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Rhein-Neckar, 30. April 2013. (red/ae/aw) Wer Führerschein und Auto besitzt, ist mobil, unabhängig – und diese Unabhängigkeit wird ungern wieder aufgegeben. Denn Mobilität bedeutet Lebensqualität. Dies gilt auch für Seniorinnen und Senioren. Doch ab wann ist man zu alt zum Autofahren und sollte die Autoschlüssel lieber liegen lassen? Erst gestern verursachte ein 82-jähriger Falschfahrer auf der A81 einen Unfall. Er und ein 40 Jahre alter Mann kamen dabei ums Leben. Statistiken zeigen: Es gibt mehr ältere Teilnehmer im Straßenverkehr, doch ein erhöhtes Risiko für Unfälle gibt es deshalb nicht unbedingt.
Von Alina Eisenhardt
26. April 2013, Gestern Abend gegen 19.30 Uhr ereignete sich auf der B37 ein Verkehrsunfall, als eine Seniorin das Rotlicht missachtete. Insgesamt wurden fünf Personen verletzt, zwei davon schwer. Es entstand ein Sachschaden von ca. 19.000 Euro.
06. Juli 2012, Ilvesheim: Ein fast 90-jähriger Rentner überfährt bei der Ausfahrt aus der Tiefgarage versehentlich seine Frau und verletzt sie schwer.
04. September 2012, Mannheim-Friedrichsfeld: Ein 70-jähriger PKW-Fahrer kommt von der Fahrbahn ab und durchbricht das Tor zu einem Kfz-Handel. Bevor er zum Stillstand kommt, beschädigt er dort mehrere Fahrzeuge, einen Verkaufscontainer, einen Pavillon und eine Hauswand. Der entstandene Sachschaden wird auf mehrere zehntausend Euro geschätzt.
Wir lesen täglich die Polizeiberichte und irgendwie stellt sich das Gefühl ein, dass Unfälle durch ältere Verkehrsteilnehmer zunehmen. Ist das so?
Unfälle der über 65-Jährigen: Unterproportionale Unfallbeteiligung
Laut der Statistik “Unfälle von Senioren im Straßenverkehr 2011“ des Statistischen Bundesamtes lässt sich das wachsende Verkehrsaufkommen in Deutschland – bei etwa gleichbleibender Bevölkerung – unter anderem darauf zurückführen, dass auch Senioren im Alter von 65 und mehr noch mobil sind. Als Beteiligte an Unfällen mit Personenschaden hatten die über 65-Jährigen 2011 trotz erhöhter Mobilität aber nur einen Anteil von 11,8 Prozent. Das ist eine unterproportionale Unfallbeteiligung, denn ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung liegt derzeit bei fast 21 Prozent.
Senioren sind häufig durch körperliche Defizite, wie zum Beispiel Hör- und Sehschwächen sowie verminderte Reaktionsfähigkeit, eingeschränkt. Oft jedoch kompensieren sie dies durch größere Erfahrung und eine vorsichtigere Fahrweise. So werden zum Beispiel Fahrten bei Nacht oder bei schlechten Wetterbedingungen von vielen älteren Autofahrern gemieden.
Vorausgesetzt, die Betroffenen erkennen ihre Defizite, sind Senioren also per se kein Risikofaktor im Verkehr.
Eher Opfer statt Verursacher
Im Gegenteil: Oft sind ältere Menschen nicht die Unfallverursacher, sondern die Opfer. Im Jahr 2011 sind 12,1 Prozent mehr Senioren im Straßenverkehr verunglückt als noch 2010. Von insgesamt 45.388 Senioren, die an Verkehrsunfällen beteiligt waren, starben 1.044. Das sind 14,7 Prozent mehr als im Vorjahr.
Darüber hinaus ist bei Senioren die Gefahr, bei einem Unfall schwere Verletzungen zu erleiden, mit 25,5 Prozent deutlich höher als bei Verkehrsteilnehmern unter 65 Jahren (16,4 Prozent). Daraus ergibt sich auch eine zunehmende Gefahr, bei einem Unfall im hohen Alter tödlich zu verunglücken.
Das Senioren nicht automatisch ein Risiko im Straßenverkehr darstellen, bedeutet aber nicht, dass sie gar keine Gefahr für die anderen Verkehrsteilnehmer oder sich selbst sind. Denn je älter Senioren werden, desto mehr unterliegen sie ihren körperlichen Defiziten. Welche dann auch die längere Erfahrung im Straßenverkehr nicht mehr ausgleichen kann.
Ab 75 Jahren steigt das Risiko kontinuierlich an
Laut der Deutschen Verkehrswacht sei bei Autofahrern bis zum 75. Lebensjahr kein erhöhtes Verkehrsrisiko zu erkennen. Das Risiko, einen Unfall zu bauen, steige allerdings ab diesem Alter kontinuierlich an. Mit Ende 80 ist das Unfallrisiko, laut Statistik, mit dem eines Fahranfängers vergleichbar.
Es gibt allerdings einen potenziellen Risikofaktor, der nicht nur aber insbesondere Senioren betrifft: Medikamente. Viele alltägliche Arzneimittel, wie beispielsweise Grippemittel oder Antiallergika, können die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigen. Auch Medikamente, die typischer Weise von Senioren eingenommen werden, wie Mittel gegen Bluthochdruck, Diabetes, sowie Schmerz- und Schlafmittel, können hinter dem Steuer zur Gefahr werden.
Alle diese Medikamente sind gefährlich, denn sie beeinträchtigen das Reaktionsvermögen. Darüber hinaus können sich die Nebenwirkungen negativ auf die Fahrtüchtigkeit auswirken. Wenn man zum Beispiel ein Medikament gegen Bluthochdruck einnimmt, dann kann einem schwindlig werden,
erklärt Sandra Nemetschek von der Brücken-Apotheke in Mannheim-Seckenheim. Sie informierte Interessierte bereits bei einer Sicherheitsaktion für die Generation 60+ des Polizeipräsidiums Mannheim.
10 Prozent der Verkehrsunfälle entstehen durch Medikamente
Das Problem dabei ist, dass vielen Menschen nicht bewusst ist, dass sie berauschende Substanzen zu sich nehmen, also solche mit erregender oder einschläfernder Nebenwirkung. Somit bilden sie ungewollt Risikofaktoren im Straßenverkehr. Das liege unter anderem daran, dass rechtlich nicht geklärt sei, ab wann man nicht mehr ins Auto steigen sollte, wie es das beispielsweise beim Alkohol der Fall ist, so Frau Nemetschek.
“Berauschende Substanzen” ist ein dehnbarer Begriff. Schätzungen zufolge soll jeder zehnte Verkehrsunfall unter Medikamenteneinfluss entstehen.
Ein Grund, warum es Sandra Nemetschek besonders wichtig, die Betroffenen aufzuklären.
Besonders bei Mitteln gegen Bluthochdruck und Diabetes sollte man sich vorher von seinem Arzt oder Apotheker beraten lassen. Oft verursacht die Ersteinnahme oder ein Medikamentenwechsel eine Beeinträchtigung des Patienten, die empfehlen lässt, die Autoschlüssel ersteinmal liegen zu lassen.
Im Zweifel: Fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker!
Sobald man Schlafmittel eingenommen hat, sollten auf jedenfall die Packungsvorschriften eingehalten werden. Diese beinhalten meistens, den Hinweis nach der Einnahme kein Fahrzeug mehr zu führen.
Dabei sollte man aufpassen: Schlafmittel sind auch oft in Grippemitteln enthalten,
rät Sandra Nemetschek. Sobald man sich nach Medikamenteneinnahme schläfrig oder schlapp fühle, sollte man also auf keinen Fallmehr ins Auto steigen.
Leider ist es sowohl für Außenstehende als auch für Betroffene oft schwer zu erkennen, ab wann eine Fahruntüchtigkeit besteht. Im Zweifel gilt aber: Lieber eine Vorsicht statt einer bösen Nachsicht. Lieber das Auto stehen lassen und ein Taxi rufen.
Da der Anteil der älteren Bevölkerung in unserer Gesellschaft derzeit stetig wächst, wachsen hier auch Herausforderungen, die es zeitnah anzupeilen gilt. Denn bereits 2020 sollen aktuellen Berechnungen zufolge, 30,5 Prozent der Bevölkerung über 65 Jahre alt sein. Und es ist davon auszugehen, dass auch diese dann noch bis ins hohe Alter mobil und unabhängig bleiben wollen.