Rhein-Neckar, 11. Juni 2012. Sind Langschläfer nachts aktiv und demnach kreativ und sind Frühaufsteher diszipliniert und langweilig? Warum geht der eine nicht einfach früh ins Bett und der andere schläft einfach länger? Gabi macht sich so ihre Gedanken.
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Langschläfer oder Frühaufsteher? Das ist hier die Frage. Foto: Rheinneckarblog.
„Der frühe Vogel fängt den Wurm“ oder „der frühe Vogel kann mich mal“, was ist Ihre Devise?
Also es gibt Langschläfer und Frühaufsteher. Und ich gehöre eindeutig zu den Frühaufstehern.
Jede Kategorie für sich, hat noch keine Probleme – die fangen immer dann an, wenn dass eine System mit dem anderen konfrontiert wird. Sprich in der Familie, im Freundeskreis, bei der Arbeit oder auch im Urlaub. Ich kann davon ein Lied singen.
In meiner Jugend hatte ich eine Freundin, die eindeutig zu den Langschläfern gehörte. Habe ich bei ihr übernachtet, musste ich morgens stundenlang warten, bis sie aufgewacht war.
„Dann schlaf doch einfach länger“
Gut gemeinte Ratschläge wie „dann schlaf doch einfach länger“ funktionieren nicht, denn bin ich wach, bin ich wach. Ausschlafen heißt für mich, ich wache ohne Wecker auf – und das ist dann meist so zwischen 7:00 und 8:00 Uhr – springe aus dem Bett, bin fit und der Tag kann kommen.
Für andere Menschen heißt ausschlafen, wach werden, dösen, einschlafen, dösen …
Mit Horror erinnere ich mich noch an einen Sprachaustausch, den ich mit 16 Jahren machte. Ich verbrachte drei Wochen bei einer Familie in London und teilte mir mein Zimmer mit einer weiteren Austauschschülerin aus Frankreich.
Martine und ich verstanden uns prima, gemeinsam eroberten wir tagtäglich die große Metropole und hatten viel Spaß.
Doch morgens hörte der Spaß auf: Martine gehörte zu den Langschläfern und das hieß, sie schlief bis mindestens 11:00 Uhr. Und dem nicht genug, auch der Rest der Familie, die Mutter und die beiden Töchter, war standen vor dieser Zeit nicht auf, nur der Vater verließ frühmorgens zur Arbeit das Haus.
Die Qual des frühen Aufwachens
So lag ich ab 8:00 Uhr hellwach in meinem Bett, konnte ob der zugezogenen Jalousien nicht lesen und wartete bis sich irgendwas im Haus rührte – und glauben Sie mir, drei Stunden dehnen sich endlos dahin.
Ich hatte immer Freunde, die morgens nicht aus dem Bett kamen und so wird es Sie sicherlich nicht wundern, dass auch mein Mann eher zu der Kategorie der Langschläfer gehört.
Meine Kinder wiederum sind Frühaufsteher beziehungsweise waren es, bis sie in die Pubertät kamen.
Zuhause ist das auch alles kein Problem, so stehe ich sonntags früh auf, erledige den Haushalt, lese und freue mich, sobald irgendwann irgendwer zu Frühstück kommt.
Anders ist das im Urlaub. Denn anscheinend wird ausschlafen mit Freizeit und Genuss assoziiert, frühes Aufstehen hingegen mit Alltag und Quälerei.
Dementsprechend gibt es in vielen Clubhotels zwar das Spätaufsteherfrühstück, aber vor 8:00 Uhr geht meistens gar nichts, denn man hat Urlaub und das heißt man sollte den Tag genießen und erst mal ausschlafen.
Meine Energie ist morgens am größten, gleich nach dem Aufstehen könnte ich Berge versetzen, die Schübe nehmen im Laufe des Tages ab und am Abend ist die Luft raus. So habe ich auch in meiner Studienzeit nicht bis tief in die Nacht, sondern am frühen Morgen gelernt.
Das heißt zwar nicht, dass ich mit den Hühnern schlafen gehe, aber die Abende sind eindeutig nicht meine aktivste Zeit.
Während der Langschläfer am Abend oft überlegt, kann ich noch bei XY anrufen, frage ich mich morgens oft, kann ich schon bei XY anrufen.
Nenne mir deinen Beruf, ich sage dir, wie du schläfst?
In bestimmten Berufen trifft man besonders häufig auf die jeweilige Kategorie.
Künstler, Musiker, Journalisten gehören eindeutig eher zu den Nachtmenschen, sprich Langschläfern.
Lehrer, Bankangestellte, der Beamte überhaupt, eher zu den Frühaufstehern.
Heißt das, wir sollten uns einen Beruf nach dem eigenen Lebensrhythmus aussuchen? Und was macht der Radiomoderator, der die Frühschicht hat? Was macht überhaupt der Schichtarbeiter?
Bestimmte Lebensbedingungen, wie Arbeitszeiten und kleine Kinder, zwingen uns, den eigenen Lebensrhythmus zu ändern – das schafft man, aber verändern sich diese Lebensbedingungen wieder, fällt man auch in seinen alten Rhythmus zurück.
Während frühes Aufstehen mit Produktivität und Disziplin verbunden wird, haben die Nachtschaffenden oft die Aura der Kreativität.
Der Schriftsteller, der bis tief in die Nacht mit Rotwein und Zigaretten seine Gedanken zu Papier bringt, ist ein Bohemian, der Bankangestellte, der um 8:00 Uhr morgens geduscht, mit Anzug und Kravatte am Schalter steht, dagegen eher der Spießer.
Und Ausnahmen – wie immer – bestimmen auch hier die Regel.
Kein Verständnis für Langschläfer
Vor Kurzem habe ich einen Beitrag im Radio gehört, in dem sich eine Journalistin darüber beschwerte, dass unsere Gesellschaft kein Verständnis für Langschläfer hat und diese mit Taugenichten und Sozialschmarotzern gleichsetzt.
Schulbeginn, Behördenzeiten, Arbeitsanfang – all das sei dem Frühaufsteher geschuldet und Langschlafen als unproduktiv und undiszipliniert verschrien.
Dabei würden gerade die Langschläfer dann aktiv, wenn die anderen schon als Couchpotatoes vor der Glotze abhängen.
Schließlich sei es nur ein anderer Rhythmus, der Langschläfer schlafe nicht mehr, sondern einfach nur zu anderen Zeiten.
Es liege schlicht, so die Journalistin, an einer biologischen Disposition, denn wer zwinge Eulen dazu, nachts aktiv zu sein und den Hahn früh morgens zu krähen.
Gut, dachte ich mit, das leuchtet mir ein, aber der Mensch ist nun mal ein „Tag-Tier“, unsere Augen sind auf Tageslicht ausgerichtet und erst die Erfindung der Glühbirne ermöglicht es uns, die Nacht zum Tag zu machen.
Doch Hinweise wie, „dann schlaf doch einfach mal länger“ sind genauso unproduktiv wie im Gegenzug „dann geh‘ doch einfach mal früh ins Bett“.
In ihrem Plädoyer für die Langschläfer, fordert die Journalistin den früh aufstehenden Teil der Bevölkerung auf, doch mal nicht mit Häme und dem Satz „Ach, auch schon wach“, sondern mit „Schön, dass du da bist“, den sich aus dem Bett quälenden Langschläfer zu empfangen.
Und ich möchte dafür von den Langschläfern aber nicht mehr hören, „Oh Gott, seit wann bist du schon wieder auf“, sondern ein: „Toll, was du schon alles erledigt hast“.
Wie bei vielen Dingen des Lebens, ist auch hier Toleranz und Flexibilität anstelle der Konkurrenz gefragt.