Lorsch/Heppenheim/Rhein-Neckar, 04. April 2015. (red) Aktualisiert. Das Polizeipräsidium Südhessen gab am späten Freitagabend bekannt, dass die seit dem 12. März vermisste 60-jährige Frau aus Lorsch tot in der Weschnitz gefunden worden ist. Nach bisherigem Kenntnisstand liegt kein Fremdverschulden vor. Nach der Frau wurde in einer beispiellosen Kampagne gesucht. Die Familie suchte offensiv über soziale Netzwerke und mit Plakaten im öffentlichen Raum nach der Frau. Ihr Name und ihr Foto wurden unzählige Male geteilt. Selbst Musiker wie Musiker Moses Pelham und Kay One unterstützten die “private Fahndung”. Jetzt steht fest, dass die Frau nicht mehr am Leben ist.
Kommentar: Hardy Prothmann
Die Meldung der Polizei ist nüchtern:
Einhausen. Die Identität der am Freitag (03.) gg. 13.50 Uhr von Spaziergängern in der Weschnitz zwischen Einhausen und der “Wattenheimer Brücke” entdeckten toten Frau konnte noch am Nachmittag durch Beamte der Kripo Heppenheim ermittelt werden. Wie schon bei der Bergung vermutet, handelt es sich um eine 60-jährige Frau aus Lorsch, die bereits seit dem 12.03. vermisst wurde. Die bisherigen Ermittlungen ergaben keine Hinweise auf ein Fremdverschulden.
Und diese Meldung steht im Kontrast zu der schon fast hysterischen Suche nach der vermissten Frau über soziale Netzwerke. Auch wir wurden von Leser/innen bedrängt, umgehend Name und Foto der Frau zu veröffentlichen. Als wir das nicht getan haben, wurden wir als “pervers”, “herzlos”, “abgebrüht” und “asozial” beschimpft.
Todeshergang noch unklar
Aufgrund unserer Recherchen hatten wir entschieden, dass überhaupt nicht klar ist, warum die Frau verschwunden sein könnte. Eine “Notlage” aufgrund von Krankheit oder Alter oder beidem war nicht gegeben. Die Frau war weder auf Medikamente angewiesen, noch hilflos. Möglicherweise war sie persönlich in einer großen Notlage. Das werden die Ermittlungen ergeben müssen. Sie wurde jetzt tot gefunden – ob sie durch einen Unfall oder freiwillig ins Wasser geraten ist, kann man aktuell noch nicht wissen.
Selbstverständlich hat die Familie sich Sorgen um die Frau gemacht. Das ist zutiefst menschlich und absolut zu verstehen. Aber Angehörige sind sehr gut beraten, wenn sie erstens nicht selbst versuchen, die “Ermittlungen” zu übernehmen und noch mehr, nicht “Medium” zu werden.
Öffentlicher Such-Event als Betroffenheits-Party
Rund 150 Personen haben sich aktiv an der Suche beteiligt. An zahlreichen öffentlichen Plätzen im Rhein-Main- und Rhein-Neckar-Gebiet wurden Plakate aufgehängt, selbst Musiker wie Moses Pelham und Kay One “unterstützten” die Suche nach der Frau.
Die Polizei hat ihr Arbeit getan – sie hat ermittelt, sie hat gesucht, sie hat Spürhunde eingesetzt, um die Frau M.L. zu finden. Die war seit dem Donnerstagmorgen, den 12. März, verschwunden. Angehörige hatten die Polizei eingeschaltet. Gesucht wurde nach einer “schlanken Frau, etwa 1,65 Meter groß mit kurzen, schwarzen Haaren, mit auffälligen Brandnarben an den Händen”.
Die Polizei hat auch ein Lichtbild den Medien angeboten – um die Suche zu unterstützen.
Wir haben uns gegen eine Veröffentlichung entschieden, weil wir aus unserer Erfahrung heraus befürchtet haben, dass die Frau nur noch tot gefunden werden wird. Die Entscheidung, ein Foto und persönliche Angaben einer privaten Person zu veröffentlichen, ist immer eine Gratwanderung. Und wir nehmen unsere Verantwortung sehr ernst.
Nach dem Hype steht der Tod fest
Die Medien, die den “Hype” mitgemacht haben, wären gut beraten, sämtliche Informationen zu der vermissten Frau umgehend zu löschen. Und vor allem von falschen “Kondolenzen” abzusehen. Die Frau ist gestorben. Ganz privat. Vielleicht durch einen Unfall, vielleicht auch, weil sie nicht mehr leben wollte. Sie hat nichts unternommen, um in die Öffentlichkeit zu kommen und sie hat ein Recht auf Nicht-Öffentlichkeit.
Private Initiativen sind oft keine gute Idee
Ebenso die Angehörigen, die die Suche nach dem vermissten Familienmitglied vehement in die Öffentlichkeit getragen haben. Vielleicht wird diesen nun klar, dass das keine gute Idee war. Denn das Leben der vermissten Frau geht die Öffentlichkeit genausowenig wie ihr Tod an, sofern beides nicht von öffentlicher Relevanz ist. Und die konnten wir bei der Suche und auch jetzt bei der Todesnachricht nur insofern feststellen, dass eine vermisste Frau tot aufgefunden worden ist.
Wir wünschen der Familie Kraft und hoffen, dass der Name und das Bild der verstorbenen Frau jetzt nicht nochmals zigfach mit “Kondolenz-Bekundungen” inklusive Foto, Name und sonstigem über soziale Medien verbreitet werden.
Sie soll in Frieden ruhen können.
Aktualisierung, 4. April 2015, 18:29 Uhr
Die Weinheimer Nachrichten haben den “Steckbrief” mittlerweile auf der eigenen Facebookseite gelöscht, allerdings bleiben weiterhin Namensnennung und andere Informationen online. Andere Medien wie der Mannheimer Morgen, RNF, Darmstädter Echo, Darmstädter Tagblatt und andere sowie Seiten wie “Feuerwehren Metropolregion” verbreiten in unterschiedlichen Konstellationen, Foto, Namensnennung und Beschreibung weiterhin.