Rhein-Neckar/Heidelberg/Gondelsheim, 17. März 2013. (red/nadr.de/pro) Im beschaulichen Gondelsheim (3.400 Einwohner) hängt der Haussegen schief. Seit die Heidelberger Unternehmergattin Deniz Weidenhammer Herrin über Schloss Gondelsheim ist, gibt es Streit. Jetzt hat der Bürgermeister Markus Rupp (SPD) sogar einen offenen Brief an die Schlossherrin geschrieben und hat die Bürger/innen zu einer Unterschriftensammlung aufgerufen.
Von Hardy Prothmann
Seit Deniz Tandogan-Weidenhammer neue Herrin über Schloss Gondelsheim ist, geht es rund im kleinen Ort nahe Bruchsal. Der Schlosspark war bislang Teil des öffentlichen Lebens und ist jetzt für Besucher gesperrt. Der Grund: Vielfältige Streitigkeiten zwischen der 44 Jahre alten Ehefrau des 80-jährigen Unternehmers Arthur Weidenhammer und der Gemeinde Gondelsheim, dem Landkreis sowie Gondelsheimer Vereinen.
Arthur Weidenhammer ist ein geachteter Mann – Gründer und Seniorchef der Weidenhammer Packaging Group in Hockenheim. Das Unternehmen ist europäischer Marktführer für Verpackungen und die Produkte kennt jeder: Ob die Verpackung für Pringles, Nesquik, Knorr, Jacobs, Persil. 1955 kaufte Weidenhammer als 22-jähriger ein paar Maschinen – heute beschäftigt das Unternehmen rund 1.000 Mitarbeiter in ganz Europa und macht 230 Millionen Euro Umsatz (2011).
Gondelsheim macht mobil gegen die neue Schlossherrin
Im Mai 2010 verkaufte Axel Graf Douglas das Schloss an die Weidenhammers. Wie hoch der Kaufpreis war, weiß man nicht, gemunkelt wird über einen Betrag von vier bis fünf Millionen Euro. Und seit Deniz Weidenhammer das Sagen hat, ist nichts mehr so, wie es vorher war.
Im Januar 2013 fanden die Gondelsheimer Bürger/innen in ihren Briefkästen ein Schreiben des Arbeitskreises der Vereine (AGG), die sich gegen eine nach deren Meinung fehlerhafte Berichterstattung der Badischen Neuesten Nachrichten (“Die Vereine wollen kein Schlossfest mehr”) wendete. Darin heißt es:
Die Gondelsheimer Vereine sind nicht bereit, sich von Frau Weidenhammer zum Spielball ihrer Auseinandersetzungen mit der politischen Gemeinde machen zu lassen. Die Unsicherheit spiegelt sich auch darin, dass die Fam. Weidenhammer nach einer Baueinstellung einer ungenehmigten Umzäumung des Schlossparkes und dies noch auf Grundfläche des Kreises, Park und Kinderspielplatz sperren lies. Hier wurde keine Rücksicht auf Gondelsheimer Kinder, Mitbürgerinnen und Mitbürger genommen, die jahrzehntelang offenen Zugang zum Schlosspark hatten. Zu Ihren Beteuerungen hier Abhilfe schaffen zu wollen – fehlt uns der Glaube.
“Stillstand kann nicht entschleunigt werden.”
Die Vereine sind nicht allein mit ihrem Ärger über die Familie Weidenhammer, insbesondere die Unternehmer-Ehefrau Deniz. Auch der Gondelsheimer Bürgermeister Markus Rupp ist so aufgebracht, dass er einen mit dem Gemeinderat abgestimmten offenen Brief an die Unternehmergattin veröffentlicht hat und seine Bürger/innen gar zu einer Unterschriftenaktion aufruft. Ein nicht gerade alltägliches Verhalten für einen süddeutschen Bürgermeister. In seinem Schreiben heißt es:
Leider hat sich in den vergangenen 2 ½ Jahren trotz Ihrer immer wieder wiederholten Aussage, im guten Einvernehmen mit der Gemeinde Gondelsheim und der Bevölkerung leben zu wollen, nichts wirklich geklärt. Nichts in Gesprächen mit dem Gemeinderat, nichts in den Unterredungen mit der Verwaltung, nichts nach Hinzuziehen eines Rechtsanwalts Ihrerseits im April 2012. im Gegenteil. Und obwohl nichts – außer dem Abschluss eines Standard-Pachtvertrags über den Kleinkinderspielplatz im Schlosspark nach über einem halben Jahr teils zäher Verhandlungen – inzwischen wirklich geregelt ist, sprechen Sie nun von einer „Entschleunigung der Verhandlungen“. Gestatten Sie uns den Hinweis, Stillstand kann nicht entschleunigt werden.
Wo früher Kinder spielten und die Gondelsheimer Bevölkerung die malerische Atmosphäre genoss, herrschen nun andere Verhältnisse. Der Journalist Arnd Waidelich (nadr.de) beschreibt die Stimmung im Ort so:
Im Dorf brodelt es.
Der Weg der Kriegerinnen
Ganz anders liest sich das auf der Website von Deniz Weidenhammer, die zusammen mit der ebenfalls türkischstämmigen Lale Diler eine “Akademie für interkulturelle Kompetenz & Management” betreibt. Dort wird das Schloss so beschrieben:
Das Gondelsheimer Schloss bildet mit seinen Nebengebäuden, dem Park, der Englischen Anlage, dem Nymphenbrunnen sowie einem großen Waldgebiet ein malerisches Ensemble. Es bietet viel Raum für kreative und erlebnisorientierte Learn- und Teamevents.
Die beiden Frauen bieten im Schloss Seminare an, beispielsweise “Businessknigge Seminare”, aber auch “BUShIdoNESS”, eine von Diler eingetragene Marke, die die Wörter Business und Bushido ( Bushi = Krieger, DO*= Der Weg – Der Weg des Kriegers) verbindet. Bei Outdoor-Events soll es um Teambildung und Konfliklösung gehen:
Durch das Handeln und Erleben werden erfolgreiche Verhaltensweisen tief in der Persönlichkeit der Teilnehmer verankert und gefestigt. Nicht zu vergessen ist der immense Spaßfaktor für die gesamte Mannschaft.
Deniz Weidenhammer bezeichnet sich als Inhaberin der “Weidenhammer Facility Management”. Dabei scheint es sich um eine Einzelunternehmung zu handeln – im Handelsregister lässt sich kein Eintrag finden. Zusammen mit ihrem Mann gehört sie dem elitären Freundeskreis der Heidelberger Sinfoniker an. Studiert hat sie in Mannheim und war hier als “wissenschaftliche Mitarbeiterin” am Institut für deutsche Sprache tätig. Dort hat sie an Teilprojekten wie “Sprache und kommunikativer Stil von Migranten” teilgenommen.
Mit der Kommunikation klappt es vor Ort allerdings überhaupt nicht. In seinem offenen Brief schreibt der Bürgermeister:
Zu einer Eskalation der Situation kam es, als Sie bzw. die von Ihnen beauftragten Architekten im März 2012 einen Zaun um den Englischen Garten errichten wollten. Dies geschah ohne Baugenehmigung. Zudem ließen Sie Arbeiten auf kreiseigenen Grundstücken vornehmen. Als Sie seitens der Landkreisverwaltung höflich auf diesen Lapsus hingewiesen wurden, haben Sie unter Verkennung des Verursacherprinzips – offensichtlich sich persönlich gekränkt fühlend -, den Schlosspark bis zum heutigen Tag schließen lassen.
Wiederholt sich die “bäuerliche Widersetzlichkeit”?
Während die beiden Frauen also Seminare für “erfolgreiche” interkulturelle Kommunikation veranstalten und den “Spaßfaktor” bewerben, ist der den Gondelsheimern Bürgern gründlich vergangen. Und mit den Gondelsheimer sollte man sich nicht anlegen. Die haben schon vor gut 300 Jahren rebelliert, als es ihnen zu bunt geworden war. Daran erinnert das Gondelsheimer Schlossfest, mit dem die Vereine und Bürger alle drei Jahre ihre Geschichte feiern. Auch damals gab es Streit und ein Aufbegehren renitenter “Rädelsführer” gegen den Schlossherrn. Auch damals wurde ein Brief von 50 Bürgern unterschrieben, der die Klage führte:
gegen das alte Herkommen und Verträge beschwehrt worden, daß es unß die höchste Ohnmöglichkeit seyn will, unter und bey solchem längerhin zu wohnen, ja das Unßrige mit den Rucken anzusehen endlich genöthiget werden, maßen solcher so despotice mit unß verfahret, daß deßen Procedere einer türkischen Zucht mehr als gleich ist.
Schlichtungsversuche scheiterten. Der Kaiser schickte Soldaten und dann auch der Kurfürst Karl-Theodor aus Mannheim. Es kam zu Toten und Verwüstungen. Über 80 Jahre währte der juristische Rechtsstreit. Die Gondelsheimer wurden im ganzen Reich bekannt als “Musterbeispiel für bäuerliche Widersetzlichkeit”.
Wiederholt sich die Geschichte? Auch jetzt sind wieder Anwälte eingeschaltet. Gestritten wird um einen Nymphen-Brunnen, Spielgeräte und gespendete Bäume. Und die ersten Anzeichen von Gewalt sind auch schon zu erkennen: Kurz vor Weihnachten warf ein Unbekannter zwei Scheiben von Büroräumen im Schloss ein – die Staatsanwaltschaft ermittelte und stellte ein, weil keine Spuren zu finden waren.
Schlossherrin vs. “unzivilisierte” Gemeinde
Wie Frau Deniz Tandogan-Weidenhammer die Fronten sieht – hier die Schlossbesitzerin, dort ein maßloser, unzivilisierter Bürgermeister – hat sie ihren Anwalt als Antwort auf den Gemeindebrief schreiben lassen:
Den offenen Brief der Gemeinde Gondelsheim haben wir mit Überraschung und Konsternation zur Kenntnis genommen. Ohne den Inhalt zum gegenwärtigen Zeitpunkt im Einzelnen kommentieren zu wollen, so muss leider festgestellt werden, dass das Vorgehen, das der Bürgermeister Rupp hier wählt, nicht den rechtsstaatlichen Maßstäben entspricht und schon gar nicht den üblichen Gepflogenheiten eines zivilisierten Zusammenlebens.