Hemsbach, 11. April 2013. (red/ld) Was ist Freiheit? Der Wissenschaftskabarettist Vince Ebert geht in seinem Programm „Freiheit ist alles“ diesem Mythos nach. Am Sonntag überzeugte er die Hemsbacher davon, dass das meiste, was wir als Freiheit erachten, doch nicht ganz Freiheit ist.
Von Lydia Dartsch
Mit einem brennenden 50-Euro-Schein in der Hand steht Vince Ebert auf der Bühne des ausverkauften Max. Um ihn herum ist es schlagartig still geworden. Bis zuletzt fragte sich der Zuschauer:
Nein! Der verbrennt jetzt nicht wirklich den 50-Euro-Schein? Oder etwa doch?
Er tut es und beobachtet die Reaktionen der Menschen. Dann sagt er:
Ich habe ein Denkverbot gebrochen: Das Denkverbot, dass man Geld nicht zerstören darf.
Was ist Freiheit? Das ist die große Frage des Abends. Männer wollen immer frei sein, kaufen sich eine Harley Davidson, nach dem Motto „Born to Be Wild“ sagt er. Doch so einfach ist das nicht mit der Freiheit. In den gut zwei Stunden seines Programms erklärt Vince Ebert, warum vor allem Single-Männer unter der Ungebundenheit leiden:
Männer wollen immer frei sein. Sie wissen nur nicht, was sie mit ihrer Freiheit anfangen sollen.
Kaum von der Beziehung losgesagt, ginge es mit ihnen exponentiell bergab. Sie verwahrlosen, will die Wissenschaft festgestellt haben. Der Mensch als frei denkendes Wesen sei ebenso ein Mythos. Wie ließen sich sonst Schlüsselreize erklären? Zur Erläuterung malt der Komiker zwei S-förmige Kurven auf ein Flipchart und hängt jedem einen Bogen, in der gleichen Höhe an. Die Frage geht an die Männer:
Was sehen Sie? Ein wunderschöne weibliche Form? Die meisten Frauen hätten jetzt gesagt: Ein beleidigtes Elefantenpärchen.
Das Publikum bricht in tosendes Gelächter aus. Das Fazit des Experiments: Wir sehen immer nur das, was wir sehen wollen. Unser Denken und unser Wesen ist zum großen Teil durch Erbanlagen vorprogrammiert.
Nicht einmal die Demokratie ist frei. Bedeutet diese Regierungsform doch, dass gegen eine Gruppe Andersdenkender entschieden wird, weil sie einer weniger sind. Vince Ebert macht das an einem plastischen Beispiel fest:
Demokratie ist, wenn ein Hase und zehn Füchse mehrheitlich darüber abstimmen, was es zum Abendessen gibt. Freiheit ist, wenn der Hase das Abstimmungsergebnis mit einer Schrotflinte anfechten kann.
Das Publikum tobt. Und was ist mit der Freiheit zu rauchen? Aus wissenschaftlicher Sicht, hat Sucht rein gar nichts mit Freiheit zu tun:
Suchtmittel blockieren unsere körpereigenen Opiatrezeptoren. Unser eigenes Belohnungssystem wird außer Funktion gesetzt. Dadurch wird der Mensch gezwungen, immer wieder zum Suchtmittel zu greifen.
sagt er. Das Bild des freiheitsliebenden, rauchenden Cowboys in der Morgendämmerung des Grand Canyon ist zerstört.
Was soll man mit der Freiheit anfangen?
Was will der Mensch auch mit der Freiheit? Er wisse ja nichts damit anzufangen, kehrt er zu seiner Ausgangsthese zurück. Freiheit verunsichert, sagt Vince Ebert. Ohne Regeln gäbe es für die Menschen keine Orientierung. Je freier eine Gesellschaft wird, desto unsicherer wird sie. Das zeige sich am Markt für Lebenshilfe: Neun Milliarden Euro geben die Deutschen pro Jahr für Ratgeber und Coaches aus. Dazu zählten Coaching-Fernsehprogramme wie „Raus aus den Schulden“ oder „Die Supernanny.“
Freiheit bedeute auch, die Freiheit anderer anzuerkennen. Deshalb wolle man in einer freien Gesellschaft, andere Menschen nicht einschränken. Lieber lasse man sich selbst einschränken von Religionen zum Beispiel, ob der eigenen oder der anderer Menschen:
Witze über Religionen dürfen wir erst seit 30 Jahren auf einer Bühne machen. Darüber bin ich froh. Machen wir ein Experiment:
Er malt ein verstörtes Smiley auf das Flipchart und streckt dann den Stift in Richtung Publikum:
Wer von Ihnen schreibt „Mohammed“ drunter?
Freiheit höre da auf, wo die Freiheit anderer beginnt. Während das Publikum noch schmunzelt, wird Vince Ebert hier schlagartig ernst:
Wenn eine Krötenart oder der Juchtenkäfer durch ein Bauprojekt bedroht werden, können wir es kaum abwarten, eine Bürgerinitiative zu gründen. Aber wenn ein dänischer Karikaturist wegen einer Mohammed-Karikatur mit dem Tod bedroht wird, und ein paar Irre Botschaften abfackeln, dann ducken sich alle weg und faseln etwas von Religionsfreiheit und dem Respekt vor anderen Kulturen.
Stille im Zuschauerraum! Die Erinnerung an den Karikaturenstreit hatte niemand erwartet. Nur langsam erhebt sich Applaus. Denn wenn Menschen wegen ihrer Meinungsfreiheit bedroht werden, sei die Grenze der Religionsfreiheit erreicht. Der Komiker hat Recht. Angemahnt hat das damals kaum ein Politiker oder Religionsvertreter.
Vince Ebert erklärt in seinem Programm, warum Menschen ganz und gar nicht frei sind, obwohl sie sich für frei halten. Dabei liefert er überraschende Pointen und paart sie mit wissenschaftlichen Erkenntnissen. Er erzählt von witzigen Experimenten und deren noch witzigeren Ergebnissen. Dazu erklärt er nebenbei ganz physikalisch, aber nicht weniger witzig, warum der Himmel heißer ist, als die Hölle.
Jeden Tag etwas Verrücktes tun
Die Freiheit muss man sich nehmen. Das ist das Ergebnis seines Ausflugs. Dabei ruft Vince Ebert auf, immer mal wieder alte ausgetretene Pfade zu verlassen, und ganz gewöhnliche Dinge einmal anders zu machen: Einen anderen Weg zur Arbeit gehen oder das Dessert vor der Vorspeise essen:
Lassen Sie die Sau raus! Machen Sie einmal am Tag etwas Verrücktes! Treffen Sie Entscheidungen, aber erkennen Sie an, dass das Leben nicht planbar ist. Und gerecht ist es erst Recht nicht.
Die größte Errungenschaft der Menschen sei es, Denkverbote zu überwinden. Deshalb kann der Physiker überhaupt als Komiker auf der Bühne Geld verbrennen:
Die Irritationen in Ihren Gesichtern zu sehen. Das war mir die 50 Euro wert.