Ladenburg/Rhein-Neckar, 11. April 2013. (red/ld) Den Bienen war es am Samstag zwar noch zu kalt zum Fliegen. Den Rund 25 Jungimkern, die zum ersten Einführungskurs „Bienenhaltung“ beim Imkerverein gekommen waren, machte das aber nichts aus. Imkermeister Vitus Thaler versprach, den praktischen Teil nachzuholen, sobald es endlich wärmer sei: „Eine so langanhaltende Kälteperiode habe ich in meinem ganzen Imkerleben noch nicht erlebt.“
Von Lydia Dartsch
Nur zum Wasserholen trauten sich die emsigen Insekten vor ihren Stock. Der Teich dafür liegt nur ein paar Meter von den Bienenkästen entfernt, in denen die Lehrvölker des Imkervereins wohnen.
Wie kälteempfindlich die Insekten sind, zeigt sich, als der Vorsitzende des Imkervereins, Vitus Thaler, den Deckel eines Stocks öffnet, um hineinzusehen in das Gewusel: Schon nach kurzer Zeit werden die Bewegungen der Bienen langsamer. Schnell schließt der Imkermeister den Deckel wieder vorsichtig, damit sie nicht erfrieren.

Bis zu 35.000 Bienen leben zusammen als Riesenorganismus. Für viele Besucher des Einführungskurses „Bienenhaltung“ war es unfassbar, wie wenig über diese Tiere bekannt ist.
Ein paar Nachzügler, die noch außen an dem Deckel nach dem Eingang suchen, setzt Herr Thaler mit den Händen direkt vor das Flugloch. Ihre Bewegungen sind bedenklich langsam geworden:
Die hier draußen sind schon versteift, wenn sie nicht zurück in den warmen Bau kommen, sterben sie.
sagt er. Normalerweise ist es im Stock etwa zehn Grad warm; in der Brutzeit zwischen September und Februar erhöhen die Arbeiterinnen mit ihren Flügelbewegungen im Stock die Temperatur sogar auf bis zu 37 Grad.

Imkermeister und Vorsitzender des Imkervereins Ladenburg Vitus Thaler (links) und Dr. Hanns-Michael Lorenz (rechts) sehen im Lehrbienenstock auf dem Gelände des Vereinsheims nach dem Rechten. Am Samstag war es noch zu kalt für die Insekten. Der praktische Teil des Kurses wird nachgeholt.
Tödliche Außentemperaturen
Die anhaltende Kälte macht den Bienen zu schaffen. Kaum eine Blüte ist schon aufgegangen. Das Futter ist knapp. Deswegen musste Vitus Thaler in der vergangenen Woche sogar nachfüttern, was normalerweise nicht nötig ist.
Im Sommer ernähren sich die Bienen vom Nektar der Blüten, die im Umkreis von etwa drei Kilometer um ihren Stock herum stehen: Äpfel, Mandeln und auch Wiesenblumen oder dem Honigtau in Wäldern. Den Nektar sammeln die Arbeiterinnen in ihren Honigmägen und bis die gefüllt sind, muss eine Biene zu rund 100 Blüten geflogen sein. Ein Flug bei aktuellen Temperaturen bis zehn Grad wäre für sie tödlich.
Daher ist es ein Glück, dass die Blüten der Obstbäume und Blumen ebenfalls auf die Wärme warten. Denn um an den Nektar einer Blüte zu gelangen, muss die Biene den „komplizierten Mechanismus der Blüte“ überwinden und bis zum Boden der Blüte vordringen. Dabei bleiben Blütenpollen an ihrem haarbesetzten Panzer haften, die sie wiederum auf den Fruchtstempeln der Blüten verteilt und diese so befruchtet. Würden die Bäume jetzt schon blühen, wäre die Blüte vorbei, ehe die Bienen Nektar sammeln, und die Blüten bestäuben konnten. Bis zu 30 Mal fliegt jede Biene täglich zu ihren Blüten im Umkreis von drei Kilometern. Ein Volk besucht dabei etwa eine Million Blüten und sammelt an Spitzentagen gut zehn Kilogramm Nektar ein:
Das wird häufig unterschätzt von den Landwirten und Obstbauern. Aber ohne die Bienen, findet keine richtige Bestäubung statt. Das sieht man dann an deformierten Äpfeln zum Beispiel,
sagt Vitus Thaler. Denn alle fünf Blütenstempel müssen einen Pollen abbekommen, damit später auch alle Kerngehäuse des Apfels daraus entstehen können und der Apfel rund wird. Wäre die Blüte vorbei, noch bevor die Bienen fliegen, könnten den Obstbauern große Ernteeinbußen entstehen.

Bienen stechen nur, wenn sie sich bedroht fühlen, wie diese Arbeiterin. Sie fährt schon den Stachel aus. Jeden Stich bezahlen die Bienen mit dem Leben – denn der Stachel bleibt wegen der Widerhaken stecken und verletzt beim Abflug die Biene am Hinterleib. Kurz danach setzt Imkermeister Vitus Thaler das Tier am Einflugloch seines Stocks ab, das es gesucht hat.
Keine Freizeit, kein Urlaub
Bei ihrer Arbeit sind die Bienen effizient. Sie sind „blütenstetig“, heißt es in der Fachsprache der Imker. Sie bleiben so lange bei einer Blüte, bis sich die Ausbeute an Nektar nicht mehr lohnt. Erst dann suchen sie nach neuen Nahrungsquellen:
So wird sicher gestellt, dass Apfelblüten nicht mit Birnenpollen bestäubt werden,
sagt Vitus Thaler. Der Ausspruch „fleißig wie ein Bienchen“ kommt nicht von ungefähr: 24 Stunden am Tag arbeiten die Arbeiterinnen im Bau. Sie schlafen nie: Zurück vom Nektar sammeln, würgen sie den vorverdauten Nektar aus, füllen ihn in Waben und entziehen ihm überflüssiges Wasser. Das tun sie, indem mit ihren Flügelschlägen einen Luftstrom erzeugen, der feuchte Luft nach draußen drängt, und trockene Luft in den Stock zieht.
Man kann das sehen, wenn das Wasser an einer Außenseite des Stocks kondensiert.
sagt Herr Thaler. Darüberhinaus putzen die Arbeiterinnen ihre Königin, ziehen die neue Brut auf und bauen Waben aus den Wachsplättchen, die jede Biene einmal in ihrem Leben aus ihrer Bauchhöhle schiebt. Das Wachs formt sie zu präzisen sechseckigen Waben. Wie das genau funktioniert, gibt den Menschen bis heute Rätsel auf.
„Ich wollte kein Drohn sein“
Die Königin ist damit beschäftigt, Eier zu legen: Bis zu 2.000 sind das am Tag. Mehr als das Doppelte ihres eigenen Gewichts. Sie kontrolliert die Geschehnisse im Bienenstock, entscheidet über die Anzahl der Bienen und über deren Geschlecht: Aus befruchteten Eiern entstehen Arbeiterinnen oder Königinnen. Aus unbefruchteten Eiern schlüpfen die „Drohnen“ genannten, stachellosen, Männchen.
Außer zur Befruchtung der Königin sind sie zu nichts Nütze:
Sie werden den ganzen Tag von den Arbeiterinnen gefüttert, sammeln keinen Nektar und keine Pollen. Sie haben eigentlich ein leichtes Leben. Ich wollte trotzdem kein „Drohn“ sein,
sagt Vitus Thaler. Denn ein paar Wochen nachdem sie geschlüpft ist, bricht die Königin zum Hochzeitsflug auf, um sich von Drohnen befruchten zu lassen. Nur die schnellsten und stärksten Drohnen haben Erfolg. Der Drohn muss nicht aus dem eigenen Volk kommen oder von der gleichen Rasse sein. Im Imkerverein setzt man genau darauf:
Wir achten nicht darauf, ob die Bienenrasse reingehalten wird. Wenn immer wieder neues genetisches Material dazu kommt, ist das gut. Sonst entsteht Inzucht und die Völker werden anfälliger für Krankheiten,
sagt Vitus Thaler. Auf dem Hochzeitsflug besamen die Drohnen die Königinnen. Dabei verlieren sie ihren Unterleib und sterben. Die Samenzellen speichert die Königin in ihrer Samenblase. Sie reichen für ihr ganzes Königinnenleben von vier bis fünf Jahren.
Nach der Hochzeit erklärt sie den Drohnen den Krieg und die Arbeiterinnen werfen die übrigen Drohnen aus dem Stock. Sie werden jetzt nicht mehr gebraucht. Sie sind nun zum Verhungern verurteilt – selbst ernähren können sie sich nicht.
Reichen die Samenzellen nicht mehr aus, kann die Königin ja wieder ein paar neue, unbefruchtete, Eier legen, aus denen neue Drohnen schlüpfen.
Lang lebe die Königin und das Gelée Royale
Geht es mit einer Königin zu Ende oder gibt es nicht mehr genug Platz im Stock, bauen die Ammenbienen mehrere Königinnenzellen. Sie sind größer als normale Brutzellen. 16 Tage nachdem die Königin ihre befruchteten Eier dort abgelegt hat schlüpft eine neue Königin, ein voll entwickeltes Bienenweibchen. Während ihres Larvenstadiums wurden sie von den Ammenbienen mit einem speziellen Futtersaft gefüttert, das diese in einer Kopfdrüse bilden: Dem „Gelée Royale“.
Es kann nur eine geben. Kurz bevor die neue Königin schlüpft, signalisiert sie der alten Königin, zu verschwinden:
Man kann das hören. Es hört sich an wie eine Autohupe, nur nicht so laut.
sagt Vitus Thaler. Inzwischen hat die alte Königin ihre Eiablage beendet und ist wieder schlank und flugfähig. Gemeinsam mit den fittesten Arbeiterinnen schwärmt sie nun aus, um Platz zu machen für die Neue und einen neuen Stock zu suchen.

Nur wenige Bienen sind in der Kälte unterwegs, um Wasser zu holen. Noch gibt es keine Blüten und keinen Nektar. Wegen der langen Kälteperiode hat Vitus Thaler dieses Jahr zum ersten Mal nachfüttern müssen.
Den Imkern ist das nicht ganz so recht: Den Honig nehmen sie dabei nämlich mit und wo sie sich niederlassen, können die Menschen auch nicht kontrollieren. Die neue Königin übernimmt inzwischen den Stock, tötet die anderen Königinnenlarven ab oder besiegt eine Rivalin, die gleichzeitig mit ihr geschlüpft ist.
Es gibt mehr als nur Honig
Das Mysterium Bienen beschäftigt die Menschen seit tausenden von Jahren. In den Tempelanlagen des alten Ägyptens finden sich Malereien von Bienen. Honig galt als Quelle der Unsterblichkeit und war nur Priestern und Pharaonen vorbehalten. Die Zunft der Zeidler, der mittelalterlichen Imker war in Europa privilegiert. Sie durften eine Armbrust tragen, um sich gegen Bären zu wehren, die an den Honig wollten und mussten nur zehn Prozent ihres Ertrags als Steuern abgeben.
Honig war damals das einzige Süßungsmittel. Zudem galt er besonders damals als Heilmittel:
Eine Wunde mit Honig zu behandeln ist zwar eine klebrige Angelegenheit, aber es bleibt keine Narbe. Der Honig entzieht der Wunde Feuchtigkeit. Darunter kann die Wunde dann ungehindert heilen,
sagt Imkermeister Thaler. Das Bienenwachs wurde für die Herstellung von Kerzen verwendet, um dunkle Schlösser und Burgen zu erhellen. In Kirchen dienten sie zudem als Lichtquelle für Messen und Gottesdienste. Sogar Belagerungen wurden mit Hilfe von Bienen gewonnen, in dem die Belagerten den Angreifern die Bienenkörbe entgegenschleuderten. Die aufgebrachten Bienen stachen dann die Angreifer in die Flucht.

Die Faszination Biene lockte gut 25 Interessierte aus der Metropolregion ins Vereinsheim der Ladenburger Imker. Manche mögen auch einfach nur Honig. Jörg Blumenthal erklärt die Grundlagen der Bienenhaltung.
Warum imkern lernen?
Von ihrer Faszination haben die Bienen bis heute nichts eingebüßt, auch nicht für die Besucher des Kurses, die aus der gesamten Metropolregion nach Ladenburg gekommen sind:
Imkern ist eine faszinierende Tätigkeit,
sagt ein Mann aus Heidelberg. Ein Ehepaar aus Dossenheim ist fasziniert von Bienen, wie auch viele andere:
Ich habe einen Film über Bienen gesehen, und war erschüttert, wie wenig ich darüber weiß,
sagt eine Frau aus Dossenheim und eine Besucherin aus Ilvesheim kam beim Spazierengehen auf die Idee, sich näher mit Bienen zu beschäftigen:
Ich hab beim Spazierengehen einen Bienenstock gesehen. Deshalb wollte ich das mal ausprobieren.
Aber auch einfach Honigliebhaber wie ein Besucher aus Neckarhausen waren dabei. Mit dem Honig aus der eigenen Ernte, dürften die Imker Vitus Thaler, Rudolf Schult und Jörg Blumenthal diese Besucher schonmal neugierig gemacht haben.
Der Honig aus Ladenburg ist mit dem Honig aus dem Supermarkt nämlich nicht zu vergleichen: Er ist fester und etwas zäher. Wie man ihn gewinnt, werden die Jungimker bald lernen, wenn das Wetter endlich wärmer wird.
Dann wird der praktische Teil des Bienenhaltungskurses nachgeholt. Dazu gibt es am Samstag, 01. Juni den zweiten Teil. Wer nicht so lange warten will, kann am Freitag, 10. Mai, um 19:00 Uhr zur Vereinsversammlung im Vereinsheim kommen. Dort gibt es dann auch Honig zu kaufen.
Weitere Informationen zur Bienenzucht, zum Vereinsangebot und zum Verein gibt es auf deren Homepage.