Mannheim, 02. Juli 2014. (red/ld) Geldhamster oder Feldhamster? Vor rund 13 Jahren entbrannte ein Kampf auf dem Bösfeld, der ungleicher nicht sein könnte: SAP-Gründer und Milliardär Dietmar Hopp und die Stadt Mannheim wollten eine Sportarena auf dem Gelände bauen. Dann fand man dort 92 Feldhamster. Am Ende siegte der Nager. Dann war die Population zwischenzeitig ausgestorben. Seit fünf Jahren halten Biologen dagegen.
Von Lydia Dartsch
Die Kameras klicken unnachgiebig. Wäre es dunkel könnte man die Blitzlichter der Fotografen auch sehen. “Die fühlen sich schon wie Filmstars”, sagt Mannheims Umweltbürgermeisterin Felicitas Kubala (Grüne). Denn die Fotografen interessieren sich weniger für sie, als für die Insassin einer kleinen, durchsichtigen Plastikbox: Ein Feldhamsterweibchen. Sie und ihre fünf Artgenossen – insgesamt vier Weibchen und zwei Männchen – sind die Stars des Vormittags. Sie sind die letzten von insgesamt 31 Feldhamstern, die in diesem Jahr ausgewildert werden. “Die Hamster sind die ältesten Kurpfälzer. Die waren schon vor den Römern hier und fühlen sich wohl”, sagt Dr. Ulrich Weinhold, Leiter des Instituts für Faunistik und Experte für die Nagetiere.
Die Tiere bekommen es so einfach wie möglich gemacht: Vorgebohrte Löcher am Rande eines Luzernfeldes sollen ihnen als erster Bau dienen. Zunächst werden sie aus ihren Plastikboxen in Plastikröhren gesetzt, die sofort auf die Bauöffnung plaziert werden. Der Hamster plumpst in den Bau. Dieser wird dann mit einem Büschel Luzerne verschlossen. So sollen die Hamster vor Fressfeinden wie Füchse und Greifvögeln geschützt werden, bekommen erstes Material für den Nestbau und Futter. Kurz nach dem Verschließen sieht man das Luzernbüschel wackeln. Der neue Bewohner macht sich schon daran zu schaffen.
“Die Hamster fühlen sich in Mannheim wohl.”
Vor allem aber sollen die Tiere nicht so schnell aus ihrem Bau kommen, sagt Marco Sander. Er und Lisa Heimann sind Diplom-Biologen vom Institut für Faunistik an der Universität Heidelberg. Sie ziehen die Tiere im Heidelberger Zoo auf, bis sie in Mannheim ausgewildert werden. Seit dem Jahr 2004 werden dort die vom Aussterben bedrohten Tiere gezüchtet. Im Jahr 2008 wurden die ersten Tiere in Straßenheim ausgewildert. Seit 2009 im Bösfeld. “Die Tiere kennen unsere Stimmen. In den ersten Jahren kam es vor, dass die Hamster auf uns reagiert haben und unmittelbar nach dem Aussetzen wieder auf uns zu gelaufen kamen”, sagt er.Rund 90 Hamster hatten die Mitarbeiter des Artenhilfsprogramms noch im Frühjahr auf dem Bösfeld gezählt. 31 Wurden seit Mai dort ausgesetzt. Da im Moment Paarungszeit sei, könne man von der dreifachen Anzahl der Tiere ausgehen, sagt Herr Sander. Weitere Gebiete sind das Mühlfeld und das Landschaftsschutzgebiet in Straßenheim. Insgesamt 111 Tiere wurden in diesem Jahr ausgewildert. Und die Tiere fühlen sich wohl. Um den Artenerhalt auf dem Bösfeld machen sich die Biologen jedenfalls keine Sorgen mehr. Dr. Weinhold sagt:
Heute gilt das Bösfeld deutschlandweit wieder als der größte Rückzugsort für die Feldhamster. Es ist eine Insel – eingekesselt durch Autobahn, Bundesstraße, Wohngebiet und Eisenbahnschienen. Über diese Grenzen hinaus haben sie es ohne Hilfe schwer, sich weiter zu verbreiten. Für die Repopulation auf dem Feld sorgt seit dem Jahr 2001 das Artenhilfsprogramm der Stadt Mannheim, das im Zuge des Baus der SAP-Arena aufgesetzt worden war. Damals waren 92 Feldhamster auf dem Bösfeld gesichtet worden. Im Jahr 2008 ghab es dann keinen mehr: “Das kann passieren, wenn eine Population unter einen kritischen Wert sinkt”, sagt Dr. Weinhold. In der Forschung streitet man darüber wo dieser Wert liege, sagt er. Manche sehen ihn bei 50, andere bei 500. Mittlerweile vermehren sich die Tiere aber wieder. Seit drei Jahren registrieren die Bilogen eine “deutliche Zunahme”, sagt Dr. Weinhold: “Wir sorgen nur noch dafür, dass keine Inzucht entsteht.”Auf dem Bösfeld machen wir nur noch genetisches Management.
Also kein Trubel mehr um den Hamster, der jetzt mit der SAP-Arena eine friedliche Co-Existenz führt. Das war vor 13 Jahren anders. Als “Ökoterroristen” wurden die Tiere im Jahr 2001 beispielsweise von der Zeitung “Die Welt” beschimpft. Die Hamster machten die Backen dick und gewannen: Als im Jahr 2001 im Zuge der Bauplanung für die SAP-Arena und die Erweiterung der Hochstätt die Feldhamsterbauten gefunden worden waren, brauchte die Stadt Ausgleichsmaßnahmen, um die Bauprojekte zu realisieren. Sogar von einer Umsiedlung der Hamster ins Landschaftsschutzgebiet Straßenheim wurde damals gesprochen.
Hamster “verschieben” SAP-Arena
Doch soetwas fand nie statt. Stattdessen wurden die Pläne geändert. Die SAP-Arena 300 Meter entfernt gebaut. Dort, wo damals kein Feldhamster wohnte. Die Erweiterung der Hochstätt wurde nicht durchgeführt. Als Ausgleichsmaßnahme für die Bauprojekte rief die Stadt Mannheim mit Dr. Ulrich Weinhold das Artenhilfsprogramm ins Leben, das seit dem Jahr 2001 die Population der Hamster genau überwacht und die Baue kartiert. Im Zuge dieses Programms wurden Verträge mit Landwirten geschlossen, die sich für eine Ausgleichszahlung der Stadt dazu verpflichten, den Lebensraum zu erhalten, indem sie im Zuge des Fruchwechsels Luzerne anbauen und die Ränder der Felder stehen lassen, statt sie unterzupflügen. So sollen die Tiere Schutz, Nahrung und Baumaterial für die Nester finden.Wie lange Dr. Weinhold und sein Team noch Hamster auf dem Bösfeld auswildern müssen, könne er noch nicht schätzen, sagt er: “Wenn wir im Frühjahr doppelt so viele Bauten finden, wie dieses Jahr, bin ich zufrieden.” Dann sei der Bestand stabil und die Biologen könnten ihr Engagement schrittweise zurückfahren, sagt er. Er hoffe, dass es in den nächsten Jahren soweit sein werde.