Rhein-Neckar/Tunis, 26. Januar 2016. (red) “Nordafrikaner” ist ein Wort, das wohl mittlerweile jeder kennt. Firas Kefi ist ein “Nordafrikaner”, konkret ein Tunesier. Der junge Journalist schildert uns aus seiner Sicht, wie er auf die Verhältnisse schaut, die sein Land bestimmen. Tunesien galt als das Land, das am “fortschrittlichsten” vom “arabischen Frühling” profitiert hat. Doch die Prognose ist nicht gut. Der Großteil der Jugend ist perspektivlos.
Von Firas Kefi
Deutliche regionale Unterschiede. Eine Regierungsgewalt, die auf Sicht fährt. Eine extrem brüchige Wirtschaft und eine instabile gesellschaftliche Lage… Das ist seit Januar 2011 die Mischung für einen aktuell beispiellosen Protest.
Ein Jahr ist seit der Machtübernahme durch Nidaa Tounes vergangen – der Partei von Präsident Beji Caied Sebssi. Infolge zweier Siege in den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen. Die Demonstrationen in mehreren Regionen des Landes begleiten nun ein Jahr zwiespältiger Machtausübung.
Kein Antworten auf Herausforderungen
Die Regierung aus vier liberalen Parteien, darunter Ennahdha, der religiösen Partei, die zwischen 2011 und 2014 an der Macht war und deren mittelmäßige Bilanz das Motor von Nidaa Tounes während des Wahlkampfes war, hat keine Antworten auf die vielfältigen Herausforderungen gefunden.

“Der Kiosk-Mann” (Übersetzung von El Kochk) Firas Kefi.
Die regionalen Unterschiede zwischen der Küste und dem Hinterland Tunesiens existieren nach wie vor. Die Arbeitslosigkeit liegt bei 15,2 Prozent. Tatsächlich hat Tunesien bei den 18-29 Jährigen 70 Prozent Arbeitslose (612.000 in absoluten Zahlen), darunter mehr als ein Drittel Akademiker.
Diese Zahlen verdecken eine noch katastrophalere Realität, da sich die Zahlen zwischen den Küstenregionen und dem Hinterland noch deutlicher unterscheiden. Tatsächlich liegt die Arbeitslosigkeit im Nordosten um die 11 Prozent und damit nur etwa halb so hoch wie im Südosten, wo die Zahl fast 25 Prozent erreicht. Dieses Gefälle ist das Ergebnis einer Entwicklungspolitik – seit der Unabhängigkeit-, die die Regionen in der Mitte und im Süden vergessen und einen tiefen Graben geschaffen hat.
Null Wachstum als generelles Problem
Das Regierungsquartett hat es nicht geschafft, Strukturen zu implementieren, um das Problem in den Griff zu bekommen unter dem Tunesien seit Jahren leidet. Ein Problem, das einer der Gründe für die Revolution 2011 war.
Das Wachstum grenzt an Null und die zentralen, belebenden Wirtschaftszweige, darunter der Tourismus, der unter den Terroranschlägen gelitten hat, sowie die Düngemittelindustrie laufen auf Sparflamme.
In der Summe trifft eine eher schlechte Konjunktur auf einen durch die allgegenwärtigen Übel der Korruption und der Bürokratie blockierten Beschäftigungsaufschwung.
Die Partei Nidaa Tounes hat mit Regierungsantritt tiefgreifende Reformen in allen Bereichen versprochen. Aber diese lassen unter anderem aufgrund einer fehlenden klaren Vision der Regierungsparteien in Schlüsselbereichen wie der Beschäftigung und der Korruption auf sich warten. Ebenso wie eine Strategie, was den Terrorismus angeht.
Apathie
Eine apathische Regierung wird durch die Situation von Nidaa Tounes gebremst. Gespalten nach Vorstößen des Präsidentensohnes, der die Kontrolle der von seinem Vater gegründeten Partei erlangen wollte, während letzterer sich verfassungswidrig in die Angelegenheiten seiner Partei einmischte. Die Opposition versucht mehr schlecht als Recht zu protestieren, aber ohne Erfolg, da es ihr im Parlament an Stärke mangelt. Die kaum 30 Abgeordneten sind nicht in der Lage, effektiv den gelähmten Regierungsblock anzugreifen.

Eine 700.000-Einwohner-Metropole bei Nacht. Tunis. Ausgangssperre.
Die gesellschaftlichen Proteste, die nach dem Tod von Ridha Yahiaoui, einem Arbeitslosen, seit Jahren von Kasserine (Region im Westen) ausgehen und denen Demonstrationen in mehreren Regionen des Landes folgten, deren gemeinsamer Nenner das Fehlen einer echten staatlichen Entwicklungspolitik und Beschäftigungspolitik ist, zeigen, dass die “Dämonen” Tunesiens immer noch präsent sind.
Die Jugend begehrt auf
Die Jungen verlangen mehr Gleichberechtigung, weniger Korruption und eine echte staatliche Vision im Bereich der Entwicklung, die Investoren anzieht oder selbst in den Bereichen investiert, die vom Terrorismus bedroht sind. Einem Terrorismus, der vom Elend dieser Gebiete profitiert, um menschliche Bomben zu rekrutieren, die von der Regierung nicht rechtzeitig entschärft wurden.
Kaum begannen die Demonstrationen, reagierte die Regierung mit der Ankündigung durch einen Sprecher, 5000 Arbeitsplätze im öffentlichen Sektor in der Region Kasserine zu schaffen – was am nächsten Tag durch den Finanzminister dementiert wurde, der damit noch Öl ins Feuer goss.
Sicherheit vs. Entwicklung
Dieser fehlerhafte Kommunikation ist ein Symbol für die Unstimmigkeiten in der Regierung. Kasserine demonstriert nicht mehr allein. Andere Regionen schließen sich an um Arbeit und ein würdiges Leben zu fordern. Einige Randalierer wirbeln Staub auf, vor allem in der Hauptstadt – und im ganzen Land wird eine Ausgangssperre verhängt.
Die Abwesenheit des Regierungschefs, der sich in Davos und dann in Paris aufhält, dient nicht der Beschwichtigung der Lage.
Die Exekutive beschränkt sich auf einen auf Sicherheit ausgerichtete Linie – ohne konkrete Ankündigungen, wie die Lage zu entschärfen ist.
Unterm Strich: Ohne eine echte Reformpolitik, die Hoffnung und Klarheit bringt, wird der Protest in den kommenden Monaten eine feste Größe sein.
Zur Person:
Firas Kefi (22) ist in Tunis geboren und aufgewachsen. Er studiert am IPSI (Institute of Journalisme and Information Sciences ) in Tunis und arbeitet als Hörfunkjournalist für Express FM seit Juni 2015. Er interessiert sich für Musik, Comics und Geopolitik.
Anm. d. Red.: Firas Kefi und Hardy Prothmann, leitender Redakteur beim Rheinneckarblog, haben sich Anfang Dezember 2015 in Tunis kennengelernt. Die Deutsche Welle hatte zum “Young Media Summit” eingeladen, einem Austausch von deutschen und arabischen Journalisten und Bloggern, finanziert über das Auswärtige Amt.
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Der Artikelentwurf im französischen Original:
Disparités régionales criantes, un pouvoir qui navigue à vue, une économie rudement fragile et une situation sociale instable…Voici la recette d’une contestation sans précedent depuis la Janvier 2011.
Une année s’est écoulée depuis l’arrivée au pouvoir de Nidaa Tounes, le parti du président Beji Caied Sebssi, fort de deux victoires dans les législatives et les présidentielles. Les manifestations dans plusieurs régions du pays ponctuent une année d’exercice du pouvoir mitigée.
Le gouvernement formé de quatre partis libéraux ,dont Ennahdha le parti religieux qui était au pouvoir pendant la période 2011-2014 dont le bilan médiocre était le principal argument de Nidaa Tounes pendant la campagne éléctorale ,n’a pas réussi a répondre aux éxigeances sur plusieurs tableaux.
Les disparités régionales entre la côte et la Tunisie profonde sont encore intactes. Le chômage est à 15.2 %, en effet, la Tunisie compte 70 % de chômeurs dans les 18-29 ans au nombre de 612.000 dont plus du tiers est titulaire de diplômes supérieurs.
Ces chiffres cachent une réalité encore plus catastrophique puisque les pourcentages différent entre les régions côtiéres et les régions de la Tunisie profonde, en effet, dans le nord-est du pays le pourcentage de chômeurs est de l’ordre de 11 % soit deux fois moins que le sud-est ou ce chiffre monte à 25 %. Cette disparité est le fruit d’une politique de développement depuis l’indépendance qui a oublié ces régions du centre et du sud creusant des inégalités profondes à tout bout de champ.
Le quatuor gouvernemental n’a pas su mettre en place des structures pour régler ce probléme dont souffre la Tunisie depuis des années et qui était une des raisons de la Révolution de 2011. La croissance avoisine le zéro et les secteurs vitaux de l’économie dont le tourisme qui a souffert des actes terroristes ainsi que l’industrie du phosphate tournent au ralenti. En somme une conjoncture économique pas vraiment favorable a une reprise de la machine de l’emploi grippé par des maux profonds de corruption et de bureaucratie.
Le parti Nidaa Tounes a promis des réformes profondes dés sa prise du pouvoir dans les tous les secteurs mais ces derniers tardent à venir à cause d’entre autres de l’absence de vision claire des partis formant le gouvernement et de stratégie claire sur les dossiers clés que sont l’emploi, la corruption et le terrorisme. Une gouvernement apathique qui a été encore freiné par la situation de Nidaa Tounes qui s’est scindé en deux avec la poussée du fils du président désirant le contrôle du parti fondé par son papa et ce dernier contrairement à la constitution s’est mêlée des affaires de son parti publiquement. L’oppostiton tente tant bien que mal de faire crier son désaccord mais sans résultat car elle manque d’effectif au parlement (à peine 30 députés) pour pouvoir contester efficacement l’immobilisme du bloc au pouvoir.
Les contestations sociales partis de Kasserine (région du centre Ouest) aprés la mort de Ridha Yahiaoui un chômeur depuis des années suivie par des manifestations dans plusieurs régions du pays dont le dénominateur commun est l’absence d’une réelle politique étatique de développement et d’emploi montrent que les démons de la Tunisie sont toujours présents. Les jeunes réclament plus d’égalité,moins de corruption et une réelle vision étatique en matiére de développement en attirant des investisseurs ou en investissant elle-même dans ces zones limitrophes du Terrorisme. Terrorisme qui profite de la misére de ces zones pour recruter des bombes humaines non désamorcés par le gouvernement à temps. Manifestations aussitôt débutés et le gouvernement répond par des annonces fortes gouvernementales de 5000 emplois dans le secteur public pour la région de Kasserine via le porte parole, démentie le lendemain par le ministre des finances ajoutant de l’huile sur le feu. Cette bourde de communication monumentale est un symbole de la mésentente du gouvernement. Kasserine n’est plus seule à manifester, d’autres régions se joignent pour réclamer du travail et de la dignité. Quelques casseurs font tâche notamment dans la capitale et un couvre feu est décrété dans tout le pays. L’absence du chef du gouvernement, parti à Davos puis à Paris, n’est pas un signe d’apaisement. L’exécutif se limite à un discours axé sur la sécurité et sans annonces concrètes pour débloquer la situation
En somme, sans une réelle politique réformatrice, porteuse d’espoir et limpide, la contestation sera une valeur cotée dans les prochains mois.
Anm. d. Red.: Der Artikel ist möglichst präzise übersetzt, teils wurden sprachliche “Entsperrungen” vorgenommen. Wir dokumentieren aus Transparenzgründen das Original. Sie sehen uns nach, dass wir nicht in Diskussionen einsteigen, ob man das “so oder so” hätte übersetzen müssen. Sollten wir Fehler gemacht haben, können Sie diese konkret und argumentativ benennen.