Dossenheim/Rhein-Neckar, 06. April 2020. (red/pro) In der Berichterstattung konzentrieren sich viele Medien auf das Handeln der Politik in den Großstädten – doch wie sieht es in kleineren (Wohn)Gemeinden aus? Dossenheims Bürgermeiter David Faulhaber berichtet im Gespräch mit dem Rheinneckarblog über seine Erfahrungen in der Corona-Krise.
Interview: Hardy Prothmann
Herr Bürgermeister Faulhaber, Sie waren vor Ihrem Amtsantritt Polizeibeamter. Inwieweit ist das aktuell hilfreich?
David Faulhaber: Die Verwaltungsausbildung innerhalb der Polizei ist selbstverständlich hilfreich. Auch zu wissen wie der Polizeiapparat funktioniert und dass wir eng mit dem Polizeipräsidium Mannheim und dem Polizeirevier Heidelberg Nord zusammenarbeiten, erleichtert die Situation. Entscheidend ist jedoch etwas ganz Anderes: wie wir miteinander umgehen. Innerhalb des Bürgermeistersprengels, innerhalb der Verwaltung, mit anderen Behörden wie dem Landratsamt und dem Gemeinderat sowie selbstverständlich auch mit unseren Bürgerinnen und Bürgern. Und hier konnte ich ganz klar die Erfahrung machen, dass sich alle gemeinsam der Herausforderung stellen, zusammenhalten und eine neue Solidarität entsteht. Dies heißt nicht, dass wir nicht auch zukünftig gegenteiliger Meinung sein können. Entscheidend bleibt jedoch die gegenseitige Wertschätzung, der Umgang miteinander.
Die Polizei kontrolliert das Kontaktverbot – auch ausreichend in Ihrer Gemeinde?
Faulhaber: Auch in Dossenheim wird das Kontaktverbot selbstverständlich und engmaschig kontrolliert. Die Zusammenarbeit mit der Polizei funktioniert reibungslos. Auch unser Ordnungsamt führt Kontrollen bei Spielplätzen und anderen öffentlichen Plätzen durch. Erfreulicherweise halten unsere Bürgerinnen und Bürger die Maßnahmen der Corona-Verordnung diszipliniert ein. Das Verantwortungsbewusstsein jedes Einzelnen ist sehr hoch. Dort wo es das in wenigen Einzelfällen jedoch nicht ist, müssen wir handeln.
Sie haben wie andere Bergstraßengemeinden einen hohen Naherholungswert, Wald und Wanderwege – ist es schwierig, dort zu kontrollieren?
Faulhaber: Das Waldgebiet ist sehr weitläufig, was bei Kontrollen natürlich mitgedacht werden muss. Gleichzeitig möchten wir gar nicht überall kontrollieren. Sich bei Spaziergängen in der Natur zu erholen und auch abzuschalten, während der Mindestabstand ohne Probleme eingehalten werden kann, ist in Maßen möglich. Unser Appell an die Bevölkerung ist dennoch, möglichst zuhause zu bleiben. Je intensiver wir diesen Einschränkungen momentan nachkommen, desto besser können wir die gesteckten Ziele erreichen: die Kurve flach halten, das Gesundheitssystem entlasten sowie gefährdetere Menschen schützen. Es kommt auf die kommenden Tage bei schönem Wetter an. Noch sind wir nicht durch.

Bürgermeister David Faulhaber. Foto: privat
In Dossenheim leben sehr viele studierte Bürger – ist das von Vor- oder Nachteil, was das Verhalten angeht?
Faulhaber: Wir beobachten hier in Dossenheim ein – unabhängig vom Bildungsabschluss – tolles Verhalten bei unseren Bürgerinnen und Bürgern. So haben sich in kürzester Zeit die verschiedensten Menschen auf unseren Unterstützungsaufruf für unsere älteren Mitmenschen gemeldet und Hilfe angeboten. In Dossenheim herrscht generell ein sehr solidarisches Verhalten und ein schönes Miteinander. Darauf können wir sehr stolz sein und dies gilt es fortwährend zu unterstützen.
Welche Maßnahmen haben Sie mit den Allgemeinverfügungen innerhalb der Verwaltung getroffen und was musste nachjustiert, neu organisiert werden?
Faulhaber: Die Allgemeinverfügungen der Gemeinde Dossenheim, die ergänzend zur Landesverordnung vom 17. März erlassen wurden, regelt u.a. das Verbot von Veranstaltungen und Ansammlungen sowie die Schließung von Einrichtungen und Betrieben zur Eindämmung des sich verbreitenden Corona-Virus. Wir haben uns dabei streng an die Vorgaben des Kreises gehalten, da es keinen Sinn macht, dass jede Kommune nach Insellösungen sucht. Die Allgemeinverfügung gilt zunächst bis zum 19. April. Gleichzeitig gilt für Dossenheim natürlich die Rechtsverordnung des Landes Baden-Württemberg, das mehrere Änderungen verabschiedet hat. Sie ist aktuell Grundlage, nach der auch in Dossenheim gehandelt wird. So sind Zusammenkünfte von mehr als zwei Personen – mit Ausnahme von Familien und in einem Haushalt Lebenden – untersagt. Es ist uns jeweils kommunikativ gut gelungen, dies auf unterschiedlichen Plattformen bekannt zu machen.
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Wie überall ist die Geschäftswelt auch in Dossenheim hart getroffen – kann sich eine kleine Gemeinde wie Dossenheim kommunale Hilfen leisten und wenn ja, welche?
Faulhaber: Die Dossenheimer Unternehmen können zurzeit Soforthilfen des Landes Baden-Württemberg beantragen. In der Gemeindeverwaltung haben wir eine Hotline eingerichtet, um die Unternehmen in dieser Situation zu unterstützen und ihnen alle Informationen bestmöglich zur Verfügung zu stellen. Auch aktualisierte Auflistungen von Abhol- und Lieferdiensten sind auf unserer Homepage zu finden. Die Botschaft ist ganz eindeutig: wir sind für unsere Gewerbetreibenden, unseren Einzelhandel, die Gaststätten da und tun unser bestmögliches. Wir überlegen zurzeit auch, wie wir die Unternehmen als Kommune auch zukünftig unterstützen können. Da wir jedoch ebenfalls mit erheblichen finanziellen Einbußen – für Dossenheim sicherlich im hohen siebenstelligen Bereich – in unserem Haushalt rechnen müssen, haben wir diese Thematik schon sehr zeitnah in Richtung Land und Bund kommuniziert.
Wie organisieren Sie die Gemeinderats- und Ausschusssitzungen, solange das Abstandsgebot gilt?
Faulhaber: Wir haben am 24. März 2020 bereits eine Gemeinderatssitzung in Präsenzform abgesagt bzw. Beschlüsse alternativ getroffen. Aufgrund einer hohen Dynamik und den Gegebenheiten war dies in enger Abstimmung mit dem Gemeinderat auch Rückblickend die einzig richtige Entscheidung. Stattdessen haben wir Beschlüsse in einem elektronischen Verfahren auf den Weg gebracht, das mit dem Kommunalrechtsamt abgestimmt war. Die Gemeinderäte konnten so auf elektronischem Weg über die Beschlüsse abstimmen, die Ergebnisse haben wir in unserem Amtsblatt und auf der Homepage veröffentlicht. Es ist mir ein großes Anliegen, den Gemeinderat beschlussfähig zu halten und damit auch die Funktionsfähigkeit der Verwaltung sicherzustellen. Bislang gelingt dies sehr gut.
Wie läuft die Zusammenarbeit mit den Fraktionen – zieht man an einem Strang oder gibt es „parteipolitische Bedürfnisse“?
Faulhaber: Die Zusammenarbeit mit den Fraktionen funktioniert sehr gut – nicht nur in dieser Ausnahmesituation. Der Fokus aller Beteiligten liegt momentan darauf, die Herausforderung gemeinsam zu bewältigen, die Solidarität ist sehr hoch. Natürlich bleiben wir auch in der Krise alle Menschen mit verschiedenen Meinungen und Auffassungen. Dies gehört aber zu unserer demokratischen Gesellschaft, in der verschiedene Meinungen nebeneinander existieren dürfen bzw. sollen – dies dann selbstverständlich auch in der momentanen Situation.
Welche Entscheidungen muss der Gemeinderat in naher Zukunft treffen, welche lassen sich schieben?
Faulhaber: Die kommenden Sitzungen sind für Ende April terminiert. Demzufolge sind wir momentan in der Zusammenstellung der Tagesordnungspunkte. Zielrichtung ist klar: dringliche Punkte müssen behandelt werden, unter Beachtung der Gegebenheiten und Rechtsnormen. Zudem sollte es uns gelingen, die Sitzungsdauer möglichst kurz zu halten.
Welche Folgen erwarten Sie für den kommunalen Haushalt?
Faulhaber: Wie bereits erwähnt wird auch der kommunale Haushalt erhebliche Einbußen verzeichnen. Prognostisch gehe ich für Dossenheim von einem hohen siebenstelligen Betrag aus. Corona hat für uns alle auch wirtschaftliche Folgen. Wir reagieren darauf im Rahmen unserer Möglichkeiten mit klugen Entscheidungen. Zwei Dinge möchte ich dabei herauszustellen: die Kommunen können dabei nicht alleine gelassen werden, zudem werden wir uns sehr akribisch mit unserem eigenen Haushalt und möglichen Stellschrauben beschäftigen müssen.
Bei allen negativen Folgen – machen Sie auch positive Erfahrungen in Zeiten der Krise?
Faulhaber: Ich mache zurzeit sehr viele positive Erfahrungen. Die Menschen zeigen in einem hohen Maße Solidarität und Hilfsbereitschaft. Es herrscht ein starkes Miteinander, das wir mit in die Zukunft nehmen sollten. Es wurden bzw. werden auch viele positive Entwicklungen durch Corona ausgelöst. Sinnbildlich und als ein Beispiel sehe ich hier die Möglichkeit der Videokonferenz und flexibleren Arbeitsgestaltung: für viele zunächst erzwungenermaßen ist dies etwas das wir als Verwaltung mit in die Zukunft nehmen werden. Dennoch muss über allem stehen, dass wir zunächst bestmöglich für unser aller Gesundheit sorgen!
Hinweis: Das Interview wurde schriftlich geführt.
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