Mannheim, 10. Juli 2014. (red/hp) Der Mannheimer Gemeinderat will in der letzten Sitzung der Wahlperiode die Geschäftsordnung des Gemeinderats neu beschließen und wird zwei eklatante Fehler machen. Einerseits sollte die Zahl der für eine große Fraktion notwendigen Mitglieder heruntergesetzt werden, wofür es aber anscheinend keine Mehrheit mehr geben wird. Andererseits sollten die Rechte von Einzelmitgliedern beschnitten werden. Beides wird den Gemeinderat als Hauptorgan der Stadt enorm schwächen und sollte dringend erst nach einer Denkpause neu verhandelt werden.
Von Hardy Prothmann
Man glaubt es kaum, aber die sonst CDU-lastige Zeitung Mannheimer Morgen wetterte heftig dagegen, dass die CDU weiter große Fraktion bleibt. Bei der aktuellen Kommunalwahl haben die Konservativen drei Sitze verloren und zählen nur noch 12 Ratsmitglieder – zu wenig für eine “große Fraktion”. Damit würde die Partei eine Personalstelle verlieren, die die Stadt finanziert. Das Argument, hier würden “Mehrkosten” entstehen, wenn man die Zahl der notwendigen Mitglieder von 13 auf 10 für eine große Fraktion verringert, ist Blödsinn. Ändert man nichts, spart man höchstens ein.
Doch was? Zwei Stellen, die für die Fraktion arbeiten. Unterlagen sichten, Recherchen machen, Anträge vorbereiten. Diese hauptamtlichen Mitarbeiter entlasten die ehrenamtlichen Stadträt/innen enorm. Selbst Thomas Trüper, Stadtrat Die Linke, sagt ihm Gespräch mit uns, dass es ein Fehler wäre, nur noch eine große Fraktion zu haben: “Wir ehrenamtlichen brauchen dringend Zuarbeit – wir entscheiden hier über ein Haushaltsvolumen von 1,1 Milliarden Euro. Das ist in der Freizeit nicht zu machen.”
Wir haben uns die Regelungen in anderen großen Städten angeschaut. Große und mittlere Fraktionen gibt es dort nicht. Die politischen Gruppierungen werden meist nach der Zahl ihrer Mitglieder “entschädigt”. Diese Entschädigungen werden nach unterschiedlichen Regelungen gewährt – ob als Sitzungsgeld oder Kopfbetrag pro Fraktionsmitglied. So gesehen wird die CDU gegenüber der SPD, die mit 13 Sitzen nur einen mehr hat, enorm benachteiligt. Politisch mag das den ein oder anderen freuen – praktisch geht ein Kompetenzverlust damit einher, der allen Mannheimer Bürger/innen im Zweifel eher ein Schaden ist. Ob man nun die CDU-Politik gut findet oder nicht – sie ist Teil des Abwägens von politischen Positionen und immerhin stellen SPD und CDU mit zusammen 25 Mitglieder mehr als die Hälfte der Räte.
Umgekehrt will man die Rechte von Einzelmitgliedern enorm einschränken und deren Position schwächen. Der Grund ist klar: Mit Christian Hehl ist ein Rechtsradikaler der NPD in den Gemeinderat gewählt worden und dem will man mit allen Mitteln die politische Partizipation verbauen. Auch das ist ein enormer Schaden für die Demokratie – gute Demokraten achten die Souveränität der gewählten Vertretet als Grundprinzip der repräsentativen Demokratie.
Die FDP kritisiert zu recht, das hier Stadträte erster und zweiter Klasse definiert werden sollen. Und das darf nicht sein. Niemals. “Wir können nicht, nur weil wir die politische Gesinnung eines einzelnen Einzelstadtrats entschieden ablehnen zentrale Regeln unserer Demokratie über Bord werfen”, sagt die frühere Bundestagsabgeordnete Dr. Birgit Reinemund (FDP).
Ihr Fraktionskollege Volker Beisel spricht von einer “Selbstbedienungsmentalität” bei den großen Parteien und irrt. Zunächst hat er Recht: Selbstverständlich hat die CDU verloren und selbstverständlich hat sie nach den aktuellen Regeln keinen Anspruch, große Fraktion zu sein und selbstverständlich ist es unfein nach dem Spiel (Wahl) die Regeln ans Ergebnis anzupassen. Aber was ist die Alternative? Ein geschwächter Gemeinderat?
Man kann die Selbstbedienung ausschließen, wenn man beispielsweise regelt, dass Posten wie Fraktionsgeschäftsführer, Sekretariat und Assistenz nicht von gewählten Stadträt/innen besetzt werden dürfen – eine Vorteilnahme wäre ausgeschlossen. Man kann die Aufwandsentschädigung für die Stadträt/innen verringern und durch Sitzungsgelder erhöhen – das fördert die Teilnahme, auch wenn mancher sich das Geld trotzdem nicht durch inhaltliche Teilnahme, sonder eher durch Sitzfleisch “verdient”.
Und überhaupt: Wenn die Zeitung und gewisse Kritiker alle gewählten Vertreter über einen Kamm scheren und behaupten, “die” würden sich nur bereichern wollen, dann ist das nicht nur komplett dumm, sondern sogar gemeingefährlich. Denn nicht wenige Bürger/innen werden “offizielle” Meinungen der Medien so übernehmen und nicht verstehen, dass die 48 Stadträt/innen ein Ehrenamt ausüben. Fast 1.000 Euro pro Monat wirken auf manche wie ein “Salär” – tatsächlich reicht das Geld nicht ansatzweise für einen “Mindestlohn”, wenn man die Aufgabe ernsthaft ausübt. Da kommen locker über 20 Stunden pro Woche zusammen. Sitzungen, Termine, Sprechstunden, Lektüre, Debatten – die Liste der Tätigkeiten ist lang.
Der Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz sollte den Tagesordnungspunkt zurückziehen und stattdessen eine Arbeitsgruppe einsetzen und die vorbildlichste Regelung in ganz Baden-Württemberg finden, statt wegen eines Rechtsradikalen demokratische Rechte auszuhöhlen und sich erst zu schnell vorzuwagen, um dann die Unterstützung zu verlieren. Insbesondere ein Jahr vor der nächsten Oberbürgermeisterwahl könnte Herr Dr. Kurz hier glanzvoll punkten, indem er dem Hauptorgan der Gemeinde die Achtung und den Respekt beweist, die diese Versammlung braucht, um das Wohl der Gemeinde zu fördern und Schaden von ihr abzuwehren.