Oftersheim/Rhein-Neckar, 17. August 2016. (red/pro) Die “Entrümpelung” einer Notunterkunft am 12. August in Oftersheim hat für mächtig Ärger gesorgt. Erst kam es an diesem Freitagnachmittag zu “tumultartigen” Zuständen, 20 Streifenwagenbesatzungen waren nötig, um die aufgeheizte Atmosphäre zu beruhigen. Dabei wurde auch Pfefferspray gegen Asylbewerber eingesetzt. Im Anschluss formulierte der “Asylkreis” Oftersheim heftigste Anschuldigungen gegenüber dem Landratsamt.
Von Hardy Prothmann
“Menschenunwürdige Unterbringung”, “unverhältnismäßige, unnötige Härte”, “Missachtung der Sorgfalts- und Dienstpflicht” – das sind nur einige der Vorwürfe, die die freiwilligen Flüchtlingshelfer vom “Asylkreis Oftersheim” gestern in Richtung Landratsamt Rhein-Neckar geschleudert haben. Doch was davon ist zutreffend, was nicht?
Silke Hartmann, Pressesprecherin des Landratsamts sagt auf Nachfrage:
Von diesem Sachverhalt, wie er vom Arbeitskreis Asyl in Oftersheim dargestellt worden ist, sind wir sehr überrascht, da eine solche Aktion nicht mit unserer üblichen Vorgehensweise konform geht. In den Hallen, die als Notunterkünfte betrieben werden, existiert eine Hallenordnung, die in verschiedenen Landessprachen aushängt. Hätte zur Brandverhütung ein „Stubendurchgang“ stattfinden sollen, hätten wir ihn vorher schriftlich per Aushang angekündigt, auf die Erfordernisse und Probleme hingewiesen und die Bewohner der Flüchtlingsunterkunft gebeten, brandauslösende Gegenstände freiwillig abzugeben (diese hätten wir dann aufbewahrt, bis die Bewohner die Unterkunft verlassen).
Offenbar handelte es sich um eine eigenmächtige Aktion der dort eingesetzten Security-Firma – die “Entrümpelung” war mit dem Kreis nicht abgestimmt und nicht angeordnet.
Kreis weist Vorwürfe zurück
Vorwürfe des Asylkreises, die Würde der Asylbewerber werde verletzt, weist der Rhein-Neckar-Kreis zurück. Selbstverständlich werde die Würde geachtet. Auch habe der Kreis nicht “unverhältnismäßig” gehandelt – denn er habe diese Aktion nicht veranlasst, also konnte auch keine mildere Maßnahme gewählt werden.
Zu Vorwürfen, die Ausstattung der Unterkunft sei “menschenunwürdig”, erklärt das Landratsamt eindeutig: Die Ausstattung ist spartanisch und entspreche der in allen Notunterkünften, also aus Bett, Tisch, Stuhl und Spint. Es sei zutreffend, dass es einige Wochen gedauert hätte, bis die Ausstattung vollständig war – aber oberste Prämisse sei die Vermeidung von Obdachlosigkeit gewesen, was als Ziel erreicht worden sei. Alle anderen Maßnahmen habe man so schnell als möglich getroffen. Teils habe es Lieferengpässe gegeben, aber seit einigen Monaten sei die Unterkunft so ausgestattet wie alle Notunterkünfte im Kreis.
Alleinstehende Männer
270 Plätze gibt es dort, aktuell leben 226 alleinstehende Männer in der Unterkunft aus verschiedensten Nationen. Diese werden zentral verpflegt, weshalb es in den Notunterkünften grundsätzlich keine Kochmöglichkeit oder Kühlschränke gebe. Der Asylkreis wirft dem Landratsamt genau das vor – zur Verbesserung der Lebenssituation habe man Kühlschränke organisieren wollen, dies sei aber vom Kreis “blockiert” worden.
Aktuell sei der Kreis weiterhin bemüht, die Menschen aus den Notunterkünften wie der Gewerbehalle in Oftersheim in Gemeinschaftsunterkünften unterzubrigen, die mehr Privatsphäre ermöglichen. In Oftersheim leben die Bewohner in “Parzellen” für zwölf Personen. In Gemeinschaftsunterkünften teilen sich meist zwei bis vier Personen einen Raum – ob in einer Containersiedlung oder in festen Gebäuden.
Selbstverständlich sind die Lebensbedingungen hier nicht optimal und bieten nur eine “gewisse” Privatsphäre. Aber es ist und bleibt eine Notunterkunft. Sie vermeidet als Hauptziel Obdachlosigkeit, das nächste Ziel ist die Unterbringung in einer tatsächlichen Gemeinschaftsunterkunft. Daran arbeiten wir seit der Flüchtlingskrise mit Hochdruck,
sagt Silke Hartmann.
Illegal Strom angezapft? Prüfung und Gespräche angekündigt
Informationen, die uns vorliegen, dass beispielsweise illegale Stromleitungen verlegt worden seien, wolle der Kreis aufgrund unserer Anfrage prüfen. Bislang ist dies dort nicht bekannt. Über größere Anhäufungen von Mobiliar und technischem Gerät sei dem Kreis ebenfalls nichts bekannt gewesen – deswegen habe es ja auch keine Anordnung gegeben, entsprechende Maßnahmen einzuleiten. Daher könne auch von einer “Verletzung der Dienstpflicht”, wie der Asylkreis behauptet, keine Rede sein.
Selbstverständlich sei es den Asylbewerbern gestattet, gewisse Habseligkeiten zu besitzen – aber eben nur in einem geringen Umfang, in einer Notunterkunft habe dies “natürliche Grenzen”. Man werde sich bemühen, “entsorgte” Dinge, sofern möglich, an die Bewohner zurückzugeben.
Mit Bezug werde die Unterkunft von einem Sicherheitsdienst bewacht – zuletzt von fünf Security-Mitarbeitern. Wie Mobiliar und andere Güter in die Notunterkunft gelangt sein könnten, müsse der Kreis nun prüfen. Dort sei dies nicht bekannt gewesen.
Mit der Gemeinde Oftersheim und dem “Asylkreis” wolle man zügig Gespräche führen, um den aktuellen Vorfall zu klären und sich gemeinsam zu verständigen.
Hinweis: Lesen Sie hierzu auch unseren Kommentar “Überforderte Flüchtlingshelfer“.
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