Hemsbach, 02. November 2016. (red/pm) Im Rahmen des Herbstferienprogramms des Jugendzentrums in Hemsbach stand Bürgermeister Jürgen Kirchner unter dem Motto “Frag den Häuptling!” einem guten Dutzend Jugendlicher Rede und Antwort zu Themen wie zur Flüchtlingsunterbringung, zur Situation von Familien in Hemsbach, zum neuen Bildungszentrum und zur Zukunft des Jugendzentrums.
Information der Stadt Hemsbach:
“Wer entscheidet, wie viele Flüchtlinge Hemsbach aufnehmen muss? Was tut Hemsbach für junge Menschen und Familien? Warum soll eine neue Schule gebaut werden? Muss das Jugendzentrum umziehen? Und wenn ja, wohin? Bürgermeister Jürgen Kirchner stand am Montagabend einem guten Dutzend Jugendlicher Rede und Antwort. „Frag den Häuptling!“ hieß es dort nämlich. JUZ-Leiter Lars Aschemann und sein Team hatten die Gesprächsrunde im Rahmen des Herbstferienprogramms organisiert.
Das berühmte Eis war schnell gebrochen, als der Rathauschef erzählte, dass das Jugendzentrum seine erste berufliche Station in Hemsbach war, und erklärte:
Was wir jetzt hier in Hemsbach machen, machen wir für die Zukunft. Und die Zukunft seid ihr. Deshalb brauchen wir eure Ideen, euren Input!
Auch Lars Aschemann hatte die Jugendlichen dazu ermuntert, „wirklich jede Frage zu stellen, die euch auf den Nägeln brennt.“
Die kamen zahlreich. Und querbeet: von der Hundesteuer und den Spielplätzen über die Baustellen und die Strafgesetzgebung bis hin zu den Gruselclowns – klar, es war ja auch Halloween, und manche mit Hinblick auf den Nachhause- oder Weg zur Party doch etwas besorgt. Aber der Rathauschef konnte beruhigen: Polizei und städtischer Vollzugsdienst seien heute Abend auf jeden Fall ganz besonders auf der Hut.
Das indes waren bisher sämtlich Streiflichter, denn drei Themenfelder interessierten die Jugendlichen ganz besonders: die Flüchtlingssituation, die Schulentwicklung und natürlich die Zukunft des JUZ.
Flüchtlinge
„Wer bestimmt, welche Stadt wie viele Flüchtlinge aufnehmen muss?“ lautete die Frage, um die sich eine rege Diskussion entwickelte. Kirchner erklärte den Unterschied zwischen Erstunterbringung, für die der Rhein-Neckar-Kreis zuständig sei, und Anschlussunterbringung, für welche die Kommunen sorgen müssten. Aber: „Letztendlich ist es unser aller Aufgabe, für diese Menschen auch menschenwürdige Unterkünfte zu schaffen.“ Auch sehe er eine schnelle Entspannung der Situation in naher Zukunft nicht: „Das wird uns weiter beschäftigen!“
Konkret angesprochen auf die geplante Flüchtlingsunterkunft in der verlängerten Pumpwerkstraße sagte der Bürgermeister:
Ich habe vollstes Verständnis für die Bedenken der Anwohner, aber wir haben von Verwaltungs- und Gemeinderatsseite alle anderen Möglichkeiten geprüft. Und der Gemeinderat hat sich für diesen Standort entschieden. Das Bauvorhaben dort geht jetzt den üblichen Gang wie jedes andere Bauvorhaben auch und bietet somit auch für die Anwohner die Möglichkeit, in diesem Verfahren Einwände vorzubringen.
Auf die Frage, ob es stimme, dass ein Asylbewerber wirklich mehr Geld als ein Hartz-IV-Empfänger bekomme, antwortete Kirchner: „Geht es hier wirklich um Zahlen? Oder darum, die Schwächsten in unserer Gesellschaft gegeneinander auszuspielen? Das darf nicht sein!“ Und fügte hinzu: „Die Flüchtlinge sind nicht für alles verantwortlich zu machen. Viele unserer Probleme hier in Deutschland sind nicht erst wegen der Flüchtlinge entstanden. Der soziale Wohnungsbau beispielsweise wurde die letzten Jahre sträflich vernachlässigt.“
Wohnraumsituation
Wohnungsbau war das Stichwort für einen Jugendlichen nachzufragen, was Hemsbach denn für Familien tue – bestätigendes Nicken in der Runde, und eine Schülerin kommentierte: „Wir sind nach Laudenbach gezogen, weil wir hier keine Wohnung gefunden haben.“ In der Tat sei bezahlbarer Wohnraum für Familien ein großes Problem. „Hemsbach ist bis an seine Gemarkungsgrenzen bebaut. Unser Lösungsansatz ist die Innenverdichtung: Wo und wie kann ich innerhalb der Stadt noch Wohnraum schaffen, der auch jungen Familien eine Chance bietet?“, erläuterte der Bürgermeister. Aber auch für ein Mehrgenerationenwohnen du altersgerechtes Wohnen suche man nach Möglichkeiten.
Was Hemsbach für Familien attraktiv mache, seien zum einen die gute Infrastruktur, das Freizeit- und Kulturangebot – Stichwort „alla hopp!“-Gelände – und das Bildungs- und Betreuungsangebot. Stichwort neues Schulzentrum: „Derzeit wird für die weiteren Planungen ein Raumprogramm erstellt. Welche Schulart neben dem dreizügigen Gymnasium in das neue Gebäude einziehen wird, ist allerdings noch nicht geklärt.“
Schule auf einer „Altlast“
Und es interessierte die Jugendlichen, warum ein neuer Standort geplant und nicht das Bildungszentrum saniert werde: „Das hängt mit der Altlastenproblematik zusammen“, erklärte der Verwaltungschef – bekanntlich stehe das BIZ ja, „salopp gesagt“, auf einer ehemaligen Mülldeponie. Dass die Frage, warum man ausgerechnet eine Schule auf eine „Müllhalde“ baue – noch dazu in unmittelbarer Nachbarschaft zu einem Naturschutzgebiet – blieb selbstredend im Raum stehen, wenngleich Kirchner versicherte: „Es besteht für niemanden Gefahr.“ Über Sinn und Zweck der Maßnahmen zum Brandschutz und den sogenannten „Anti-Amoksystemen“ waren der Rathauschef und die Jugendlichen übrigens gleicher Meinung.
Blieb die Frage nach der Zukunft des JUZ, wenn die Sanierung der Hebelschule abgeschlossen sein wird: Bleibt es an Ort und Stelle? Oder kommt es zum neuen Schulzentrum? Oder auf das „alla hopp!“-Gelände? „Das wissen wir noch nicht“, so Kirchners ehrliche Antwort. Alle Alternativen würden Vor- und Nachteile bieten. Doch eines versprach er: „Die Pause wird nicht lang werden, sollten wir dem JUZ ein neues Zuhause geben. Dafür ist die Jugendarbeit einfach zu wichtig.“
Dass er letztere Aussage wirklich ernst meinte, untermauerte der Rathauschef mit dem Appell:
Beteiligt euch! Klinkt euch ein! Meine Tür ist für jeden offen!
Auch Lars Aschemann hielt die Jugendlichen dazu an, sich einzubringen. „Ihr habt wirklich die Chance, etwas zu bewirken und zu verändern!“ Die Idee, sich öfter und regelmäßiger auszutauschen, kam von allen fast gleichzeitig.
Zwei Dinge kristallisierten sich an diesem Abend deutlich heraus: „Die“ Jugend ist wahrlich nicht unpolitisch, im Gegenteil: Sie macht sich Gedanken. Man muss die jungen Menschen nur da abholen, wo sie sind, anstatt zu warten, bis sie kommen. Und der Bürgermeister ist wahrlich kein „Häuptling“, der alles allein entscheiden kann und will, denn für ihn ist, sofern sich das Thema dafür eignet, das Einbeziehen der Menschen in Entscheidungsfindungen wichtig. Einfache Lösungen für komplexe Themenstellungen gibt es eben nicht oder wie es eine Schülerin ausdrückte:
Boah, das ist echt viel, was man da wissen und beachten und auf was man alles Rücksicht nehmen muss. Ich wollte kein Bürgermeister sein!