Rhein-Neckar/Hamburg, 31. Dezember 2017. (red/pro) Er war Programmdirektor, Spiegel-Chefredakteur und Diplomat. Seine Sendereihe Zur Person hat ihn zum berühmtesten Hinterkopf der Fernsehnation gemacht: Günter Gaus.
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Hardy Prothmann. Foto: sap
Das Rheinneckarblog ist eine Werkstatt. Wir bieten klassischen Journalismus und probieren gleichzeitig viel aus. 2018 werden wir das fortführen, aber deutlich mehr klassischen Journalismus bieten – mit langen, ausgeruhten Stücken, die sich nicht dem hektischen Alltag widmen, sondern dem verständigen Hintergrund.
Ein Beispiel, was das sein wird, ist das Porträt über Günter Gaus, das im November 1999 in der Medienfachzeitschrift CUT erschienen ist. Warum habe ich dieses Stück ausgewählt? Weil es geradezu symbolisch ist und eng mit der Region verbunden (warum, erfahren Sie im Text). Ich habe mich damals eine gute Arbeitswoche auf Herrn Gaus vorbereitet – ich habe einen Teil seiner Bücher gelesen, gut ein Dutzend Gespräche Zur Person auf VHS-Video angeschaut, mit Wegbegleitern telefoniert. Ich bin von Mannheim nach Potsdam gefahren, um dort die Produktion einer Sendung zu erleben und ich bin von Mannheim nach Hamburg gereist. Meine akribische Vorbereitung hat Herrn Gaus so gut gefallen, dass er mich als ersten Journalisten privat zu sich nach Hause eingeladen hatte. Das Treffen dauerte sechs Stunden – ich habe selten ein solch eindrückliches Gespräch geführt und unendlich viel gelernt. Insgesamt habe ich gut zwei Wochen nur für diesen Text gearbeitet – ein Luxus, den wir in dieser Form vermutlich nicht werden leisten können. Aber wir können es versuchen.

1999 in der Medienfachzeitschrift CUT.
Danach haben wir noch zwei Mal telefoniert: Einmal hat er sich bei mir für das Porträt bedankt, dass er ganz außerordentlich gelungen fand. Einige Zeit später rief er mich wegen eines anderen Porträts an und gratulierte mir zu „einem Text, der mich sehr beeindruckt hat.“ Das war für mich wie ein Ritterschlag – warum, lesen Sie im Porträt.
Das Porträt habe ich als Hommage an seine absolut herausragende Leistung geschrieben. Es versucht mit Schuss und Gegenschuss filmische Techniken nachzuahmen, unterbrochen von Interviewteilen und einem biografischen Teil – auch das Teil der Sendung. Es versucht, einen sehr besonderen Menschen in seinem Wirken und seinem Sein zu beschreiben. Kann das gelingen? „Natürlich nicht. Aber man kann es versuchen“, sagt Günter Gaus über seine eigene Arbeit im Text. Günter Gaus ist 2004 im Alter von 74 Jahren verstorben. Sein großartiger Geist lebt im Bonner „Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland“ mit der Sendereihe Zur Person als zeitgeschichtliche Dokumentation weiter – und auch im Internet. Auf Youtube ist sein legendäres Gespräch mit Hannah Arendt ein „Hit“.
Freuen Sie sich im kommenden Jahr also über Porträts von Menschen aus unserem Berichtsgebiet oder Reportagen. Beides sind journalistische Formate abseits einer tagesaktuellen Berichterstattung und leben über den Tag hinaus.
In diesem Sinne – einen guten Rutsch!
Wir sind ab dem 08. Januar wieder für Sie da.
Ihr
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Text: Hardy Prothmann, Fotos: Holger Floß
An der Wand hängen Steine. In hauchdünne Scheiben zerschnittene gerahmte Steine. Im Schnitt werden Strukturen sichtbar – Bilder, Landschaften. „Der hier ist besonders schön. Eine norddeutsche Landschaft.“ Günter Gaus mag diese Steine. Weil sie Geschichten erzählen. Weil aus einem harten Brocken ein feines Bild kommt. Günter Gaus ist ein Mensch, der sich wundern kann. Über Geschichten, die plötzlich unter Schalen und Fassaden hervorkommen. Vor allem über Geschichten von Menschen. Erst recht, wenn er sie interviewt.
Günter Gaus leistet sich bis heute ein für das deutsche Fernsehen einmaliges Format: 45 Minuten Interview. Zur Person – Porträts in Frage und Antwort. Über 200 dieser Porträts sind seit 1963 entstanden. Zunächst für das ZDF, dann für das Erste, den WDR; derzeit produziert der ORB die Serie.
Günter Gaus wählt die Gesprächspartner aus: wichtige oder widersprüchliche Politiker, Künstler, die oft sperrig sind, oder Wissenschaftler, die mit ihrer Forschung vielleicht die Welt verändern. Menschen mit interessanten Biografien. Aus den gesendeten Interviews werden Bücher mit dem gleichen Titel: Zur Person. Andere Sendungen wie Zur Sache, Halbzwölf, Vorsicht Friedman versuchen, Gaus zu kopieren. Es bleibt beim Versuch.
Als er seine Interviewreihe beginnt, ist er 34 Jahre alt: Anzugträger, Seitenscheitel, Hornbrille. Ein junger Journalist, sprachgewandt, sicher formulierend. Einer, der es versteht, Menschen zum Zuhören einzuladen. Immer spricht er seinen Gesprächspartner direkt an: „Sie erlauben mir …“ oder „Bitte, korrigieren Sie mich, falls …“ Schon damals ist er ein wenig formell, sehr norddeutsch, exakt, höflich, ein Herr.
Die im Mainstream mitschwimmen, sind meistens langweilig.
Schuss. Vor dem wandfüllenden Bücherregal in Gaus’ Wohnzimmer stehen zwei Sessel. Alt, durchgesessen, mit Kissen aufgepolstert. Dazwischen ein Teetisch, eine Lampe. Ort für konzentrierte Gespräche, Rede und Gegenrede – Zur Person, auch privat. Aber bitte nichts Privates über Gaus.
? Sie haben, Herr Gaus, zunächst für die Süddeutsche und dann für das Fernsehen, häufig Außenseiter porträtiert. Wollten Sie das aufblühende Deutschland provozieren?
! Nein, die Leute interessieren mich, weil sie Außenseiter sind.
? Warum ausgerechnet Außenseiter?
! Wissen Sie, Leute, die im Mainstream mitschwimmen, sind meistens langweiliger als Leute, die aus einer Gesinnung heraus oder wegen einer couragierten Haltung von der Mehrheit ins Abseits gedrängt werden.
? Weil sie mehr Stoff bieten?
! Ganz sicher. Es sind die bewegteren Menschen, die Menschen mit Ecken und Kanten, die weniger angepasst, weniger abgeschliffen sind.
? Wie kamen Sie zum Fernsehen?
! Hans-Herbert Westermann, damals Hauptabteilungsleiter beim neuen ZDF, lud mich ein, die Porträts, die ich bis dahin für die SZ gemacht hatte, auch im Fernsehen zu machen. Das war 1963. Ihm und der Bildregisseurin Ingeborg Wurster, die später dazu kam, verdanke ich im Grunde alles, was ich im Fernsehen geworden bin. Dafür bin ich ihnen bis auf den heutigen Tag sehr dankbar, deswegen nenne ich diese Namen ausdrücklich.
? Was hat Sie am Fernsehen gereizt?
! Ich war damals im richtigen Alter, was den Ehrgeiz angeht. Ich dachte: Warum soll ich’s nicht wenigstens versuchen?
Günter Gaus interviewt 1964 Hannah Arendt. Eine Außenseiterin. Jüdin. Geflüchtete. Vertreterin der politischen Theorie. Intellektuelle. Emanzipierte Frau. Das Gespräch ist eines der herausragendsten Gespräche des Journalisten Günter Gaus und heute immer noch nicht nur sehens-, sondern studierenswert. Auf Youtube hat es in mehreren Fassungen seit 2013 bereits über eine Million Aufrufe. Im Fernsehen ist es damals nur ein Mal ausgestrahlt worden. Wer sich für politische Theorie interessiert, Totalitarismus, das Dritte Reich, die Judenverfolgung und wie man intellektuell damit umgehen kann, sollte sich die 70 Minuten Zeit nehmen.
Der Versuch ist gelungen. 1964 bekommt er den Adolf-Grimme-Preis für ein faszinierendes Stück Zeitgeschichte. Er interviewt Hannah Arendt, eine Außenseiterin, einst gelobt, später gescholten. Er fragt nach Emanzipation, nach Geltung, nach politischer Verantwortung, nach ihrer Kindheit. Dabei bietet er ihr in den Fragen seine Sichtweise der Dinge an. Sie lehnt ab, sie nimmt an. So will Gaus es haben: differenziert, Betrachtungen en miniature.
Ich will und darf nicht von den Antworten abhängig sein.
Gegenschuss. Seine Fragen sind kleine Regieanweisungen – für den Interviewten und das Publikum. Zeit, Raum, Ort, handelnde Personen: „Sie waren damals …“, führt Antagonisten ein, die er für wichtig hält: „Ihre Gegner behaupten …“ – Gegensätze bringen Spannung. Gaus interpretiert Antworten, hakt nach, wenn der Gesprächspartner ausweicht. „So, Herr Trittin, und jetzt beantworten Sie mir meine Frage!“ Manchmal muss er improvisieren, weil sich eine überraschende Wendung ergibt. Aber auch dabei bleibt er immer der Regisseur: „Ich will und darf nicht von den Antworten abhängig sein, sondern muss wissen, wie das Gespräch weitergeht.“
Das wurde ihm beim ersten Probeinterview klar – mit Hans Werner Richter, dem Begründer der Gruppe 47. Es war ausgemacht, dass das Gespräch nie gesendet werden würde; für den Fernsehneuling Günter Gaus war es trotzdem ein Desaster.
? Herr Gaus, was ging bei Ihrer ersten Fernsehaufzeichnung daneben?
! Ich hatte nicht begriffen, dass ich für diese Art von Interviews extrem gut vorbereitet sein müsste. Dass es nicht genügt, von der Antwort auf die nächste Frage zu kommen. Ich musste, überspitzt gesagt, vom Leben meines Partners oder meiner Partnerin mehr wissen als sie selber.
? Das kann man?
! Natürlich nicht. Aber man kann es versuchen. Hatten sie Bücher geschrieben, musste ich diese gelesen, bei Politikern die wichtigsten Reden studiert haben. Wenn es Konflikte im Leben der Interviewpartner gab, musste ich wissen, wie es dazu kam.

Günter Gaus – der Hinterkopf – im Gespräch mit Hardy Prothmann. Nicht der Interviewer steht im Vordergrund, sondern die Person, die vorgestellt wird.
Für mich ist es von entscheidender Bedeutung, auf sprachliche Nuancen zu achten.
Close-up. Der für Gaus’ Sendung verantwortliche Redakteur beim ORB, Hellmuth Henneberg, nennt die Gespräche „moderierte Interviews“. „Moderator“ Gaus arbeitet streng nach Fragenkatalog: „Ich beginne mit einer Frage, die Spannung aufbaut, dann kommt ein retardierendes Moment, wieder Spannung, dann eine biografische Notiz, die ich als Pflichtübung vorbereitet habe: Zur Person.“
Während des Gesprächs hält er immer wieder die Antworten fest, fasst zusammen: „Habe ich Sie richtig verstanden … Sie behaupten also … Darf ich Ihre Aussage so zusammenfassen …“ Ob eine Kamera läuft oder nicht – Gaus ist immer Gaus: konzentriert, bedächtig und wortgewandt. „Für mich ist es von entscheidender Bedeutung, auf sprachliche Nuancen zu achten.“
So kann man nicht mit Politikern umgehen! Diese Fragen – zu hart, zu unmittelbar.
Im Studio brachte das schon manchen seiner Gesprächspartner in Bedrängnis – auch den damaligen Wirtschaftsminister und späteren Kanzler Ludwig Erhard, mit dem er das erste gesendete Gespräch Zur Person im Herbst 1963 führt. Auch dieses Interview ein Desaster – befindet zumindest der Fernsehrat des ZDF. So dürfe man nicht mit Politikern umgehen! Die Fragen seien zu hart, zu unmittelbar. Die Kameraführung habe dem Gespräch Verhörcharakter gegeben. Gaus’ Kamera ist tatsächlich hart: angeschnittener Hinterkopf, im Bild Gesicht und Hände des Interviewten. Der Zuschauer schaut dem Interviewer über die Schulter.
Die Close-ups der Kamera und der Schulterblick sind bis heute Stilmittel von Zur Person – ebenso der Achssprung, eigentlich ein Bildregiefehler, bei dem die Kamera den Interviewten einmal von rechts, dann wieder von links zeigt. „Manche Leute sagen, Zur Person sei gar keine richtige Fernsehsendung. Ich halte das für wirklich ganz falsch, weil ich finde, dass es vom Bild her wenig Interessanteres gibt, als ein menschliches Antlitz, das während eines nicht immer ganz einfachen Interviews von der Kamera beobachtet wird.“
Die Dramaturgie seiner Interviews entwickelt er aus den Biografien seiner Gesprächspartner. Er sichtet Archivmaterial, studiert Veröffentlichtes, sei es Kati Witts Eiskunstlauf oder Dieter Hildebrandts Scheibenwischer. Er spricht mit Freunden und Gegnern. Fünf bis zehn Tage nimmt er sich Zeit. Am Ende stehen rund zwei Dutzend Fragen auf seinem Block.
Der Klassik-Liebhaber Gaus wählte Beethovens Musik zu einem Ritterballett als musikalischen Rahmen. Viele verstehen eine Einladung zur Sendung als Ritterschlag. Selbst, wenn sie sich dann an den harten Fragen stoßen. Michael Naumann, Staatsminister für Kultur, krallte seine Hände in die Sessellehnen, als sitze er auf einem Zahnarztstuhl.
Zur Person. Günter Kurt Willi Gaus, Journalist, Publizist und Politiker, geboren am 23. November 1929 in Braunschweig. Der Vater betreibt einen Gemüsehandel, die Mutter ist Hausfrau, beide kommen aus bäuerlichen Verhältnissen. Der Sohn studiert an der Universität München Geschichte und Germanistik. Am Werner-Friedmann-Institut, der heutigen Münchner Journalistenschule, erhält er einen der zwölf Ausbildungsplätze des zweiten Jahrgangs.
Er wird Redakteur bei der Badischen Zeitung, später Bonner Korrespondent der Deutschen Zeitung und Wirtschaftszeitung. Rudolf Augstein holt ihn 1958 als Ressortleiter zum Spiegel. 1961 wechselt Gaus zur Süddeutschen Zeitung. 1963 beginnt er die Sendereihe Zur Person beim ZDF.
Von 1965 bis 1969 ist er Hörfunk- und Fernsehdirektor des Südwestfunks. 1969 wird Gaus Chefredakteur des Spiegels. 1974 folgt er dem Ruf Willy Brandts und wechselt in den diplomatischen Dienst.

Über seine Schulter schaut der Zuschauer. Von vorne – wie hier – sieht man Günter Gaus in seiner Sendung selten. Nicht er ist wichtig, sondern der Gast.
1976 wird er SPD-Mitglied. Bis 1981 ist er der erste Ständige Vertreter der Bundesrepublik in der DDR. Gaus schreibt in den 80er-Jahren mehrere Bücher. Wo Deutschland liegt wird 1987 von der Buchhändlervereinigung zum politischen Buch des Jahres gewählt.
Seit 1990 führt Günter Gaus die Reihe Zur Person beim ORB weiter. Das Honorar zahlt Alexander Kluge, der dafür das Recht hat, die Sendungen auf SAT.1 im dctp-Fenster zu wiederholen. Der Vertrag ist per Handschlag geschlossen. Das Bonner „Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland“ nimmt 1999 die Reihe als zeitgeschichtliche Dokumentation in seinen Bestand auf.
Mit seiner Frau lebt Günter Gaus fast 50 Jahre zusammen. Sie haben eine Tochter; Beruf: Journalistin.
Wirkung. Dass er Programmdirektor wurde, verdankt er einem Gespräch mit Helmut Kohl. Der war damals als Fraktionsvorsitzender der starke Mann in Rheinland-Pfalz. Ein SPD- Parteisprecher arrangierte das Treffen. Auf den noch parteilosen Gaus könnten sich die beiden großen Parteien am ehesten einigen. Auf einen Außenseiter eben.
„Das war ein sehr offenes, freimütiges Gespräch.“ Gaus zwinkert: „Wir haben viel Wein getrunken und am Schluss sagte Kohl: ,Ja, Sie sollten das werden.“
Günter Gaus war von der neuen Aufgabe fasziniert: „Ich fand es hoch lehrreich für jemanden, der viel über Politik geschrieben hatte, nun der politischen Praxis näher zu kommen, durch den Umgang mit Rundfunkrat und Verwaltungsrat. Ich musste meinen Etat durchbringen, erklären, warum ich soviel Geld brauchte.“
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Eine der ersten deutschen Fernseh-Farbproduktionen, Salto Mortale, kostete teure acht Millionen Mark – und wurde ein Erfolg. „Trotzdem war der SDR in Stuttgart der Meinung, uns schlucken zu müssen. Wir waren der Meinung, dass wir das nicht wollten.“ Deshalb baute er die Regionalberichterstattung des SWF aus und holte die Sendung Report nach Mainz, die sich bis heute BR und der neue Fusionskoloss SWR teilen. „Meine Überlegung war, dass wir alles versuchen mussten, eine SWF-Spur zu hinterlassen, wollten wir überleben“, erzählt der Stratege Gaus.
Vom Bild her gibt es wenig Interessanteres als ein menschliches Antlitz.
Seit er Zur Person für den ORB macht, hat er vorwiegend Gesprächspartner aus dem Osten. Er leistet Erinnerungsarbeit, sucht nach Geschichten, die nicht vergessen werden dürfen. Außerdem ist er engagierter Mitherausgeber der Wochenzeitung Freitag – die sich aus der DDR nach Deutsch-Deutschland gerettet hat.
? Sie haben, Herr Gaus, 1990 ein Buch über eine Mitläuferin aus der DDR und ihre Erfahrung mit der neuen Wirklichkeit veröffentlicht. Für Sie ein wichtiges Buch?
! Von meinen Büchern schätze ich dieses am meisten. Im Osten wurde es aufgenommen als der Versuch, die Menschen in ihren grundlegend veränderten Lebensverhältnissen zu verstehen. Im Westen wurde es sofort hingerichtet. Der Spiegel verriss es, die FAZ ehrte es mit einer vernichtenden Kritik und dem Prädikat „Ärgernis des Monats“.
? Kränkt Sie solche Kritik?
! Heute weniger als vor Jahrzehnten. Ich war lange Gegenstand von Kritik – eine Erfahrung, die ich machen musste. Wir Journalisten kritisieren ziemlich ungeniert andere. Umgekehrt ertragen wir das nur sehr schwer.
? Ist das mit ein Grund, weshalb Sie sagen, in Ihrer Arbeit als Ständiger Vertreter der Bundesrepublik in der DDR die eigentliche berufliche Erfüllung gefunden zu haben?
! In dieser Zeit konnte ich konkret etwas für Menschen tun. Sozusagen für Land und Leute. Das tat mir wohler, als die eher unverbindliche Arbeit des Journalisten. Kritik kann man ertragen, schlechte Hefte besser machen. Wäre einer der Verträge mit der DDR notleidend geworden, hätte ich diese Möglichkeit nicht mehr gehabt. Diese größere Verbindlichkeit hat mir existenziell wohl getan.
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