?
Niemand. Und das ist das Problem der linksradikalen Gruppen – friedlicher und demokratischer Protest ist ihre Sache nicht, sondern aktiver „Straßenkampf“ gegen Nazis und gegen „das System“, das Nazis angeblich schützt. Wie das zum Beispiel „Blockupy“ in die Tat umsetzt, konnte man im März 2015 in Frankfurt mitverfolgen:
Mittlerweile ist die Lage so aufgeheizt, dass die Antifa „ein Zeichen setzen muss“, will sie nicht als „lahme Truppe“ erscheinen. Die NPD wird zum dritten Mal in Folge in Weinheim ihren Bundesparteitag abhalten und hat für 2016 die Stadthalle erneut angefragt. Was, wenn es nicht gelingt, ein „absolutes Zeichen“ zu setzen? Haben die Nazis dann nicht gewonnen?
Mission accomplished: Bedrohung der Pressefreiheit erfolgreich
Eigentlich wollten wir mit sechs Reportern am kommenden Samstag vor Ort sein. Aus Verantwortung für meine Mitarbeiter wird das nicht der Fall sein – die Bedrohungslage ist so massiv, dass ich meine überwiegend jungen Angestellten und freie Mitarbeiter nicht in diesen Einsatz schicke werde, weil nach aktuellem Informationsstand das Eskalationspotenzial eine unverantwortliche Gefährdung darstellt.
Die Antifa und angeschlossene Bündnisse wie „Mannheim gegen Rechts“ oder die „Antifaschistische Initiative Heidelberg“ oder andere „Antifa-Gruppen“ mögen das als Erfolg feiern – sie haben tatsächlich eine Selbstzensur beim Rheinneckarblog.de erreicht.
Meine Mitarbeiter sind junge Journalisten, die aus und für die Region Rhein-Neckar berichten wollen. Kritisch, unabhängig, ehrlich – für „Krisengebiete“ sind sie nicht ausgebildet und niemand kann verlangen, dass sie sich selbst gefährden, um das Grundrecht der Pressefreiheit wahrzunehmen und die Öffentlichkeit umfassend zu informieren.
In Wahrheit geht es nicht gegen die NPD, sondern gegen „das System“
Weiter so, Antifa und alle, die diese antidemokratischen Chaoten unterstützen. Die Wahrheit ist: Es geht nicht gegen die NPD, es geht gegen die rechtsstaatliche Ordnung und „das System“. Die NPD und andere Rechtsextreme reiben sich die Hände. Und zwar „so oder so“. Kommt es zum „Kampf“, haben sie gewonnen. Kommt es nicht dazu, ebenso.
Herzlichen Dank an alle, die sich als „aufrechte Demokraten“ an diesem ganzen Blödsinn aktiv beteiligt haben.
Ich bin dann übrigens vor Ort und hinreichend bekannt. Meine „Waffen“ sind mein Kopf, meine Augen und Ohren, eine Kamera, ein Smartphone, ein Bleistift und Papier. Mal schauen, was die „Gegenseite“ so zu bieten hat.
Anm. d. Red.: Wir werden im Laufe der Woche unsere Leser/innen weiter informieren und spätestens am Freitag Empfehlungen abgeben, wo man sich einigermaßen sicher aufhalten kann und wo nicht. Im Zweifel werden wir Ihnen empfehlen, sich aus Weinheim fern zu halten.
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