Mannheim/Rhein-Neckar/Stuttgart/Karlsruhe, 18. September 2014. (red/pro) Mannheim will eine Außenstation für Karlsruhe werden. Ein LEA-Standort. LEA steht für Landeserstaufnahmestelle. Eigentlich ist die in Karlsruhe. Dort werden Flüchtlinge für wenige Wochen untergebracht und dann auf Stadt- und Landkreise verteilt. Doch die LEA dort läuft über, in Mannheim, Heidelberg und Bruchsal bringt man Flüchtlinge unter, die in Karlsruhe noch nicht einmal mehr in einer Turnhalle Platz finden. Mannheim will LEA werden und im Gegenzug keine anerkannten Flüchtlinge aufnehmen. Das ist ein Fehler.
Von Hardy Prothmann
Im Prinzip läuft es so. Aktuell sucht man einen Standort, um als LEA ankommende Flüchtlinge aufzunehmen. Die bleiben kurz, einige Wochen und werden dann verteilt. Im Gegenzug will Mannheim als LEA-Standort von einer Regelung ausgenommen werden: Anerkannte Flüchtlinge, ob Asyl, geduldet oder Kontingent, sollen der Stadt nicht mehr zugewiesen werden dürfen.
Man will also einen “Durchlaufbetrieb” haben, aber keinen “Dauerzustand”.
Das ist verständlich, wenn man die psychologische Disposition beim Dauerproblem “Südosteuropäer” betrachtet. Die kommen nicht in der LEA an, sondern in der Stadt. Immer mehr. Sie brauchen kein Asyl, sondern haben das Recht, sich in Mannheim aufzuhalten. EU und so.
Addiert man aus Sicht der Verwaltung noch anerkannte Flüchtlinge dazu, die auch in der Stadt siedeln, dann, ja dann, ohje. Dann will man lieber Verschiebebahnhof werden, alle paar Wochen kommen neue Flüchtlinge, werden bearbeitet und auf Landkreise und Stadtkreise verteilt. Hauptsache raus aus der Stadt.
Das ist keine kluge Strategie, denn Zuwanderer sind nicht gleich Flüchtlinge. Unter den Flüchtlingen, insbesondere denen, die anerkannt werden, gibt es viel Intelligenz und den Willen, in einem neuen Leben anzukommen. Wer vor Ort in den Lagern ist, stellt fest, dass insbesondere Syrer und Afghanen und Iraker sehr auf sich achten, häufig gut bis sehr gut Englisch sprechen und ein Perspektive entwickeln wollen. Das sind Menschen mit Zielen.
Die will man durch eine LEA-Regelung aus der Stadt haben – neben denen, die keine Ziele haben. Oder von denen das vermutet wird. Das ist weder sozial noch klug.
Aber es ist nachvollziehbar, wenn man sich eine Verwaltung vorstellt, die unter der neuen Fremde ächzt. Immer mehr Südosteuropäer kommen, immer mehr Probleme. Kinder ersticken bei einem Schwelbrand. Die negativen Schlagzeilen nehmen scheinbar kein Ende. Da liegt die Lösung nahe zu fragen: Was können wir tun, dass wir so viele wie möglich aus der Stadt fernhalten?
Das ist bedauerlich. Gerade für Mannheim. Eine Stadt mit sehr hohem Ausländeranteil. Eine Stadt, die sich was darauf einbildet, dass “Multikulti” funktioniert. Zwar nicht so wirklich, aber immer ruhig. Eine Stadt, die auf Bürgerbeteiligung und -engagement setzt und sich über jeden Preis freut, den man dafür bekommt.
Mannheim ist groß und wichtig genug, ein LEA-Standort zu werden. Erste Hilfe für ankommende Flüchtlinge. Mannheim ist aber auch groß und stark genug, anerkannte Flüchtlinge aufzunehmen und zu integrieren. Insbesondere deswegen, weil man mittlerweile weiß, dass anerkannte Flüchtlinge sich in die Gesellschaft integrieren und kein Kostenfaktor sind, sondern eher Geld bringen.
Mannheim ist in einer Zwickmühle – die Zuwanderung ist hoch und macht Probleme. Der Impuls, weitere Fremde aus der Stadt zu halten, ist zunächst verständlich. Der klügere Weg ist es, sich stabile Fremde in die Stadt zu holen und sie zu Bürgern zu machen. Verantwortlich zu machen. Dazu sind die anerkannten Flüchtlinge gerne bereit. Sie werden auch auf die Zuwanderung wirken, weil sie in Konkurrenz treten.
Das wird Konflikte bringen – aber auch klare Vorstellungen. Für chaotische Zuwanderung wird weniger Platz bleiben, je mehr planvolle Integration von Fremden betrieben wird. Das wird sich rumsprechen. In der Folge wird das Mannheim entlasten.
Wenn die Stadtbeamten sich nicht von teils großen Herausforderungen zu kurzem Denken verleiten lassen, sondern nüchtern die Chancen abwägen, dann werden sie für einen LEA-Standort werben und selbstverständlich versuchen, so viele Flüchtlinge wie möglich in die Stadt zu bekommen. Schon allein deshalb, weil man weiß, dass man Zuwanderung braucht – wegen des demographischen Wandels.
Typische Denkmuster sollte man genau überprüfen, ob sie noch zeitgemäß sind.