Schwetzingen/Rhein-Neckar, 30. April 2014. (red) Aktualisiert. In Schwetzingen ist am Donnerstagabend ein 18-Jähriger schwer verletzt worden. 4-5 Männer sollen den Schwetzinger anlasslos zusammengeschlagen und getreten haben. Die Polizei meldete den Vorfall erst heute – als Grund wird ein Versehen angeführt. Laut Schwetzinger Zeitung besteht kein Zweifel, dass der junge Mann „wegen seines Migrationshintergrunds“ zusammengeschlagen worden ist. Bestehen tatsächlich keine Zweifel?
Von Hardy Prothmann
Ohne Gegenrecherche die Aussage einer Person als Tatsache zu behaupten, wie die Schwetzinger Zeitung das tut, ist, nunja, gewagt. Zwischen den Zeilen klingt sogar an, dass die Polizei eine „fremdenfeindliche Tat“ „verschwiegen“ habe. Auch das ist eine gewagte Andeutung.
Auf Anfrage bestätigt Polizeisprecher Norbert Schätzle, dass ein Fehler gemacht worden ist: „Wie und warum dieser Bericht übersehen wurde, müssen wir intern klären, wir waren am Freitag nur „dünn“ besetzt. Aber selbstverständlich melden wir eine solch schwere Straftat, die wir immer mit einem Zeugenaufruf verbinden.“ Wer als Reporter mit der Polizeiarbeit befasst ist, weiß, welchem Leistungsdruck die nicht gerade üppig besetzte Pressestelle ausgesetzt ist. Jeden Tag laufen mehrere hundert Einsatzberichte ein, werden ausgewählt und gemeldet – auch bei der Polizei passieren Fehler.
Rotes Hakenkreuz auf weißem Grund?
Das Opfer konnte wegen der massiven Kieferverletzung erst gestern vernommen werden – den Fall haben Kripo und Staatsschutz übernommen, da die Polizei nach den Angaben des 18-Jährigen von einem „fremdenfeindlichen Hintergrund“ ausgeht. Da dies zur Anzeige kam, wird die Polizei auch in dieser Richtung ermitteln – Recherchen in „andere Richtungen“ sind dabei nicht ausgeschlossen, wie jeder Journalist weiß, der mit Polizeithemen zu tun hat. Auffällig ist, dass nach Aussage des Opfers der „Rädelsführer“ „einen Button mit einem rotem Hakenkreuz auf weißem Grund“ getragen haben soll. Szenetypisch sind Hakenkreuze schwarz und nicht rot. Das tragen eines solchen Zeichens ist verboten und stellt eine Straftat dar – das wissen auch die Nazis.
Es könnten nach unterschiedlichen Aussagen auch „Rocker“ gewesen sein, die angeblich entlang der Bahnlinie geflüchtet sein sollen. Rennende Rocker ohne Motorräder? Auch etwas seltsam. Auch der Zeitpunkt des Überalls, relativ früh am Abend, ist ungewöhnlich für eine solch schwere Straftat – fest steht nur, dass das Opfer massiv verletzt worden ist. Das Opfer gibt 4-5 Täter an, vor dem Überfall soll es verbale Attacken gegeben haben – kann man da nicht auf vier oder fünf zählen?
Auffällig ist, dass es in Schwetzingen nach unseren Informationen keine aggressiv-gewalttätige rechte Szene gibt, auch die Polizei hat dazu keine Erkenntnisse. Die Täter können natürlich auch von außen gekommen sein. Dass eine Rockergruppe einen 18-Jährigen derart „aufmischt“ ist eher ungewöhnlich, außer, es gäbe „Beziehungen“ zwischen Opfer und Schlägern. Allerdings: Nach Informationen der antifaschistischen Szene gibt es durchaus Nazi-Strukturen in Schwetzingen und Hockenheim, die mit anderen rechtsradikalen Netzwerken in Verbindung stehen sollen.
Die Kriminalpolizei wird angesichts der schweren Straftat – Stiefeltritte gegen den Kopf können auch als versuchtes Tötungsdelikt strafverfolgt werden – sicherlich mit hohem Aufwand in der Sache ermitteln. Man darf gespannt sein, ob sich der Verdacht auf eine fremdenfeindliche Straftat erhärten lässt oder die Ermittlungen andere Richtungen nehmen werden.
Die Polizeimeldung von heute:
„Mit schweren Gesichtsverletzungen wurde bereits am Donnerstagabend (24. April 2014) ein 18-Jähriger in eine Klinik eingeliefert. Der junge Mann, der türkische Wurzeln hat, wurde nach eigenen Angaben in der Schubertstraße von 4-5 Männern zunächst verbal, anschließend massiv körperlich attackiert.
Nachdem er geschlagen und getreten worden war, flüchteten die Unbekannten entlang der Bahngleise in Richtung des ehemaligen Ausbesserungswerks. Eine sofort eingeleitete Fahndung verlief ohne Ergebnis. Nach seiner notärztlichen Behandlung wurde der Schwerverletzte in einer Klinik stationär aufgenommen, wo ein doppelter Kieferbruch diagnostiziert wurde.
Am Dienstagabend konnte der 18-Jährige, der sich immer noch in der Klinik aufhält, erstmals vernommen werden und die Tat genauer schildern. Demnach war er gegen 20.30 Uhr auf dem Nachhauseweg von der Borsigstraße über den parallel zu den Bahngleisen neu angelegten Fuß- und Radweg in Richtung ehemaliges Ausbesserungswerk. Im Bereich des alten Wärterhäuschens traf er auf die 4-5 köpfige Personengruppe, die ihm zunächst mit fremdenfeindlichen Parolen begegneten. Plötzlich fielen sie über ihn her, schlugen und traten ihn, auch gegen den Kopf und den Hals. Nachdem sie endlich von ihm abgelassen hatten, flüchteten sie entlang der Bahnlinie.
Der junge Mann beschreibt die Täter wie folgt: Ca. 25-30 Jahre; ca. 185 cm. Alle Täter waren Deutsche mit hiesigem Dialekt. Sie hatten kahl geschorene Köpfe und trugen schwarze Kleidung mit Springerstiefeln. Der Rädelsführer soll einen Button mit einem roten Hakenkreuz auf weißem Grund im Brustbereich getragen haben.
Die Ermittler, die von einem fremdenfeindlichen Hintergrund ausgehen, bitten Zeugen, die Hinweise zur Tat und den Tätern geben können oder verdächtige Beobachtungen rund um den Tatort am Wärterhäuschen des ehemaligen Ausbesserungswerks gemacht haben , sich dringend mit dem Polizeirevier Schwetzingen, Tel.: 06202/288-0 in Verbindung zu setzen.“