Ladenburg, 08. April 2011. (red) Der Mannheimer Morgen berichtet in der Ausgabe „Rhein-Neckar“ am 07. April 2011 über einen „grausigen Fund“ – ein Kaninchen wurde tot in einer Plastiktüte gefunden. Steckt ein Kapitalverbrechen dahinter?
Von Hardy Prothmann
Es gibt Meldungen, die lassen einen auf den ersten Blick bass staunen: „Totes Kaninchen in der Tüte: 500 Euro Belohnung ausgesetzt„, titelt der „MM“.
Es gehe um einen „grausigen Fund“, den eine Spaziergängerin gemacht habe. Sie soll „am Bach zwischen Schützenhaus und AWO-Kinderheim am Neuweg“ zwei tote Kaninchen in einer Tüte gefunden haben.
MM-Redakteur Hans-Jürgen Emmerich benutzt wie üblich eine Pressemitteilung, in diesem Fall der „Tierschutzorganisation Peta“ und gibt sie als Eigenrecherche aus. Vollständig ungeprüft übernimmt er Aussagen und die Darstellung, dass „der Täter die Kaninchen gewissenlos getötet hat“.
Ein Bild der Deutschen Nachrichtenagentur (dpa) bekommt die Bildunterschrift: „Klein, süß und unschuldig: Ein Kaninchen wie dieses musste trotzdem sterben, Tierschützter suchen jetzt nach dem Täter.“
Behauptungen statt Fakten
Die Behauptung von Peta, die Polizei habe sich nicht gekümmert, lässt er weg, denn er erhält die Auskunft, dass die Polizei sehr wohl die toten Tiere in Augenschein genommen und danach dem Bauhof zur Entsorgung übergeben hat. „Spuren von Gewalteinwirkung“ wurden nicht entdeckt, schreibt Emmerich. Wir haben das überprüft und auch uns gegenüber bestätigt das die Polizei.
Emmerich erfährt auch, dass nur ein Kaninchen in der Tüte gefunden wurde und ein zweites in der Nähe. Er dokumentiert das auch – freilich ohne sich selbst die Frage zu stellen, was die „Zeugenaussagen“ und die Behauptungen wert sind. Die Spaziergängerin sagt: Zwei Kaninchen in der Tüte. Peta behauptet das in der Pressemitteilung – die Polizei sagt, ein Kaninchen in der Tüte, ein zweites Wildkaninchen mit „Wildfraßspuren“ in der Nähe.
Keine „Soko Kaninchen“
Die Polizei hat auf eine „Autopsie“ verzichtet, denn sie konnte durch Augenschein keine Gewalteinwirkung feststellen. Sie spricht auch nicht vom „Täter“, sondern vom „Betroffenen“ – so heißt das im Falle einer möglichen Ordnungswidrigkeit. Denn richtig ist, dass man Tiere nicht einfach in der Gemarkung entsorgen darf. Selbstverständlich ist der „Vorgang aktenkundig“ – auf die Einrichtung einer „Soko Kaninchen“ hat die Polizei aber verzichtet.
Tatsächlich wurde also ein totes Kaninchen in einer Tüte gefunden und zu einer Story aufgeblasen, deren Inhalt mehr als fragwürdig ist. 500 Euro Belohnung? „Zur Ergreifung des gewissenlosen Täters?“ Ein Zeugenaufruf „zur Ergreifung des Täters“, der „jeden Respekt vor dem Leben verloren hat“, wie die „Kampagnenleiterin“ von Peta, Nadja Kutscher, zitiert wird?
Verbrechen?
Woher weiß die Frau, die in Stuttgart lebt und die Kaninchen nicht gesehen hat, ob hier „Gewalt im Spiel“ war? Wieso geht sie davon aus, dass „der Täter die Kaninchen getötet hat“? Wie kann sie behaupten, dass jemand „die Kaninchen gewissenlos getötet hat“? Wie kommt sie darauf, von einem „Verbrechen“ zu sprechen?
Nur soviel ist sicher: Das Ablegen von Tierkadavern im öffentlichen Raum ist eine Ordnungswidrigkeit. Die hat wohl stattgefunden. Die Frage, warum, ist nicht geklärt und wird es wohl auch nie werden. Vielleicht ist das Kaninchen einfach so gestorben. Und der „Täter“ hat keinen Garten, um es zu verbuddeln und kein Geld, um es einer „Entsorgung“ zuzuführen oder war schlicht und einfach überfordert.
Wenn der „Täter“ clever ist, stellt er sich selbst der Polizei, kassiert die Belohnung, zahlt davon das Ordnungsgeld und behält bestimmt noch jede Menge Geld übrig.
Der MM kann dann eine „Geschichte nachschieben“: „Eiskalt – wie der Täter seine gruselige Ordnungswidrigkeit auch noch zu Geld machte. Hat er überhaupt kein Gewissen?“