Beirut/Rheinneckar, 01. Dezember 2016. (red/pro) Das Rheinneckarblog.de ist ein regionales Nachrichtenangebot – aber wir sind international vernetzt. Aktuell ist Chefredakteur Hardy Prothmann in Beirut als Teilnehmer der Konferenz “Digital Media Viability“, die gemeinsam von der Maharat Foundation und der Deutschen Welle Akademie organisiert ist. Was macht er da? Warum macht er das? Gibt es nicht genug zu tun in der Metropolregion?
Von Hardy Prothmann
Ich bin aktuell zum ersten Mal in Beirut – früher mal das “Paris des Nahen Ostens” genannt. Kaum angekommen, wurde ich mit einer 9-Millimeter-Pistole und dem Satz: “This is a war country”, bedroht. Diese Geschichte berichte ich Ihnen noch, aktuell soll es um etwas anderes gehen.
Habe ich nicht genug in der Metropolregion zu tun? Doch – wie immer viel zu viel. Aktuell bleiben viele Themen zwar nicht liegen, aber sie verzögern sich, weil ich den Tag über in Konferenzen stecke und abends die Gespräche und Kontakte mit Kollegen aus aller Welt weitergehen.
Ich nehme seit 2010 zum dritten Mal an einer Konferenz in einem arabischen Land teil – auf Einladung der Deutschen Welle Akademie. Und soviel steht fest – auch dieses Mal hat sich das sehr gelohnt.
Abgesehen vom strammen Programm, vielen interessanten Vorträgen von Medienmachern aus aller Welt, sind es vor allem die Pausen und die Abende, um mit Kollegen ins Gespräch zu kommen und Kontakte in alle Welt zu knüpfen – mit Informationen aus erster Hand.
Soweit ich das kann und interessant für andere finde, bringe ich mich auch als Fragensteller oder Kommentator ein. Bei dieser Konferenz war ich kein Teilnehmer auf einem Panel – das macht nichts. Die Welt mag sich digitalisieren wie sie will – der persönliche Kontakt ist und bleibt wertvoll.
Die Teilnehmer erfahren Sorgen und Nöte, Hoffnungen, Erfolge und Misserfolge aus Afrika, dem Nahen Osten, ehemaligen Sowjet-Republiken, Südamerika, Europa und den USA. (Mich würde ja brennend die Situation in asiatischen Ländern interessieren…, Programm und Teilnehmer sind oben verlinkt).
So sehr auch in Deutschland die Medienkrise herrscht und so schwer das eigene Wirken manchmal scheinen mag – wenn man Bedingungen in anderen Ländern erfährt, lernt man immer wieder Demut. Weltweit gibt es sehr viele Menschen, die sich für Demokratie und Meinungsfreiheit einsetzen und dafür sehr viel härter kämpfen müssen als in westlichen Demokratien. Meinen großen Respekt dafür.
Unterm Strich geht es immer ums Überleben – auf sehr unterschiedliche Art und Weise. Eine Sache haben alle gemeinsam – wir die ganze Arbeit finanzieren? Deswegen geht es auch um Geschäftsmodelle und deren Entwicklung.
Es geht um Klicks und “Audience” – aber es geht immer wieder auch um “attitude” und “journalistic content”, was mich sehr freut. Die Konferenzsprache ist überwiegend englisch, manchmal französisch, manchmal deutsch – immer dann, wenn zwei eine Sprache sprechen und ein Dritter dazukommt, wird auf englisch gewechselt.
Ich nehme, so meine vorläufige Bilanz neben all den sehr interessanten Informationen zu einzelnen Unternehmen, zu großen Playern wie Google, Facebook, Twitter oder Sender wie Al Jazeera vor allem neue und sehr interessante Kontakte in die Ukraine, Georgien, Armenieren, Syrien, Libanon, Libyen, Marokko, Südamerika und die Vereinigten Staaten von Amerika mit.
Ich nehme aber auch einen anderen Eindruck mit – Beirut ist mit Paris nicht ansatzweise vergleichbar. Überall sind die Spuren des lange zurückliegenden Krieges noch zu sehen. Und der Libanon gilt als relativ sicher. Liest man die Reisewarnungen des Auswärtigen Amts, dann wird klar, dass das nur für Teile von Beirut gilt und noch weniger Teile des Landes.
Nicht weit entfernt tobt in Syrien ein schmutziger Krieg. Ich treffe einen Teilnehmer, der vor 35 Jahren Libyen verlassen hat und heute britischer Staatsbürger ist – eine Rückkehr in den failed state ist unmöglich. Die Beschäftigung mit der Situation des Landes hingegen schon.
Man redet über den arabischen Frühling, wie sich die Dinge entwickeln – in Ägypten, in Tunesien. Und auch über georgische Einbrecherbanden in Deutschland und welche Gründe es dafür gibt.
Und ebenso über die Entwicklung der Türkei – aus der Sicht von Anrainerstaaten. Das ist alles sehr spannend und wird sich im Nachgang in der Berichterstattung beim Rheinneckarblog wiederfinden. Wir sind ein regionales Medium, aber das globale Dorf ist überall und am interessantesten dort, wo auf einem Marktplatz wie aktuell in Beirut viele Fakten, Perspektiven und Meinungen zusammenkommen.
Besten Dank an die Organisatoren für diese Möglichkeit des Austauschs.