Rhein-Neckar, 25. Februar 2016. (red) Haben Sie Parteienwerbung bei uns bemerkt? Ziemlich sicher. CDU-Kandidaten werben, AfD-Kandidaten werben, ein Die Linke-Kandidat wirbt. Und eventuell noch die FDP. Sie sehen keine Werbung von SPD und Grünen. Dazu ein paar Gedanken.
Von Hardy Prothmann
Journalismus finanziert sich aus drei Quellen: Gebühren, die nehmen aber nur die Öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ein. Privaten Medien bleiben Werbeerlöse und Verkäufe. Private Fernseh- und Radiosender können nur von Werbung leben, Printmedien durch Werbung, Verkauf und Abonnements. Die allermeisten Internetmedien (wie wir) müssen überwiegend Werbeerlöse erzielen. Eine Paywall haben wir nicht, wollen wir nicht, dafür aber Förderkreismitglieder, die uns freiwillig ein “Abo” zahlen. Vielen herzlichen Dank dafür.
Politik ist das unlukrativste Geschäft
Politik nimmt einen großen Raum unserer Berichterstattung ein. Ganz klar. Wo werden welche Steuergelder investiert? Wer fordert was? Politik ist Öffentlichkeit, gestaltet Öffentlichkeit und bildet Meinungen – das ist ein gewichtiger Teil unserer Berichterstattung. Wenn nicht der gewichtigste.
Gleichzeitig “verdienen” wir mit der Politik am wenigsten. Alle fünf Jahre sind Kommunal- oder Landtagswahlen, alle acht Jahre Bürgermeisterwahlen in den Gemeinden. Gleichzeitig sind das die allerlautesten Einlader: Termin hier, Veranstaltung da, Gespräch dort. Politik lebt von Öffentlichkeit. Journalismus stellt Öffentlichkeit her.
Unsere Redaktion wird gerne eingeladen und umworben mit all den Terminen und Themen – von allen Parteien. Sie wollen unsere Leistung – aber überwiegend sind sie nicht bereit, uns auch Umsätze zu liefern.
Journalismus unter Druck
Der Journalismus in Deutschland steht seit Jahren unter einem enormen Druck – weil Werbeerlöse fehlen. Es wurden schon mehrere Zeitungen eingestellt, die Financial Times Deutschland beispielsweise. Eine Wirtschaftszeitung, die sich nicht halten konnte, weil offenbar auch die Wirtschaft nicht bereit war, genug Anzeigen zu buchen, damit die journalistische Arbeit finanziert werden kann.
In den vergangenen zehn Jahren haben weit mehr als 10.000 Journalisten ihren Job verloren. Was boomt, ist das Agenturgeschäft. Also Dienstleister, die für sehr teuer Geld schöne Scheinwelten produzieren und diese Medien andienen – “umsonst”. Die Auftraggeber dieser Agenturen zögern überhaupt nicht, das teure Geld zu bezahlen – für Anzeigen in Medien bleibt dann leider kein Geld.
Lausige Cent für Journalisten – pralle Aufträge für Werbeagenturen
“Wir Medien” sollen dann das für teuer Geld produzierte Agenturmaterial “verbreiten” – und nichts daran verdienen. In der Politik läuft das ähnlich. Man sucht sich die Journalisten aus, die am besten die eigene Botschaft verbreiten und denkt, dass die Journalisten darüber doch glücklich sein müssten.
Sie haben es schließlich “exklusiv” – wenn auch mit Null Umsatz. Und wer nicht spurt, der bekommt halt keinen Zugang. Und wer nicht so funktioniert, wie man sich das vorstellt, der erhält auch nicht einmal einen Krümel Umsatz.
Ein Angebot, das SPD und Grüne nicht angenommen haben
Wir haben alle Parteien angeschrieben und ein Angebot gemacht. Insbesondere SPD und Die Grünen haben überwiegend noch nicht einmal reagiert. Und wenn, wurden Werbungen von dieser “anderen” Partei als Grund für keine Werbung angedeutet.
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Diese andere Parteien haben gebucht, erfreuen sich unserer steigenden Aufmerksamkeit durch steigende Zugriffe und Bedeutung. Und dürfen sich freuen, eine bessere Aufmerksamkeit zu genießen.
Unser Journalismus ist nicht buchbar
Die Parteien buchen Werbung – nicht Journalismus. Aber über die Einnahmen wird Journalismus finanziert.
SPD und Grünen nehme ich übel, dass sie einerseits lauthals für Meinungsfreiheit einzustehen vorgeben, andererseits dafür keinen Cent dafür übrig haben, wenn nicht so berichtet wird, wie es ihnen passt.
Pressefreiheit gefordert? Aber bitte nicht durch SPD und Grüne
Wer Pressefreiheit fordert, diese aber boykottiert, indem man bewusst keine Anzeigen schaltet, um ja nicht zu “finanzieren”, dass über andere Parteien geschrieben wird, der ist nicht nur unehrlich, sondern durchtrieben. Und insgesamt ist diese Haltung unterm Strich leider nur dumm.
Meinungsfreiheit lebt von Meinungsvielfalt. Und eine offene Gesellschaft braucht kritische Medien mehr als Werbe-Agenturen. Tatsächlich gibt es immer weniger Medien und immer weniger kritischen Journalismus, dafür aber PR-Leute und Werbe-Agenturen. Wer jetzt darüber nachdenkt, dass die Gesellschaft irgendwie nicht mehr so offen, sondern beklemmt und woran das liegen könnte, der ist möglicherweise auf der richtigen Spur.
Lokaljournalismus ist überwiegend strippengezogen
Ich habe im Lokaljournalismus begonnen. 1991-1994. Bis 2009 war ich nur überregional und international tätig und hatte mit dem Geschäft hinter dem Journalismus nichts zu tun, weil ich als freier Journalist Zulieferer war.
Seit Mitte 2009 baue ich dieses Angebot auf und schaue teils in Abgründe, die mich frösteln lassen. Insbesondere dort, wo Journalismus eigentlich am nächsten an den Menschen sein sollte, werden am heftigsten die Strippen gezogen.
Sie, liebe Leserinnen und Leser, lesen in keinem anderen Medium einen solchen Text. Denn ein solcher Text beendet “Geschäftsbeziehungen” enorm schnell – auch die, die noch gar nicht bestehen.
So viel Ehrlichkeit finden Sie nirgendwo sonst und mit so viel Ehrlichkeit können die allermeisten Ehrlosen nicht umgehen.
Vielleicht bedeutet zu viel Ehrlichkeit irgendwann das Ende dieses journalistischen Angebots. Dann ist das halt so. Dann regiert die Unehrlichkeit durch.
Wir freuen uns auf die Festrede zum 50-Jährigen
Wir erwarten im Schlussspurt der Landtagswahl von SPD und den Grünen keine Werbung mehr. Geschäftlich ist das kein Erfolg und wir finden es schade, dass die dortigen Ideologien offenbar betonierter sind, als die Erkenntnis, dass man gerade über uns viel jüngere und interessierte Menschen erreicht, als über die Zeitungen. Berichte wie dieser sind Signal und Aufforderung zugleich – wie man das versteht, hängt von den eigenen intellektuellen Fähigkeiten ab.
Redaktionell lassen wir uns davon nicht beeinflussen – wir berichten wie gewohnt an Inhalten und Fakten orientiert und ordnen diese ein. Wir entwickeln uns geschäftlich und von der Resonanz her sehr erfolgreich. Aber die Bedingungen sind extrem hart.
Eins ist sicher: Falls wir mal ein Unternehmen werden, das ein 50-jähriges Jubiläum feiert, werden wir sicher in der Festrede erwähnen, dass insbesondere die SPD und die Grünen genau kein Interesse daran hatten, dass es uns mal so lange gibt. Und ganz sicher werden Vertreter von SPD und Grünen auf der Basis der Erfahrungen aus den Anfangsjahren nicht auf der Ehrengäste-Liste stehen. Wir werden auch in 45 Jahren faktenorientiert sein und schließen nicht aus, dass Ideologen normal werden.
Und wir werden allen danken, die gerne als Werbepartner die von uns erzeugte Aufmerksamkeit nutzen und allen Förderkreismitgliedern, die freiwillig unsere Arbeit unterstützen.
Übrigens: Sprechen Sie doch mal “Ihren” Kandidaten an und fragen, worum es bei uns keine SPD oder Grünen-Werbung gibt? Viel Spaß mit den Gesichtern und den “Erklärungen”. 😉
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