
Eine Show – oder Sadismus? Konträrer könnten die Meinungen nicht sein.
Mannheim/Rhein-Neckar, 31. Mai2013. (red/ae) Stars, Roboter, Frauenaktivistinnen. Alles war dabei. Über 10.000 Menschen besuchten gestern die SAP-Arena Mannheim, um live zu verfolgen, wer Germany’s Next Topmodel wird. Als Lovelyn auf dem Cover der Cosmopolitan erscheint, jubelt die Halle. Es geht um Aussehen und Erfolg, um nackte Haut und „perfekte Figuren“ – es geht nicht um Gleichberechtigung. Es kann nur eine geben, die die anderen toppt.
Von Alina Eisenhardt
Die Halle ist bis zum letzten Platz gefüllt. 10.000 Menschen warteten gespannt auf Heidi Klum und ihre Juroren Thomas Hayo und Enrique Badulescu. “Wer wird Germany’s Next Topmodel?” ist die Frage des Abends.
Heidi Klum hat alles gegeben, um die Sendung des Vorjahres zu überbieten. Mit Erfolg. Die Stimmung war bombastisch. Selbst die Frauen-Aktivistinnen, die barbußig mit dem Aufschrieb “Heidi Horror Picture Show” über die Bühne rannten, brachten Heidi nicht wirklich aus der Fassung. Alle jubelten und hatten Spaß. Die Stars Psy, Bruno Mars und Robin Thicke heizten mit ihrer Perfomance die Halle ein.
Die Herausforderungen, die die Kandidatinnen meistern mussten, waren unterhaltsam: Mal auf Stelzen laufend, mal mit den Roboter Titan flirtend, kämpfen sich die Mädels von Runde zu Runde. Am Ende blieben noch zwei Mädchen übrig: Maike und Lovelyn.
Beide mussten begründen, warum genau sie Germany’s Next Topmodel werden sollten.
Ist es Maike, ist es Lovelyn?
“Nicht umsonst hat Heidi mich Baby-Beyonce getauft”, sagt Lovelyn. “Ich habe getanzt, gestrahlt. Ich habe immer 100% gegeben.”
“Du bist mit deinen 16 Jahren eine ganz große Persönlichkeit.”, sagte Heidi zu ihr.
Maike kämpfte bei ihrem Autritt gegen die Tränen. “Bei den Proben habe ich in diesem Moment immer angefangen zu weinen.”, sagt Maike. Warum sie Germany’s Next Topmodel werden sollte? “Ich bin zielstrebig und will immer an mir weiterarbeiten”.
“Die Kamera ist vielen Leuten gegenüber ungnädig – dich liebt sie.”, sagte Thomas Hayo zu Maike.
Die Spannung steigt: Wer wird Germany’s Next Topmodel werden? Ist es Lovelyn, ist es Maike? Es wird die 16-jährige Schülerin Lovelyn aus Hamburg sein. Star für eine Nacht – mit ein paar Aufträgen in der nächsten Zeit. Aber „Topmodel“?
Sein oder Schein?
Geht es um Germany’s Next Topmodel, spalten sich die Meinungen: Die einen lieben es, die anderen hassen es. Einige bewundern Heidi. Sie vereint Karriere und Kinder, sie ist die liebe “Model-Mama”. Andere halten Heidi für eine „stupsnasige, kaltschnäuzige Scharführerin“ (Alice Schwarzer), die jungen Mädchen ein falsches Körpergefühl vermittelt. Eines steht jedoch außer Frage: Heidi Klum polarisiert.
Ich selbst blickte dem Finale mit gemischten Gefühlen entgegen: Einerseits halte ich das Format von Castingshows für abgenutzt. Andererseits ist das GNTM-Finale ein Event, das gestern gut 2,5 Millionen Menschen vor dem Fernseher verfolgt haben. Um Inhalte, kluge Sätze, schöne Gedanken, interessante Diskussionen geht es nicht.
Vor Ort sehe ich verzweifelte Mütter und kreischende Kinder. Alle sind gestylt, als wären sie die zukünftigen Topmodels, gekommen in der Hoffnung, entdeckt zu werden. Die Außendarstellung scheint alles zu sein.
Surprise, Surprise
Die ganze Halle jubelt, als Heidi Klum angekündigt wird. Doch Heidi erscheint nicht. “Das muss noch viel lauter gehen”, fordert ein Moderator uns auf. Und weiter: ”Gleich wird Heidi in den Helikopter steigen, der an der Decke hängt. Wenn die Show losgeht, dann müsst ihr alle kreischen, als hättet ihr Heidi noch nicht gesehen und nicht gewusst, dass ein Hubschrauber hängt.” Einmal ganz laut jubeln, bitte.
Die Show geht los. Die Menschenmenge macht, was ihr befohlen wurde: Sie kreischt, als wäre es eine große Überraschung, dass Heidi im Helikopter auf die Bühne schwebt.
Nichts ist so, wie es scheint. Live vor Ort zeichnete sich das noch viel deutlicher ab, als vor dem Fernseher. In den Werbepausen bekam das Publikum Anweisungen, Heidi wurde umgestylt, die Bühne wurde umgebaut.
In der Pause kurz vor der Entscheidung beschäftigt mich eine Frage: Steht die Siegerin von Anfang an fest, oder entscheidet sich das wirklich erst im Finale? Konzentriert beobachte ich Heidi und ihre Jury. Beauty-Stylisten zupfen an deren Haaren und tragen Make-Up auf. Regieanweisungen werden verteilt. Keine Ahnung, ob hier ehrlich bis zum Ende alles offen ist oder die Siegerin schon vorher feststeht. Ist das wichtig?
Inszenierung und Aktivistinnen
Man darf Castingshows nicht mit der Realität verwechseln. Nichts davon ist real. Es ist alles nur Schein. Nicht umsonst ist es eine “Show”. Alles ist bis ins letzte Detail geplant. Es soll Spaß machen, es soll unterhalten. Es soll eine Möglichkeit bieten, dem tristen Alltag zu entfliehen. Das ist Fernsehen. Das ist Entertainment.
Anders der Auftritt der Femen-Aktivistinnen Hellen Langhorst (23) und Zana Ramadani (29). Die stürmen oben ohne die Bühne, haben sich „Heidi Horror Picture Show“ auf den Körper gemalt und nutzen die Bühne, um Frauenrechte zu stärken. Im Kontrast „natürlich“ gegen „inszeniert“. Wer sich für die Show zur Show interessiert: DasDing hat eine der Aktivistinnen interviewt. Da gibts auch Bilder von den Busen. 😉