Mannheim, 10. November 2015. (red/hmb) Zum sechsten Mal boten TiG7 und zeitraumexit mit ihrer Veranstaltung „97m überm Meer“ eine Bühne für freie Tanz- und Theaterschaffende der Region. Das diesjährige Thema war „Ohne Strom“ – keine Musik, kein Licht, keine verstärkten Sounds. Dass das großartig funktionieren kann, bewiesen die Künstler am Samstagabend, den 21. November.
Von Hannah-Marie Beck
Es ist interessant, Dinge wegzunehmen. Auch mal mit wenig zu arbeiten. Durch die Reduktion der Mittel wird anderes viel mehr wahrgenommen und man kann neue Erfahrungen machen,
begrüßt Wolfgang Sautermeister, künstlerischer Leiter bei zeitraumexit, die Besucher der Veranstaltung an diesem Abend. Gemeinsam mit Christine Bossert, die das TiG7 leitet, hat er die Veranstaltung „97m überm Meer“ auch dieses Jahr wieder auf die Beine gestellt.
Vier Stücke im TiG7, dann gemeinsamer Spaziergang zum zeitraumexit, wo es vier weitere Aufführungen geben wird.

Stimmen aus dem Nichts: Das Augenblick Theater, ein Ensemble des Jugendkulturzentrums Forum, beschäftigte sich damit, was wir brauchen um uns zu erinnern. Foto: Peter Empl, TiG7/zeitraumexit
Keine Aufführung geht länger als 20 Minuten und alle müssen ohne Strom auskommen: Ohne Licht, ohne Musik ohne all den anderen Schnick-Schnack, den man sonst auf der Theaterbühne für eine Aufführung eben braucht. Erlaubt sind selbst mitgebrachte Batterien und Akkus.
Soweit der Plan – aber wie das nachts funktionieren soll, konnte ich mir bis dato nicht vorstellen.
Weniger ist mehr
Es ist durchaus möglich, diese Vorgabe umzusetzen – das beweisen die Künstler an diesem Abend mit ihren Tanz-, Theater- und Performance-Auftritten.
Im TiG7 werden die Aufführungen allerdings kaum durch den den Mangel an Strom beeinflusst – die Künstler arbeiten viel mit Taschenlampen und Kerzenlicht.
Durch den bewussten Umgang mit Licht und Schatten gelingt es den Künstlern, eine ganz besondere Wirkung zu erzielen.
Jedes Stück behandelt seine ganz eigene Thematik. Es gibt keine verbindenden Elemente – manchmal wirkt das krass gegensätzlich.
Künstler der Region begeistern im TiG7

Monika Margret Steger lebt in Mannheim und war ehemals Ensemble-Mitglied des Nationaltheaters. Bei ihrer Lesung schimpft sie über die digitale Welt und überzeugte mit ihrer emotionsgeladenen Stimme. Foto: Peter Empl, TiG7/zeitraumexit

Um ein verlorenes Kind und eine gescheiterte Ehe ging es bei diesem Stück. Ute Kirsch und Tom Hartmann sind regelmäßig auf der Bühne des TiG7 zu sehen und lieferten auch am Samstagabend eine großartige schauspielerische Leistung ab. Foto: Peter Empl, TiG7/zeitraumexit

Jochen Schott ist Jazz-Musiker, kann großartig Gitarre spielen und lebt in Mannheim. Er trat mit Schauspielerin Barbara Bernt auf. Gemeinsam sind sie „unterhaltungsdienst.de“ und bringen die Zuschauer mit ihren witzigen Liedern immer wieder zum Lachen. Foto: Peter Empl, TiG7/zeitraumexit
Zuschauer sind schon mal da, das ist das wichtigste: Zuschauer und natürlich Schauspieler – wie ihr gleich sehen werdet… Oder vielleicht auch nicht.
Stockdunkel im zeitraumexit
Nach langen zwei Stunden Wartezeit geht es im zeitraumexit endlich weiter. Die vollkommene Dunkelheit und der Umgang der Künstler damit ist einerseits sehr faszinierend. Andererseits ist sie auch sehr anstrengend – man ist in ständiger Alarmbereitschaft und erschrickt bei lauten Geräuschen. Die Dunkelheit ist eben auch mit einer gewissen Angst vor dem Ungewissen verbunden.
Manchmal hört man nur das Atmen der Künstler. Das Trommeln von Füßen über den Boden. Und Stimmen, die wie aus dem Nichts kommen.

„Letztes Theater vor der Autobahn“ nennt sich die aus vier Darstellern bestehende Gruppe. Sie präsentierten einen Zusammenschnitt mit Worten von Büchner über Lenin bis Max Weber und arbeiteten dabei viel mit Verfremdungseffekten. Foto: Peter Empl, TiG7/zeitraumexit

Mit 50 fremden Menschen in einem dunklen Raum zu sein war eine Erfahrung, die man bei Gabriele Oßwalds und Wolfgang Sautermeisters Auftritt machte. Mit kleinen Radios liefen sie durch die Zuschauer. Dadurch konnte man die beiden zwar nicht sehen, aber hören, wie sie sich näherten und wieder entfernten – dann standen sie urplötzlich direkt vor einem. Foto: Peter Empl, TiG7/zeitraumexit

Beleuchtet war der Tanzauftritt von Mareike Buchmann nur durch einen einzigen Lichtstrahl. Manchmal sah man minutenlang nur ihre sich bewegenden Beine und hörte ihre Füße über die Bühne trommeln. Dann fiel das Licht auf ihr Gesicht und sie gab einen stillen Schrei von sich. Foto: Peter Empl, TiG7/zeitraumexit

Bei dieser Performance erhielten die Besucher eine Taschenlampe und wurden alleine in den dunklen Raum geschickt. Auf dem Boden verteilt lagen Erinnerungsstücke einer anderen Person: Postkarten, Fotoalben, Tagebücher und vieles mehr. Alles durfte man sich ansehen. Zu manchen Gegenständen hatte man seine eigenen Assoziationen und Erinnerungen – andere wirkten banal und unwichtig. Zum Abschluss konnte man sich einen Umschlag mit den Erinnerungen des Besitzers zu diesen Gegenständen geben lassen. Foto: Peter Empl, TiG7/zeitraumexit