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Ladenburg, 01. Juli 2011. Es ist sehr heiß. Doch gut hundert Menschen haben sich am Dienstag, 28. Juni, im Obsthof Schuhmann in Ladenburg eingefunden um der Lesung des Karlsruher Autors Wolfgang Burger zu lauschen. Dessen siebter „Heidelberg-Krimi“ ist vor kurzem erschienen.
Von Sabine Prothmann
Zwischen Apfelbäumen liegt der Verkaufsraum des Obsthofes. Drinnen sind Stühle aufgestellt, davor Bierbänke. Alle sind voll besetzt. Die Leiterin der Stadtbücherei Ladenburg, Antje Kietzmann, begrüßt die rund 100 Gäste – gemeinsam mit der Inhaberin des Bücherladens „Seitenweise – Bücher am Markt“, Ulrike Zieher-Schneider und Frau Schuhmann vom Obsthof zur 5. Ladenburger Kriminacht. Wolfgang Burger liest bereits zum zweiten Mal in Ladenburg.
Burger sieht schlanker aus, als man ihn von Fotos kennt und ist eindeutig besser gestimmt als bei seiner Lesung im Februar in Heddesheim. Die Location gefällt ihm, „ich kann sogar den Ladenburger Kirchturm sehen“, sagt er.
„Der Fünfte Mörder“ ist Burgers siebter „Heidelberg-Krimi“
Der „Fünfte Mörder“ ist sein siebter Krimi um den Heidelberger Ermittler Alexander Gerlach. Mit 315 Seiten ist es sein bisher „dickster“ Roman. Das hat ihm sein Verlag Piper, wie er später erzählen wird, inzwischen zugestanden. Und der nächste „Die falsche Frau“ wird noch mehr Seiten haben, verrät er.
Burger beginnt zu lesen, er fängt auf der ersten Seite an. Die Zuhörer begegnen dem schon vertrauten Alexander Gerlach, Kriminaloberrat in Heidelberg, alleinerziehender Vater, Geliebter der Frau seines Chefs – er ist der Antiheld, menschlich und unspektakulär. Vielleicht ein wenig wie Burger, denn, wie er später verraten wird, man erkennt doch immer wieder autobiografische Züge in den Protagonisten, so sagt er zumindest über Autorenkollegen.
Das Verbrechen ist in Ladenburg angekommen
Burger ist kein begnadeter Leser. Er kann den Karlsruher Tonfall nicht verbergen, aber gerade das menschelt, macht die Lesung authentisch. Das Publikum geht mit, lacht, ist gespannt – gerade erzählt er von der Leiche, die am Ladenburger Fähranleger im Neckar geborgen wird. Der Krimi ist vor Ort angekommen.
Die Geschichte ist gut strukturiert, der Protagonist ist sympathisch. Wer in der Region lebt, kann Alexander Gerlach von Tatort zu Tatort begleiten bis zum dramatischen Show-down im Rhein-Neckar-Zentrum. Das macht er geschickt, manches muss er nur andeuten, das restliche Lokalkolorit ergänzt der Leser im Kopf, das weiß Burger.
Manchmal driftet die Sprache ins Klischee ab, ist zu blumig, zu vorhersehbar. Die Adjektive sind selten überraschend. Doch das fällt eher bei einer Lesung als beim Lesen auf, denn im Roman gelingt es ihm, den Leser im Spannungsbogen fest zu halten.
Geschickt hat er die Buchstellen ausgewählt, die die Handlung vorantreiben und verrät doch nichts, da ist er ganz der promovierte Ingenieur, der am KIT in Karlsruhe arbeitet. Nichts wird dem Zufall überlassen.
Pubertäre Töchter und Schwierigkeiten mit der Geliebten
Er streift die Handlung, bringt Tatverdächtige ins Spiel, verweilt ein wenig bei den pubertären Zwillingstöchtern, lässt den Protagonisten in schwierigen Gesprächen mit der Geliebten auf dem Philosophenweg flanieren, genau so, dass die Zuhörer viel erfahren und doch nichts wissen. Dazu müssen sie den Roman lesen und auch kaufen. Denn Burger ist auch Geschäftsmann und freut sich an seinem Erfolg und seinen guten Verkaufszahlen.
Nach einer Pause, in der man den Autor im entspannten Gespräch mit seinen Lesern beobachten kann, liest er noch zwei oder drei Szenen vor und ist dann offen für Fragen.
Die sind wenig überraschend: Wieso er als Karlsruher die Region in und um Heidelberg so gut kennt, wie seine Bücher entstehen, wie lange er für ein Buch braucht, wann sein nächster Krimi rauskommt -€¦
Die Handlungsorte schaue er sich zunächst über Google Earth an, dann fahre er hin und „gucke mir die Sachen vor Ort an“.
Die Leserinnen sind aufmerksam: „Im Rhein-Neckar-Zentrum gibt es nirgends Bratwurst mit Pommes“, sagt eine Zuhörerin leise neben mir – nicht immer stimmen die Details in Burgers Büchern.
Denn, „was sie sehen, sehen sie in ihrem Kopf“, sagt er. Das sei auch dichterische Freiheit. Denn Burger möchte, „den Film im Kopf des Lesers auslösen“. In Hamburg wird sich darüber keiner Gedanken machen. Und da steht er inzwischen auch im Regal, das freut ihn.
Sein nächster Krimi kommt am 10. März 2012 raus und „ich darf jetzt auch dickere Bücher schreiben“, erklärt Wolfgang Burger mit sichtlicher Freude.
„Die Überarbeitungen sind furchtbar.“ Wolfgang Burger
Ziemlich genau ein Jahr habe er Zeit für sein nächstes Buch. So sieht es der Vertrag vor. In einem drei- bis fünfseitigen Exposé stellt er die Idee für den nächsten Roman vor.
„Und am ersten November wird immer die erste Zeile geschrieben“, sagt Burger. Dann folge die erste, die dritte, die vierte, die fünfte Überarbeitung. „Das ist ganz furchtbar“, berichtet er. Danach geht der Roman an die Testleser, „da fühle ich mich wieder ganz klein“.
Ende September ist dann der Abgabetermin und der Oktober ist arbeitsfrei.
Das Gefühl „diesmal ist alles richtig, so schön wie nie zuvor!“, ändert sich schlagartig, wenn der überarbeitete Krimi aus dem Lektorat zurückkommt. Dann müsse man nochmals ran und die Arbeit am neuen Roman ruht.
Die letzte Möglichkeit nochmals etwas zu verbessern, ist im Dezember, wenn die Druckfahnen zurückkommen – „und man findet immer wieder Fehler“, weiß Burger. Damit meint er nicht unbedingt „Bratwurst mit Pommes“.
Er arbeite meist in den frühen Morgenstunden so zwischen fünf und acht Uhr.
„Zeit des unbewussten Nachdenkens“
Und dann gibt es noch die „Zeit des unbewussten Nachdenkens“, in der man der Geschichte und der Figur die Freiheit geben müsse, sich zu entwickeln. Das könne man nicht rational erklären, da habe auch er als Ingenieur begreifen müssen.
Auch wenn es die meisten Autoren abstreiten, in den Protagonisten finde man doch immer wieder autobiografische Züge, erzählt Burger.
Seine ersten Krimis, die noch in Karlsruhe spielten, waren nicht erfolgreich. Der Ort war nicht der richtige und der Figur des Protagonisten habe er zu wenig Bedeutung zugemessen.
Mit Heidelberg hat-€™s dann gepasst und vor allem mit seinem Kriminaloberrat Alexander Gerlach. In den typischen Ermittler-Figuren finde man oft den kauzigen Einzelgänger, ohne Familie, ohne Kinder, gerne auch mit einem Alkoholproblem.
Burger ist mit Gerlach eine neuartige Figur gelungen. Der Heidelberger Kripochef ist ein verträglicher Zeitgenosse, trinkt gerne mal ein Glas Wein, aber nicht zu viel, versteht sich sowohl mit seinen Mitarbeitern wie auch mit seinem Chef, auch wenn er zu diesem noch mal ein ganz spezielles Verhältnis hat, und er hat Kinder und zwar Töchter, wie der Autor selbst. Es sind Zwillinge und Mitten in der Pubertät. Und die kleinen und großen Sorgen, die er mit ihnen hat, sind für die Leser gut nachzuvollziehen.
Der Heidelberger Kripochef ist ein Erfolgsmodell
Die Figur ist ein Erfolgsmodell und Heidelberg – und seine Region – sind es auch.
Und das freut den Autor und man merkt es ihm an, wenn er stolz davon berichtet, dass er jetzt auch, wie schon erwähnt, in den Buchhandlungen in Hamburg zu finden ist und sein Verlag ihn mit ganzen vier Seiten in seinem Lesermagazin beworben hat – „das sind aufregende Zeiten“.
Die Zuhörer im Obsthof Schuhmann sind begeistert, eine lange Schlange bildet sich, um sich Bücher signieren zu lassen, und der Autor ist glücklich. So müssen Lesungen sein, auch wenn es heiß ist.