Weinheim/Rhein-Neckar, 31. Oktober 2014. Der Staatsgerichtshof Stuttgart hat in einer Eilentscheidung die Stadtverwaltung Weinheim gestern verpflichtet, der NPD die Stadthalle für eine zweitätige Veranstaltung zu überlassen. Die Stadt hat der NPD als Termin den 1. und 2. November genannt. Die Veranstaltung beginnt morgen voraussichtlich um 10 Uhr – ob es eine Gegendemonstration gibt und wie groß diese sein wird, ist noch offen. Über’s Internet organisieren Mitglieder vom “Bündnis für ein buntes Weinheim” und der Jugendgemeinderat eine Kundgebung.
Von Hardy Prothmann
Nun also doch. Zunächst konnte sich die Stadt Weinheim gegen das Ansinnen der NPD wehren, den Bundesparteitag wie auch im Jahr zuvor in Weinheim zu veranstalten. Der Verwaltungsgerichtshof Mannheim (VGH) hatte entschieden, dass die NPD kein Recht habe, die Stadthalle zu mieten, da diese ausgebucht sei. Doch das gilt nicht für das kommende Wochenende – hier war geplant, die Halle wegen des Feiertags Allerheiligen am Samstag geschlossen zu lassen.
Der Staatsgerichtshof hob das Urteil per Eilentscheidung auf und monierte, dass möglicherweise “eine unzureichende Sachverhaltsermittlung durch den VGH” vorliege. Die NPD hatte gegen die Entscheidung des VGH geklagt – erfolgreich. Aus Sicht der Stadt ist die Buchung an diesem Wochenende “das kleinere Übel”, wie Pressesprecher Roland Kern auf Anfrage mitteilte. Man hofft wohl, dass aufgrund der Kürze der Zeit kein “ordentlicher” Parteitag organisiert werden kann.
Bundesparteitag der NPD – schon wieder in Weinheim
Im vergangenen Jahr waren rund 80 Neonazis im Weinheimer Stadtteil Sulzbach in einer privaten Gastronomie zusammengekommen. Ein Schock für den kleinen Ortsteil und für die große Kreisstadt. Es regte sich aber nur ein überschaubarer Widerstand mit rund 300 Gegendemonstranten. Der Zeitdruck lastet nun nicht nur auf der NPD, sondern auch auf Gegen-Rechts-Gruppen, die für morgen und übermorgen mobilisieren müssen. Noch sind Herbstferien und fraglich ist, wie viele Gegendemonstranten den Weg nach Weinheim finden. Im vergangenen Jahr war die Beteiligung von Gruppen aus Mannheim oder Heidelberg nicht nur “ernüchtern” gering, sondern regelrecht enttäuschend. Über Facebook versuchen verschiedene Gruppen, darunter der Jugendgemeinderat, für eine Gegendemo zu mobilisieren.
Der Oberbürgermeister Heiner Bernhard (SPD) ist zur Zeit ebenfalls in Urlaub und wird durch den Dezernenten Dr. Torsten Fetzner (Bündnis90/Die Grünen) vertreten. Aktuell findet im Weinheimer Rathaus eine Krisensitzung statt. Hier muss beispielsweise geklärt werden, welche Sicherheitsmaßnahmen getroffen werden müssen. Kommt es zu einer großen Gegendemo, wird sich das sicherlich auf die Verkehrssituation auswirken. Auch der Einsatz von Security-Personal wird geprüft.
Äußerst aktive rechte Szene
Im vergangenen Jahr hatte die Stadt mit dem Slogan geworben: “Weinheim ist bunt, nicht braun.” Doch es gab so gut wie keine Aktionen oder Veranstaltungen, die diese Haltung auch demonstrativ nach außen getragen haben. Es blieb beim Bekenntnis.
Dass Weinheim nun zum zweiten Mal hintereinander Tagungsort der rechtsextremen Partei ist, belastet die Stadt weiter. In der Vergangenheit warf der frühere NPD-Vorsitzende Günter Deckert einen braunen Schatten auf die Stadt. Der wegen Volksverhetzung und Aufstachelung zum Rassenhass mehrfach verurteilte Deckert verbüßte zuletzt im ersten Halbjahr 2013 eine sechsmonatige Freiheitsstrafe, von denen er nur fünf Monate in der Justizvollzugsanstalt Mannheim absitzen musste.
Deckert weiter aktiv – Jan Jaeschke mausert sich zur treibenden Kraft
Aktuell ist Deckert (74) immer noch sehr aktiv – gegen die Unterbringung von Flüchtlingen in Weinheim. Ab kommenden Herbst sollen in der Stadt bis zu 240 Asylbewerber in neu zu bauenden Unterkünften untergebracht werden. Während sich an einem Standort eine Bürgerinitiative konstruktiv in die Planungsarbeiten einbringt, herrscht an anderer Stelle Widerstand – inklusive rassistischer Untertöne. Ein aus Sicht der Rechtsradikalen “ideales Stimmungsbild”.
Innerhalb der NPD kann der Weinheimer Kreisverbandsvorsitzende und stellvertretende Landesvorsitzende Jan Jaeschke mittlerweile als “führende” Person angesehen werden. Der pausbäckige Weinheimer organisiert seit Jahren NPD-Auftritte in der Region und das sehr rege. In Mannheim konnte die NPD einen Erfolg verbuchen – seit der vergangenen Kommunalwahl stellt die Partei mit dem ebenfalls vorbestraften Christian Hehl einen Stadtrat. In Mannheim finden auch regelmäßig NPD-Zusammenkünfte statt, deren Tagungsorte aber geheim gehalten werden. Zuletzt nutzten die Rechtsextremen eine Gaststätte in Seckenheim – als der (griechische) Wirt aber von der Gesinnung der Gäste erfahren hatte, wurde die NPD rausgeworfen. Im vergangenen Jahr leitete der später zurückgetretene Holger Apfel den Bundesparteitag – in diesem Jahr wird das wohl der Interims-Vorsitzende Udo Pastörs übernehmen.
Vorbestrafter Schläger und Volksverhetzer Hehl sitzt im Mannheimer Stadtrat
Der Mannheimer NPD-Stadtrat Christian Hehl ist auch in der Mannheimer Fußball-Szene aktiv und wurde vom SV Waldhof mit einem Stadionverbot belegt, weil der Verein davon ausgeht, dass Hehl rechtsradikale Propaganda verbreitet und Anwerbeversuche unternimmt. Besonders heikel sind diese Verbindungen, weil die “Hool”-Szene mittlerweile Tendenzen erkennen lässt, politisiert zu werden und zwar rechtsradikal. Die Ausschreitungen in Köln zeigen, wohin sich das entwickeln kann. Auch in Mannheim traten schon 200 Hooligans als “Gegendemonstranten” bei einer Salafistenkundgebung auf.
Somit hat nicht nur Weinheim ein Problem mit der NPD, sondern ebenfalls Mannheim und die große Kreisstadt Sinsheim, in der die NPD sehr aktiv ist und vor Wochen “Nachtwachen” organisiert hat, um “die Bürger vor den Flüchtlingen” zu schützen. Hier sind rund 400 Flüchtlinge untergebracht. Die Polizei erteilte Platzverweise. Solche “Nachtwachen” sind laut NPD auch für Mannheim und Weinheim geplant.
Gegendemo geplant – Zahl der Teilnehmer noch völlig offen
Im vergangenen Sommer tourte die NPD auch durch kleinere Gemeinden in Nordbaden. In Ladenburg organisierte die rechtsradikale Partei gleich zwei Kundgebungen, als dort Flüchtlinge für ein paar Monate in der alten Martinsschule untergebracht waren. Auch Ladenburg wird nach unseren Informationen Flüchtlinge auf Dauer aufnehmen – wo und wie viele ist noch nicht entschieden, aber es dürften bis zu 100 Asylbewerber sein. Diese Zahl wird wohl als “verträgliche” Größe angesehen, die Gemeinden zwischen 10.-20.000 Einwohner “ertragen” können. Erst kürzlich gab das Landratsamt des Rhein-Neckar-Kreises bekannt, dass in der Stadt Hemsbach rund 80 Asylbewerber untergebracht werden. Hemsbach ist die Nachbargemeinde von Weinheim. Auch in Heidelberg versuchte die NPD Kundgebungen abzuhalten, ist aber immer an Gegendemonstranten gescheitert.
Mit wie vielen Gegendemonstrationen morgen in Weinheim gerechnet werden muss, ist noch offen. Aktuell berät das Polizeipräsidium Mannheim ab 13 Uhr die Einsatzstrategie für Weinheim. Der Einsatz wird vom Präsidium aus koordiniert und die Einsatzstärke wird wohl abhängig von der Größe der zu erwartenden Gegendemonstration sein. Der Weinheimer Jugendgemeinderat hat angekündigt, eine Gegendemo anzumelden. Allerdings ist die Resonanz noch sehr überschaubar.
Die Polizei wird den Platz vor der Stadthalle sperren: “Wir werden in angemessener Zahl vor Ort sein”, sagte Sprecherin Roswitha Götzmann auf Anfrage. Eine spontane Kundgebung soll an der Weschnitzbrücke stattfinden. Während Vertreter von SPD und Bündnis90/Die Grünen für eine Gegendemo werben, hört man von CDU, FDP und Freien Wählern nichts – wie üblich hat man bei den bürgerlichen Parteien Berührungsängste mit “den Linken von der Antifa”.