Mannheim/Rhein-Neckar, 04. September 2014. (red/ld) 3D-Drucker, Playstations, E-Books: Gedruckte Bücher wird es in der Bibliothek von morgen zwar auch noch geben. Aber ansonsten soll künftig nichts mehr an die Stille-Säle der vergangenen Jahrzehnte erinnern. Die Stadtbibliothek erfindet sich gerade neu und experimentiert mit neuen Medien. Ihre Besucher sollen dies im Bibliothekslabor künftig auch können. Das erste Gerät aus der Zukunft wurde am Mittwochabend vorgestellt: Ein Drucker, der dreidimensionale Modelle druckt.
Von Lydia Dartsch
Der Vortrag des Medienmittwochs wird in einer unscheinbaren Ecke der Zentralbibliothek gehalten. Gut 50 Zuhörer und Zuschauer sitzen um das neue Gerät herum. Die Sitzplätze werden knapp und eine Bibliothekarin bringt mehr Stühle. Alle schauen gespannt zu, wie dieser neue Drucker eine Schraube und eine passende Mutter druckt. „Das ist das Lagerfeuer des 21. Jahrhunderts“, sagt die Bibliothekarin Leonie Kriebs, Beauftragte für elektronische Dienste. Gemeinsam mit Melanie Hamann betreut sie den neuen 3D-Drucker, der ab dem 26. September im Bibliothekslabor stehen wird.
Das Material ist ein Kunststoffdraht, der hinter dem Gerät in einer Spule aufgewickelt ist. Ein Ende des Drahts ist in eine Düse eingespannt, die den Draht erhitzt und sehr formbar macht. Wie ein Nadeldrucker aus den Achtziger Jahren fährt die Düse nach einem bestimmten Muster über die Druckplatte, auf der nun Zeile für Zeile die beiden Stücke entstehen werden. Praktisch aus dem Nichts, oder aus dem Internet.
„Technologie, die die Welt verändern wird“
Bereits jetzt gibt es auf Internetseiten wie „Thingiverse“ Druckvorlagen, die ein solcher 3D-Drucker in jeder beliebigen Größe ausdrucken kann. Neben Figuren oder außergewöhnlichen Designs lassen sich so auch Ersatzteile für Geräte drucken, die man sonst wegwerfen müsste. „Diese Technologie wird den Ersatzteilmarkt revolutionieren“, sagt Bibliotheksleiter Dr. Bernd Schmid-Ruhe. Für die Zukunft stellt er sich schon Drucker vor, die direkt in die Geräte hineindrucken. Selbst ganze Häuser sollen künftig mit dieser Technologie gedruckt werden können, sagt er.
Doch der Gegensatz zwischen Bücherregalen und Zukunftstechnologien wie dem 3D-Drucker könnte größer nicht sein. „Wir arbeiten momentan daran, die Bibliothek neu zu erfinden“, sagt Dr. Schmid-Ruhe. Seit Anfang dieses Jahres läuft dazu die Vortragsreihe „Stadtbibliothek der Zukunft“ über den Wandel der Mediennutzung in der Gesellschaft und die Aufgaben und Erfordernisse der Bibliothek diesen nachzukommen. Ein Auftrag, den die Stadtbibliothek vom Gemeinderat erhalten hat.
3.000 Euro zum Experimentieren
„Unsere Aufgabe ist es, den Bürger/innen Medienkompetenz zu vermitteln“, sagt Dr. Schmid-Ruhe. Deshalb habe man den gut 3.000 Euro teuren 3D-Drucker angeschafft. Wie ihn die Bibliotheksbesucher künftig nutzen müsse man erst einmal ausprobieren, sagt er. Gut 3.000 Euro klingt für einen Versuch reichlich teuer: „Welche anderen Methoden, neue Medien auszuprobieren gibt es denn?“, fragt er.
Wenn der Drucker ab dem 26. September im Bibliothekslabor im Dalberghaus stehen wird, können Bibliotheksbesucher das Gerät selbst nutzen und in den geplanten Veranstaltungen den Umgang mit 3D-Modelling erlernen, sagt Leonie Kriebs. Zunächst monatlich soll es eine 3D-Druck-Sprechstunde geben. Die erste ist für den 08. Oktober geplant.
Medienkompetenz als Aufgabe der Bibliothek
„Die Besucher können dann mit ihren digitalen 3D-Modellen in die Sprechstunde kommen und den Druck in Auftrag geben“, sagt Frau Kriebs. Zuvor werde das Modell begutachtet und ein Preis dafür berechnet. Rund 30 Cent pro Gramm könnte es kosten, schätzen sie. Doch dazu muss zunächst die Gebührenordnung geändert werden.
Wenn man auf die Aussagen von Dr. Schmid-Ruhe vertraut, könnte die Gebührenordnung die kleinste Veränderung sein, die der Stadtbibliothek in den kommenden Jahren bevorsteht: „Der Medienmarkt verändert sich gerade rasant“, sagt er. Und auch in Mannheim soll kein Buch neben dem anderen bleiben: „Für eine moderne Bibliothek brauchen wir ein völlig neues Gebäude„, sagt er. Eine sogenannte „Einraumbibliothek“, wie im Stadthaus N1 sei nicht mehr zeitgemäß. Man brauche verschiedene Räume, in denen die Nutzer die verschiedenen Medien nutzen können.
Playstation, elektronische Musik und Bücher
Dazu gehören auch Computerspiele, elektronische Instrumente und Filmtechnik, die man künftig in den Kursen des Bibliothekslabors erlernen können soll. Kinder und Jugendliche können bereits jetzt den Umgang mit Spielkonsolen erlernen, mit elekronischen Instrumenten Handyklingeltöne komponieren und eigene Trickfilme drehen – inklusive Storytelling, Inszenierung und Effekte, sagt Leonie Kriebs.
Ob und wann die Stadtbibliothek in ein neues Gebäude zieht, steht noch nicht fest. Darüber muss der Gemeinderat entscheiden: „Wir können nur sagen, wie wir uns die Zukunft vorstellen“, sagt Dr. Schmid-Ruhe. Aufzuhalten wird diese aber nicht mehr sein, wie sich beispielsweise an den Ausleihzahlen ablesen lässt: Während ein gedrucktes Buch im Jahres-Durchschnitt dreieinhalb mal ausgeliehen wird, wird jedes elektronischen E-Book mehr als doppelt so häufig verliehen, sagt der Bibliotheksleiter.