Mannheim, 30. Januar 2015. (red/ms) Aktualisiert. Bernhard Lasotta ist der Integrationspolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion Baden-Württemberg und praktizierender Arzt. Wegen der Dringlichkeit der Zuwanderungsproblematik hat er sich die Zeit genommen, gemeinsam mit uns in der Neckarstadt-West verschiedene „Problemimmobilien“ und „sozialpolitische Brennpunkte“ zu begehen: „Probleme müssen erkannt und angegangen werden – sachlich und unaufgeregt.“
Von Minh Schredle
Vun däm Gesindel do kännt ihr ruhisch n paar Foddos mache,
motzt ein verwahrlost aussehender Passant unvermittelt im Vorbeigehen.
Mit „Gesindel“ will der unrasierte Jogginghosenträger vermutlich die rumänischen Einwohner eines heruntergekommenen Hauses bezeichnen, vor dem wir gerade zu dritt stehen. Drei Mädels um die 14 Jahre stehen vor der Tür, ordentlich zurechtgemacht mit schönen Haaren. Wir – das sind der Landtagsabgeordnete Bernhard Lasotta (CDU), mein Chefredakteur Hardy Prothmann und ich. Wir befinden uns gerade in der Elfenstraße. In der Neckarstadt-West. Einem von Mannheims „Problemvierteln“.
Dr. med. Bernhard Lasotta ist seit 2001 Mitglied im Landtag Baden-Württembergs. Aktuell ist er der Integrationspolitische Sprecher der CDU-Fraktion. Bereits am 14. Januar war er zu Besuch in Mannheim und hat dabei auf einem Stadtrundgang durch die Neckarstadt gemeinsam mit der Mannheimer CDU verschiedene „sozialpolitische Brennpunkte“ begutachtet.
Diesen Termin konnte unsere Redaktion nicht besetzen. Herr Lasotta nahm sich die Zeit, exklusiv mit unserer Redaktion ein weiteres Mal auf die relevantesten Aspekte einzugehen. Dafür ist er aus Heilbronn angereist:
Eigentlich ist das ja ein wirklich hübsches Viertel hier. Schade, dass viele Häuser so heruntergekommen sind.
Interesse an den „Querschnittsthemen“
Neben seiner Tätigkeit im Landtag, ist Herr Lasotta praktizierender Arzt, Anästhesist. „Allerdings nur in einer 50-Prozent-Stelle. Mehr kann ich nicht machen, ohne die Politik zu vernachlässigen“. Zum Integrationspolitischen Sprecher ist er auf Umwegen geworden: Zunächst habe er sich vor allem um Gesundheits- und Sozialpolitik gekümmert. Dann habe er Lust auf eine „neue Herausforderung“ bekommen.
Ihn hätten schon immer die „politischen Querschnittsthemen“ interessiert, sagt er: „Zu denen gehört natürlich auch die Integration“. Er wolle möglichst breite Teile der Gesellschaft aus unterschiedlichen perspektiven betrachten und kennenlernen. Auf die Frage, ob er sich eher als Politiker oder als Arzt sieht, antwortet er: „Mein Beruf ist es, Menschen zu helfen.“
Mannheim ist „besonders belastet“
Mannheim wird durch den Zuzug aus Ost-Europa, insbesondere aus Bulgarien und Rumänien, belastet – das steht für Herrn Lasotta eindeutig fest. Er beruft sich dabei auf den Armutsmigrationsbericht des Bundesinnenministeriums.
Diesem zufolge seien zehn Großstädte in Deutschland in besonderem Ausmaß durch Armutsmigration belastet – Mannheim gehört auch dazu, als einzige Großstadt Baden-Württembergs. Nach Angaben der Stadtverwaltung sind nach den aktuellsten Erhebungen (31. Dezember 2014) derzeit 4.763 Bulgaren und 3.752 Rumänen in Mannheim gemeldet.
Doch viele Menschen werden bei den Ämtern gar nicht erfasst, teilt Carolin Bison vom Dezernat für Wirtschaft, Arbeit, Soziales und Kultur auf Anfrage mit. Schätzungen zufolge könnten insgesamt bis zu 14.000 Rumänen und Bulgaren in Mannheim leben. Man geht von einer gewaltigen Dunkelziffer aus.
Schlechtes Bildungsniveau
Mehr als 50 Prozent von ihnen leben nach Angaben der Stadt im Jungbusch und in der Neckarstadt West. Offenbar ist das Bildungsniveau katastrophal: Unter den Bulgaren haben der Statistik zufolge mehr als 60 Prozent überhaupt keinen Abschluss. Nur sechs Prozent haben eine Berufsausbildung abgeschlossen, gerade mal ein Prozent ein Studium absolviert.
Bei den Rumänen haben „nur“ 40 Prozent keinen Abschluss, fünf Prozent können ein Studium vorweisen. Diese Zahlen basieren, wie Frau Bison mitteilt, nur auf den Angaben, die bei den Jobcentern gemacht werden. Die nicht gemeldeten Personen werden in der Statistik also nicht erfasst.
Herr Lasotta kündigte an, sich dafür einzusetzen, dass Mannheim Fördermittel von Bund und Land erhält. „Diese Gelder sollten dort ankommen, wo sie am dringensten benötigt werden“, sagte er:
Und hier vor Ort gibt es zahlreiche Herausforderungen, die zügig angegangen werden müssen.
Insbesondere die Wohnsituation vieler Bulgaren und Rumänen sei „katastrophal“. Er forderte in diesem Rahmen ein Wohungsaufsichtsgesetz, wie es beispielsweise eines in Hessen gibt. Ein solches Gesetz gebe der Polizei die Möglichkeit, Wohnungen im begründeten Verdachtsfall zu inspizieren und so Problemsituationen frühzeitig erkennen zu können.
„Politik muss Probleme benennen“
Herr Lasotta betont in unserem Gespräch unmissverständlich, dass er Zuwanderung eindeutig als Bereicherung und als „notwendige Stütze für eine funktionierende Gesellschaft“ ansehe. Das ändere aber nichts an dem Umstand:
Die Politik muss Probleme erkennen und benennen.
Selbstverständlich gebe es kulturell bedingte Differenzen und selbstverständlich könnten diese einem gesellschaftlichen Zusammenleben im Weg stehen, sagt er. Wenn so getan wird, als gebe es keine Probleme, obwohl manche Probleme offensichtlich sind, würde das nur den Rechtspopulismus und -extremismus stärken. Das sehe man aktuell an Bewegungen wie Pegida.
Herr Lasotta spricht dabei sehr ruhig und wählt jedes Wort bedacht. Ihm ist die hohe Sensibilität des Themas bewusst. „Ich will auf keinen Fall in eine Ecke mit denen gestellt werden“. Diese Bewegungen seien „hochproblematisch“, weil sie nur mangelhaft diffenzieren und ihre Fremdenfeindlichkeit unter Vorwänden verschleiern würden.
„Der Islam ist kein Problem und erst recht keine Bedrohung“
Nicht alle, die diese Bewegungen unterstützen, seien dabei automatisch Nazis oder Rechtsradikale – aber sie würden Gefahr laufen, von deren Einstellungen beeinflusst zu werden und schleichend zu Rechtsextremen zu werden.
Die zunehmende Fremdenfeindlichkeit und Islamophobie in Deutschland seien mit großer Sorge zu betrachten. Das große Misstrauen gegenüber der breiten Mehrheit unserer muslimischer Mitbürgern sei schlichtweg unangebracht. Medien und Politik würden sich zu Schuldigen und Verantwortlichen machen, wenn sie „Meinungsmache und Populismus“ betreiben:
Der Islam ist kein Problem und erst recht keine Bedrohung. Islamistischer Extremismus dagegen schon.
Dieser werde aber nur von einer prozentual betrachtet verschwindend kleinen Gruppe der Muslime unterstützt. Dennoch dürfe man das auf keinen Fall verharmlosen. Insbesondere bei Grünen und SPD-lern würde Toleranz hier häufig falsch verstanden, beziehungsweise zur Diskreditierung missbraucht werden:
Nehmen wir als Beispiel die Grauen Wölfe – das sind in meinen Augen eindeutig Faschisten. Aber nur weil die Bewegung aus der Türkei kommt, wird man selbst gerne als Nazi diffamiert, wenn man sie als Faschisten bezeichnet.
Herr Lasotta hält das für „sehr bedenklich“. Es schade der Politik in einem ganz erheblichen Ausmaß. Parteipolitisches Kalkül stehe der Sache und möglichen Ideallösungen viel zu oft im Weg und führe dazu, dass das Ansehen der Politik dauerhaft darunter leidet.
Man dürfe die Leute niemals für dumm verkaufen – “irgendwann fliegt das auf und dann hat man seine wichtigsten Güter in der Politik verspielt: Authenzität und Vertrauen.” Wenn also ein sinnvoller Vorschlag gemacht wird, müsse man sich damit auseinandersetzen – egal von wem der Vorschlag stammt.
„Jeder braucht ein zweites Standbein“
Für ihn sei es deswegen sehr wichtig, außerhalb der Politik ein zweites Standbein zu haben. „Ich könnte die Politik jederzeit hinter mir lassen“, sagt er:
Würde ich nur als Arzt arbeiten, würde ich mehr verdienen und mein gesellschaftliches Ansehen würde wohl auch steigen.
Ein solider Beruf gebe einem aber die Unabhängigkeit, den eigenen Idealen und Überzeugungen folgen zu können – auch dann wenn sie einem vermeintlichen „Konsens“ innerhalb der Fraktion entgegenstehen. Wenn man aber darauf angewiesen sei, anderen gegenüber gefällig zu bleiben, um dadurch seine Karriere abzusichern, habe man den wahren Sinn der Politik nicht verstanden.
Allein deswegen halte er es für sinnvoll, neben der Politik beruflich tätig zu bleiben, weil man praktische Erfahrung aus der Arbeitswelt benötige, um Politik bürgernah gestalten zu können. Daher sei es nicht ratsam, sich schon in Jugendjahren ausschließlich auf den politischen Werdegang zu fokussieren.