Rhein-Neckar/Hamburg/ Fergus Falls, 31. Januar 2019. (red/pro) Die Causa Relotius ist eigentlich eine Causa Spiegel. Sie geht weit über die Causa stern und die “Hitler-Tagebücher” hinaus, denn das war ein klassischer Betrug, während die Causa Spiegel ein systematischer, jahrelanger Selbstbetrug der Öffentlichkeit und der Öffentlichkeitshersteller ist – unter nach wie vor völlig ungeklärten Umständen. Ein großes Leit(d)medium hat sich selbst und seine Leserschaft quasi systematisch selbstreferentiell betrogen. Das RNB hat versucht, Licht ins Dunkel zu bringen. Erstaunlich ist, dass das irgendwie nicht möglich ist und sich sonst kein Medium dafür interessiert.
Von Hardy Prothmann
Der Fake News-Skandal des Spiegel wird überwiegend sehr zahm behandelt. Klar – die “Kollegen” haben Sorge, sich zu weit aus dem Fenster zu lehnen. Was, wenn man anfängt, die Wahrheitsgehalte von deren Geschichten zu recherchieren? Das könnte böse werden.
Keine Krähe hakt einer anderen ein Auge aus. Sagt der Volksmund. Stimmt nicht – wenn eine Krähe sicher ist, Beute zu machen, wird gehackt. Aktuell herrscht Angst allerorten. Was beim Spiegel begann könnte Bahnen ziehen.
Die Causa Relotius ist keine solche. Ein mutmaßlicher Betrüger soll Artikel gefälscht haben. So what? Das ist tägliches Brot. Verantwortlicher Qualitätsjournalismus sortiert das aus. Brisant ist die Sache, weil dieser Autor hochgelobt und dekoriert wurde und der Spiegel sich mit ihm brüstete.
Das “Narrativ” des harten Fact-Checkings beim Spiegel ist, freundlich gesagt, am Arsch.
Kleine Redaktionen wie RNB suchen dringend nach Mitarbeitern, die ordentliche Arbeit machen wollen, der Spiegel beschäftigt rund 80 Leute für ein Heidengeld, die offenbar überhaupt keine ordentliche Arbeit gemacht haben.
Als die Causa ruchbar wurde, habe ich gemacht, was ich immer mache – ich habe mich an die Quelle gewandt. Ich habe rund ein Dutzend mal versucht, Michele Anderson ans Telefon zu bekommen. Leider ohne Erfolg, obwohl ich es zu verschiedenen Zeiten probiert habe. Ich habe sie per Twitter angeschrieben und ihr eine email geschickt. Es gibt keine Antworten von ihr. Das finde ich erstaunlich.
Das ist außergewöhnlich – insbesondere, weil es doch in ihrem Interesse sein müsste, sich zur Sache zu verhalten.
Mich hat erheblich irritiert, dass ihr Bericht herauskam und der Spiegel quasi zeitgleich umfangreich reagiert hat. Im Alltag reagieren Dickschiffe wie der Spiegel eins ist, nicht so schnell. Zu viele Abteilungen, zu großer Apparat, das war sehr außergewöhnlich. Und gleichzeitig gab es sehr schnell weitere Berichte und “Schadensbegrenzung”.
Das hat mich echt erstaunt – und dazu habe ich Fragen.
Aber Michele Anderson ist nicht erreichbar. Warum auch immer. Ich könnte jetzt spekulieren, aber ich belasse es dabei, dass ich einfach keine Antwort erhalten habe. Das ist nicht unbedingt außergewöhnlich. Ich erhalte oft keine Antworten von Leuten, die mir keine Antwort auf Fragen geben wollen. Aber warum sollte Frau Anderson sich nicht äußern wollen, wo man sich doch mit der falschen kleinen Stadt angelegt hatte? Ich frage mich schon, ob man Frau Anderson Angebote gemacht haben könnte.
Den RNB-Lesern hatte ich eine Recherche angekündigt. Hier ist das Ergebnis. Es gibt kein Ergebnis. Frau Anderson ist nicht erreichbar und das finde ich sehr verwunderlich. Schreiben Sie Frau Anderson auch an und stellen Sie die Frage, warum Fragen nicht beantwortet werden. Sie finden Frau Andersons Kontaktdaten sehr einfach.
Das RNB verfügt nicht über Mittel wie ARD und ZDF oder andere große Medien. Bemerkenswert finde ich, dass niemand sich wundert, wie die Sache abgelaufen ist und dass es danach keinerlei Nachklapp gab. Frau Anderson und ihr Mitautor haben eine journalistische Macht wie den Spiegel mal eben so enttarnt und äußern sich gar nicht mehr? Nichts? Wirklich nichts? Ui.
Vielleicht ist Fergus Falls wirklich ein Kaff von Hill-Billys – der Blogpost zur Enttarnung der Fake News spricht nicht dafür.
So ein Schweigen tönt für mich ziemlich laut. Das ist jetzt natürlich nur Spekulation auf was auch immer, aber ich halte das für bemerkenswert.
Ich kann nicht mal eben bei Frau Anderson vorbeifahren und nachfragen. Mal abgesehen davon, dass ich gängeln nicht leiden kann.
ARD und ZDF haben die Möglichkeit, einen Reporter zu schicken. Große Zeitungen auch.
Die Frage lautet: Das war ein großer Aufschlag mit enormer Resonanz – warum schweigen Sie jetzt? Was ist der Grund dafür?
Die Recherche ist ohne Antwort beendet. Die Fragen bleiben.
Anm. d. Red.: Das RNB hatte im März 2018 – erstmalig und einmalig – eine Fake News veröffentlicht, um mangelhafte Medienkompetenz, reflexartige Reaktionen und fehlende gesellschaftliche Debatte zu thematisieren. Der “Fake” wurde durch die Absurdität des Textes gekennzeichnet und im Artikel eindeutig und unmissverständlich – selbst für Deppen erkennbar – als fiktional bezeichnet. Über wie wenig Medienkompetenz eine Staatsanwaltschaft Mannheim und ein Amtsgericht Mannheim verfügen, machten deren Aussagen fest, der Text sei “sehr glaubwürdig geschrieben gewesen”. Als glaubwürdig befanden damit die Staatsanwaltschaft Mannheim und das Amtsgericht Mannheim, dass die Bundeswehr mit Antiterroreinheiten auf dem Staatsgebiet der Bundesrepublik Deutschland im Einsatz gewesen sei und 30 Menschen eliminiert hätte. Das wäre ein glatter Verfassungsbruch. Hardy Prothmann wurde als Verfasser dieser “glaubwürdigen” Fake News zu 12.000 Euro Strafe verurteilt, weil der öffentliche Frieden angeblich gefährdet gewesen sei. Gegen das Urteil einer voreingenommenen und befangenen Richterin wurde Berufung eingelegt. Die Sache wird gewonnen werden. Sie können gerne unterstützen – diese Unterstützung wird auch tatsächlich gebraucht, weil die Kosten immens sind.
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