
Ministerpräsident Winfried Kretschmann im Gespräch mit fluegel.tv-Reporter "Putte" (Thorsten Puttenat) in der Villa Reitzenstein. Foto: fluegel.tv
Stuttgart/Rhein-Neckar, 30. September 2011. (red/fluegel.tv) Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann äußert sich im einzigen Interview zu den Ereignissen des „schwarzen Donnerstag“ am 30. September 2010: „Der Ausschuss hat herausgefunden, dass die Politik auf höchster Ebene Einfluss genommen hat.“ Kretschmann verurteilt die Polizeigewalt als “unverantwortlich-€. Im Exklusiv-Interview des Internetsenders fluegel.tv erklärt Winfried Kretschmann seinen Umgang mit der Macht und wie er den Volksentscheid einordnet: „Hinter dem Volksentscheid gibt es nichts mehr. Mehr Demokratie kann man nicht machen. Wenn es weiter zu Protesten geht, kann man nur dringend auffordern, friedlich zu bleiben.“
Von fluegel.tv
Dem Internetsender fluegel.tv ist es gelungen, Ministerpräsident Winfried Kretschmann für ein Exklusiv in Sachen „schwarzer Donnerstag“ zu gewinnen. In dem 20-minütigen Interview äußert sich der Grüne Ministerpräsident ausführlich zu seinem Wissensstand und seinem Verständnis mit dem Umgang der Macht. Seine zentrale Botschaft ist ein Appell an alle, sich demokratischer Mittel zu bedienen.
Ministerpräsident Kretschmann zum 30.09. from fluegel.tv on Vimeo.
Hintergrund
Bis zum 20.9.2010 war die auf Zurückhaltung bedachte Strategie der Polizei in Stuttgart – die “Stuttgarter Linie” – bundesweit bekannt und galt als besonders vorbildlich. Bei Konflikten vor dem 30.9. wie zum Beispiel beim Abbruch des denkmalgeschützten Nordflügels des Stuttgarter Bahnhofes kam es nie zu nennenswerten Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und den Demonstranten. Bei keinem Einsatz zuvor waren Wasserwerfer einsatzbereit direkt vor Ort.
Der Polizeieinsatz am 30.9. wurde – im Gegensatz zu allen vorherigen Einsätzen – schon sehr frühzeitig mit großer Härte geplant und durchgeführt. Eine schon einige Wochen vorher angemeldete Schülerdemonstration zum Thema Bildung fand parallel zu dem Polizeieinsatz am gleichen Ort statt. Daher waren schon kurz nach Beginn des Polizeieinsatzes viele hundert Schüler vor Ort – zum größten Teil ohne Begleitung ihrer Eltern. Der Stadt und auch der Polizei war die Schülerdemonstration vorher bekannt.
Wasserwerfer wurden als Angriffsmittel gegen am Boden passiv sitzende Demonstranten eingesetzt. Immer wieder wurden gezielte Wasserstöße auf die Köpf von Personen abgefeuert. Beides ist laut Dienstvorschrift für den Einsatz von Wasserwerfern nicht erlaubt. Auch fernab stehende Personen wurde ohne Vorwarnung vom Wasserwerfer erfasst. Der Wasserwerfereinsatz ging ohne Unterbrechung über mindestens 4 Stunden. Eine Person wurde durch einen Wasserstoß direkt auf den Kopf so schwer verletzt, dass der Mann fast völlig erblindet ist.
Sehr viele passive verhaltende Demonstranten wurden gezielt und zum Teil ohne Vorwarnung mit Pfefferspray besprüht – zum Teil sogar aus nur 30 cm Entfernung. Es wurden insgesamt mehr als 400 Personen verletzt – einige davon zum Teil schwer.
Bis heute ist unklar was im Vorfeld des 30.9. im Vergleich zu den anderen Polizeieinsätzen anders verlaufen ist. Herr Stumpf, der mittlerweile aus dem Polizeidienst ausgeschiedene Polizeipräsident von Stuttgart, nahm nach den Ereignissen des 30.9. alle Schuld auf sich. (http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.polizeipraesident-in-stuttgart-stumpf-geht-in-den-ruhestand.3df8de65-484b-433e-bad4-e0707ba4828f.html )
Es wurde ein Untersuchungsausschuss eingesetzt, um die Vorgeschichte zu dem Polizeieinsatz aufzuklären und um zu prüfen, ob es direkte politische Einflussnahme auf die Polizei durch die Landesregierung gab.Im Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses zum 30.9. kam die CDU zu dem Schluss, dass am 30.9. „zwei Lebenswirklichkeiten“ aufeinanderprallten.
Eine schlüssige Erklärung, warum genau dieses Aufeinanderprallen so aussergewöhnlich gewalttätig verlief, konnte der Untersuchungsausschuss leider nicht liefern.