Mannheim, 06. Mai 2016. (red/hmb/ms) Lang wurde er herbeigesehnt – jetzt ist er endlich da. „Mannheim – Neurosen zwischen Rhein und Neckar“ bringt die geliebte Heimatstadt auf die große Leinwand. Allein das ist schon ein Highlight. Der Film selbst ist solide – doch fast durchgängig merkt man ihm das geringe Budget an, das für den Dreh zur Verfügung stand.
Von Hannah-Marie Beck und Minh Schredle
Es tut weh, dass aufschreiben zu müssen – aber der Film „Mannheim – Neurosen zwischen Rhein und Neckar“ kann leider nicht mit großem Kino konkurrieren. Das dürfte bei dem geringen Budget allerdings auch völlig unmöglich sein.
So merkt man dem Film an vielen Stellen einen Mangel an Mitteln an. Ebenso erkennbar sind aber Leidenschaft und Herzblut, die in die Produktion geflossen sind. Der Film soll ehrlich und authentisch die geliebte Heimatstadt porträtieren – Mannheims Seele einfangen.
Es muss um die Menschen gehen, das war von Anfang an klar. Und der typische Mannheimer Groove muss gut rüberkommen,
so Drehbuchautor Daniel Morawek. Aber was ist das eigentlich? Der „typische Mannheimer Groove“?
In der Einstiegsszene hat sich die Regie nicht unbedingt die hübschsten Flecken der Stadt herausgepickt, das Bild ist sättigungsarm, blass und rau – im Kontrast dazu wird klassische Violinenmusik eingespielt und es ist ein schönes Sinnbild für die Polarität Mannheims als intellektuelle Arbeiterstadt.
Die Geschichte…
Die drei Protagonisten Peter, Enzo und Mike werden alle von Sorgen und Problemen geplagt. Peter (Rainer Lott) zum Beispiel hält sich für einen überaus talentierten Musiker – nur scheint das außer ihm leider kaum jemand zu bemerken.
Mike (Torsten Eikmeier) versucht vergeblich ein Kind zu bekommen und ist schon ganz entnervt, von der Vehemenz, mit der seine Frau ihn immer wieder zum ergebnisorientierten Beischlaf drängt.
Enzo (Benedikt Crisand) hingegen hat einfach keinen Erfolg bei den Frauen – sein Leben ist genauso deprimierend wie seine Bücher, die er nie fertig schreibt.
Abschalten können die drei nur, wenn sie gemeinsam in ihrer Band den Blues spielen. Ein paar Elemente aus dem Folk werden dabei adaptiert, ansonsten muss der Sound rein und puristisch bleiben. Neuerungen unerwünscht.
Doch dann kommt Aylin (Selale Gonca Cerit): Hübsch, locker und cool wie sie ist, verdreht sie den Männern sofort den Kopf. Die junge Studentin an der Popakademie ist allerdings auch eine Konkurrentin – und schnappt den dreien einen großen Gig vor der Nase weg.
Beim Meet and Greet mit dem Film-Team zeigen sich Cast & Crew offen und herzlich. Distanzlos. Sie alle betonen immer wieder, wie „super glücklich“ sie seien, bei dem Film mitgemacht zu haben – und ihre Freude ist authentisch.
Wir sind zu einer richtigen Familie zusammengewachsen,
sagt so zum Beispiel Enzo-Darsteller Benedikt Crisand. „Mannheim – der Film“ ist keine Produktion, die die Kassen klingeln lassen wird; kein Projekt, das wegen seiner Aussichten auf große kommerzielle Erfolge umgesetzt wurde – sondern vor allem aus Begeisterung für die Sache. Allerdings mussten an vielen Stellen schmerzliche Kompromisse eingegangen werden.
Den Umständen entsprechend
Zu wenig Zeit. Zu wenig Geld. Zu wenig Mitarbeiter. Gerade einmal 32.000 Euro standen als Budget zur Verfügung – das ist fast nichts. „Bis 100.000 Euro redet man bei einem Vollzeitfilm noch von ‚Low-Budget'“, sagt Daniel Morawek. Insgesamt habe es nur 16 Drehtage gegeben. Für diese Umstände ist das Endergebnis eine bemerkenswerte Leistung.
Passend zur „Unesco City of Music“ und dem Leitthema Musik als Leidenschaft ist der Soundtrack eine der größten Stärken des Films: Der Klang ist klar, die Produktion durch und durch hochwertig und die Stücke, die in einer Kooperation mit der Popakademie entstanden sind, sind innovativ und haben eine eigene charakteristische Note – etwa wenn Funk mit orientalischer Musik vermischt wird.
Ohnehin ist allein der Umstand, ikonische Mannheimer Gebäude, Plätze und Wahrzeichen auf der großen Leinwand zu sehen, ein Highlight für sich. Daneben hat der Film aber ebenfalls eindeutige Schwächen, die nicht verschwiegen werden sollten: Die Handlung nimmt nur langsam an Fahrt auf, immer wieder kommt es zu schleppenden Passagen, in denen kaum etwas zu passieren scheint – aber mehrere Minuten verstreichen, ohne dass irgendeine Relevanz erkennbar wäre.
So gibt es eine Reihe von Szenen, die den Zuschauer ziemlich ratlos zurücklassen. Einmal sieht man die Band bei einer „Improvisation“ und es ist offenbar das einzige Mal in dem Film, dass ein Schauspieler das Instrument, das er zu spielen vorgibt, auch tatsächlich selbst spielt – und das hätte er lieber bleiben lassen sollen, denn schnell wird offensichtlich, dass er das nicht wirklich kann.
Insgesamt ist das ein großer Schwachpunkt: In einem Film über Musiker aus Leidenschaft wird stellenweise schmerzlich offensichtlich, dass keiner der Darsteller ein Musiker aus Leidenschaft ist und keiner von ihnen sein Instrument bedienen kann. Etwa wenn die Handbewegungen von Gitarrist Peter völlig asynchron zu dem verlaufen, was man hört und er teilweise überhaupt nicht die Saiten berührt.
Hinfallen, Krone richten, weitergehen
Schnitt, Bild, Drehbuch und Regie können nicht mit großem Kino konkurrieren – wer das aber bei einem Budget von 32.000 Euro erwartet, sollte seine Ansprüche überdenken. Insgesamt enthält der Film viele Schwachstellen, an denen man sich stören kann. Die allermeisten Zuschauer wirkten dennoch zufrieden.
Nach der Vorstellung gab es zwar keine brandende Euphorie im Saal – aber viel Begeisterung und anerkennenden Applaus für das Team, das Mannheim auf die große Leinwand gebracht hat. Nicht als bombastisches Spektakel, auch nicht als durchgängig mitreißendes Meisterwerk – sondern als einfache Geschichte mit vielen Ecken und Kanten, aber viel Haltung und einer Botschaft, in der viel Mannheim steckt:
Uffstehe, wonn de liggschd, muss gelernd sei.
Umfallen und Aufstehen, Rückschläge hinnehmen und weitermachen, trotz aller Widrigkeiten, die (beim Dreh) auftauchen. Aber vor allem: Seine Leidenschaft leben- das ist viel, was die Identität der Stadt ausmacht. Wie der Film Mannheim selbst charakterisiert: Nicht zu intellektuell, aber auch nicht zu stumpf.
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Lesetipp: Dreharbeiten zum Kinofilm „Mannheim“ sind beendet
„Klappe 49/14. Ton läuft. Und Bitte.“
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Am Premierenabend war die Resonanz der meisten Zuschauer positiv und die Nachfrage für bevorstehende Vorstellungen ist hoch. Für zwei Wochen bleibt der Film exklusiv in Mannheim, dann wird er auch im Umfeld aufgeführt.
Noch hat der Film seine Produktionskosten nicht einspielen können. Trotzdem sagt Produzent Andrew Van Scoter:
Gewinn haben wir schon jetzt gemacht.